<b>In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird bereits von sinkenden Immobilienpreisen berichtet. Wie sieht die Lage in Südtirol aus?</b><BR />Alexander Benedetti: Definitiv sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit Ende 2022 die Preise leicht rückläufig – wir reden hier im Schnitt von fünf bis zehn Prozent. Bei uns sind die Preise hingegen nicht zurückgegangen. Allerdings wird im Jahr 2023 insgesamt die Anzahl der Transaktionen im Markt geringer sein als 2022.<BR /><BR /><b>Eines sind die ausgerufenen Preise, etwas anderes die effektiv bezahlten Preise. Gibt es jetzt größere Abschläge bzw. mehr Verhandlungsspielraum?</b><BR />Benedetti: Der Verhandlungsspielraum hängt weniger vom Markt als von den beteiligten Parteien ab. Es gibt Verkäufer, die lieber mit einem höheren Preis auf den Markt gehen und dann mehr Verhandlungsspielraum bieten. Andere gehen mit einem realistischeren Preis auf den Markt – mit entsprechend weniger Verhandlungsspielraum. Im Moment sind wir bei realistischeren Preisen und weniger Verhandlungsspielraum. Der Markt ist nicht mehr ganz so euphorisch wie 2021/2022.<BR /><BR /><b>Werden heimische Verkäufer aufgrund der internationalen Preisrückgänge nervöser?</b><BR />Benedetti: Nein, was die Verkäufer angeht, spürt man derzeit im Allgemeinen keine größere Nervosität. Es hängt freilich vom einzelnen Verkäufer und dem Verkaufsgrund ab. Natürlich wird jemand nervöser, wenn er schon eine Verpflichtung für den Ankauf einer anderen Immobilie eingegangen ist, oder wenn jemand das Geld aus dem Verkauf zu einem bestimmten Termin braucht. Ein Verkauf kann derzeit auch vielleicht etwas länger dauern als 2022. Es ist nicht mehr ganz so einfach wie noch vor eineinhalb Jahren. Aber im Allgemeinen kann man sagen, dass bei uns alle, die im Immobilienbereich arbeiten, wissen: Wenn in Deutschland oder Österreich die Immobilienpreise rückläufig sind, heißt das noch lange nicht, dass die Immobilienpreise auch in Südtirol zurückgehen. Es geht hierzulande auch niemand davon aus, dass es einen Preissturz gibt oder die Preise künftig zurückgehen werden. Auf der Käuferseite gab es letzthin einige, die aufgrund der Rückgänge in Deutschland oder Österreich genau das dachten. Sie waren zögerlicher beim Kauf. Aber diese Interessenten haben gesehen, dass die Preise nicht zurückgehen – und haben dennoch gekauft.<BR /><BR /><b>Ist jetzt also ein guter Zeitpunkt, eine Immobilie zu kaufen?</b><BR />Benedetti: Ausgehend von der allgemein gängigen Prognose, dass die Immobilienmärkte international 2024 anziehen sollten, ist auch davon auszugehen, dass der Markt in Südtirol weiter anziehen wird. In der Folge glaube ich, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, eine Immobilie zu kaufen. Wobei es natürlich eine sehr individuelle Entscheidung ist, wann und mit wie viel Eigenkapital jemand eine Immobilie erwirbt …<BR /><BR /><b><Frage_Interview>… womit wir beim gestiegenen Zinsniveau sind. Wer derzeit ein Darlehen aufnehmen möchte, bekommt deutlich schlechtere Konditionen als noch vor zwei Jahren …</Frage_Interview></b><BR />Benedetti: Allerdings. Wer auf Fremdkapital zurückgreift, muss sich das gut überlegen und durchrechnen. Man muss aber auch dazusagen: Die Phase mit den enorm tiefen Zinsen war eine abnormale Si<?TrVer> tuation, die mit dazu beigetragen hat, dass der Immobilienmarkt stark angeheizt wurde. Die Darlehensnehmer haben in die<?TrVer> ser Zeit enorm profitiert. Jetzt haben wir – über Jahrzehnte betrachtet – ein relativ normales Zinsniveau erreicht. Aber klarerweise ist das im Vergleich zu vor zwei Jahren hoch. Es gibt Familien, die damals eine Finanzierung von der Bank bekommen hätten, heute für die gleiche Summe aber nicht mehr. Dazu kommt die Inflation. Heute kostet das normale Leben deutlich mehr als 2021. Die Familien haben also weniger Sparpotenzial und insgesamt weniger Kaufkraft.<BR /><BR /><b><Frage_Interview>Viele beklagen, dass die Immobilienpreise in Südtirol allgemein extrem hoch sind. Woher kommt's?</Frage_Interview></b><BR />Benedetti: Es gab letzthin europaweit Preistreiber-Faktoren, wie etwa die Fi<?TrVer> nanzkrise von 2008/2009, das niedere Zinsniveau und den Trend „Airbnb“-Vermietung sowie auch im Allgemeinen den Trend zu einem stärkeren Mietmarkt. Der Immobiliensektor ist in den vergangenen Jahren – nicht nur in Südtirol – als Investitionsform enorm gewachsen. Viele, auch kleine Investoren, haben gekauft, um zu vermieten. <BR /><BR /><b><Frage_Interview>Das sind internationale Trends. Aber wieso sind die Preise hier in Südtirol nochmals höher?</Frage_Interview></b><BR />Benedetti: Grund und Boden sind bei uns li<?TrVer> mitiert. Wir sind nicht in der Poebene, wo wir ohne Probleme große Wohnbauzonen ausweisen können. Ein weiterer Grund ist sicherlich der Baustandard: In Südtirol wird – im internationalen Vergleich – sehr hochwertig gebaut. Und in puncto Energieeffizienz und Nachhaltigkeit ha<?TrVer> ben wir den Klimahaus-A- und den Klimahaus-B-Standard. Diese Standards können wir nicht wieder zurückfahren, um die Preise zu drosseln. Im Zuge des Ukrainekriegs sind zudem die Preise für Baumaterialien gestiegen. In Südtirol ist der Markt außerdem viel regulierter als etwa in der Lombardei, in Bayern oder Österreich. Es gibt den Markt für freie Wohnungen und jenen für konventionierte Wohnungen. Der für freie Wohnungen ist unter Berücksichtigung der lokalen Nachfrage zu klein, was wiederum die Preise treibt. Denn wer in Wohnungen investiert, um sie zu vermieten, sucht natürlich Wohnungen auf dem freien Markt. Bei konventionierten Wohnungen, die zum Landesmietzins vermietet werden, lohnt sich die Investition nämlich nicht so. Viele Südtiroler haben deshalb sogar in Trient oder auch in Österreich bzw. Deutschland Wohnungen gekauft, um sie zu vermieten. Und ein weiterer Grund für die hohen Preise ist, dass die Bevölkerungszahl im Land zugenommen hat. In den 1990ern waren wir bei 430.000 Einwohnern, jetzt sind wir bei ca. 100.000 mehr. Das erhöht die Nachfrage und damit die Preise.<BR /><b><BR /><Frage_Interview>Welche großen langfristigen Trends sehen Sie im heimischen Immobilienmarkt?</Frage_Interview></b><BR />Benedetti: Schon in den vergangenen Jah<?TrVer> ren ist die Nachfrage nach Mietwohnungen viel stärker gestiegen als jene nach Kauf von Erstwohnungen. Es ist also davon auszugehen, dass die Eigentumsquote in Südtirol in Zukunft wei<?TrVer> ter abnehmen wird, weil wir mehr Leute haben, die von auswärts hierher zur Arbeit kommen und zur Miete tendieren …<BR /><BR /><b><Frage_Interview>… und weil sich viele Südtiroler einen Kauf einer Wohnung gar nicht mehr leisten können …</Frage_Interview></b><BR />Benedetti: Für einheimische Familien, die eine Wohnung kaufen möchten, aber nicht über die finanziellen Mittel verfügen, gibt es Mechanismen zur Unterstützung, wie etwa den geförderten Wohnbau. Abgesehen davon gibt es aber insgesamt einen Trend hin zur Miete, weil die Leute heute mobiler sind und sein wollen. So etwa auch jene, die nach dem Studium aus dem Ausland zurückkommen und dann in einer Art „Stand-by-Phase“ sind; sie also nicht wissen, ob sie bleiben werden. Aber es gibt immer mehr Haushalte – vielleicht auch ohne Kinder – die generell mobil bleiben möchten und deshalb auf die Miete setzen.