Zuerst gefeierter Helfer, dann im Regen stehen gelassen: Diese Achterbahnfahrt erlebt Heiner Oberrauch, Präsident der Bozner Oberalp-Gruppe. Nach seiner Hilfsaktion für Südtirols Sanität im März 2020 warte sein Unternehmen jetzt selbst auf schnelle Hilfe, erklärt er im Gespräch mit s+. <i><BR /><BR /><BR /><BR />Von Martin Lercher</i><BR /><BR /><BR />März 2020, Südtirol im Ausnahmezustand: Die Corona-Pandemie fegt durch das Land. Im Sanitätsbetrieb zeichnet sich ab, dass schon in wenigen Tagen keine Schutzmasken und -anzüge mehr zur Verfügung stehen. Die Verwalter bitten das Bozner Unternehmen Oberalp wegen der guten Kontakte nach China um Hilfe. Über Lizenzpartner vor Ort können Heiner Oberrauch und seine Mitarbeiter das dringend benötigte Material auftreiben. <BR /><BR />Um nicht von anderen Käufern auf dem hart umkämpften Markt ausgestochen zu werden, müssen die Südtiroler vorab bezahlen. Weil die öffentliche Hand keine Vorabzahlung leisten darf, treibt Oberalp gemeinsam mit heimischen Banken das Geld auf: 29 Millionen Dollar (ca. 24 Mio. Euro) werden nach China überwiesen. Wie Oberalp-Präsident Oberrauch betont, verdient sein Unternehmen bei der Hilfsaktion keinen Cent. <BR /><BR /> Am 23. März 2020 kommt die erste Lieferung mit einer Maschine der Austrian Airlines nach Wien, Oberalp hilft dann bei der Verteilung in Südtirol. Der Sanitätsbetrieb bezahlt die Ware im Wert von 6 Millionen Euro – und gibt eine zweite Bestellung auf. Dann verfügt das Arbeitssicherheitsinstitut INAIL einen Lieferstopp, weil die Ware nicht den Qualitätskriterien für Corona-Schutzausrüstung entspreche. Inzwischen hat die Bozner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Oberalp-Geschäftsführer Christoph Engl und Sanitätsdirektor Florian Zerzer eingeleitet; das Verfahren zur Beweissicherung läuft. Der Landtag setzt eine Untersuchungsausschuss ein. <BR />Was sagt Heiner Oberrauch zu dieser Situation?<BR /><BR /><b>Herr Oberrauch, vor bald genau einem Jahr hat Ihre Firma Oberalp auf einen Hilferuf der Sanität hin dringend benötigte Schutzausrüstung organisiert. Wurde Ihnen das damals eingesetzte Geld zurückbezahlt?</b><BR />Heiner Oberrauch: Nur zu einem kleinen Teil, und zwar für die erste Lieferung; der größte Teil des Geldes, welches wir damals für die im Interesse des Landes bevorschussten Lieferungen von Schutzausrüstung aus China vorgestreckt hatten, um die Ware vor dem Wegkauf durch andere Interessenten zu sichern, steht noch aus. <BR /><BR /><embed id="dtext86-48068438_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wie konnte es dazu kommen?</b><BR />Oberrauch: Diese Situation ist entstanden, weil es in einer Notlage keine Möglichkeit gibt, für die öffentliche Verwaltung die bürokratischen Vorgaben zu erfüllen in der notwendigen Geschwindigkeit. Eine öffentliche Verwaltung kann nicht Dollarsummen nach China überweisen. Wenn man darauf Rücksicht genommen hätte, dann wäre jeder Hilfsversuch sofort gescheitert. Es ging darum, entweder nichts zum Schutz zu haben außer irgendwelche Provisorien, welche der italienische Zivilschutz lieferte, oder eben jene Materialien, welche wir über unsere Kontakte in China vermitteln konnten und die dort in der Pandemiebekämpfung zum Einsatz gekommen waren. Zudem gab es in der ersten Notlieferung aus China einige Qualitätsmängel, was allerdings in ganz Europa zu dieser Zeit so war. Es ging ja vor allem um die Geschwindigkeit der Beschaffung, weil die Schließung von Krankenhäusern drohte. <BR /><BR /><b>Von wie viel Geld sprechen wir?</b><BR />Oberrauch: Wir haben damals rund 29 Millionen US-Dollar vorgestreckt, mit denen die Landesregierung über den Sanitätsbetrieb Schutzmasken und Schutzanzüge in ausreichender Menge von China nach Bozen importieren wollte. Nun geht es darum, dass wir dieses vorgestreckte Geld wieder zurückbekommen, das wir bei lokalen Banken für diese Vorauszahlung geliehen haben. Auch diese waren Teil der Hilfsoperation, weil sie in Anbetracht der Notlage innerhalb eines Tages diese beträchtlichen Summen zur Verfügung gestellt hatten.<BR /><BR /><embed id="dtext86-48071108_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Was sagt man Ihnen von Seiten der Verantwortlichen?</b><BR />Oberrauch: Alle Beteiligten sind an einer Lösung dieser Frage interessiert. Bei allem Verständnis dafür, dass die Verantwortlichen jeden Tag Außergewöhnliches leisten müssen damit diese Pandemie irgendwie im Zaum zu halten ist, finde ich es an der Zeit, dass die Oberalp für ihre Vorleistungen endlich rückvergütet wird. <BR /><BR /><b>Glauben Sie, dass Sie Ihr Geld zurückbekommen?</b><BR />Oberrauch: Jeder sagt mir, dass man jede Anstrengung unternehmen wird, eine Lösung zu finden. Für eine solche Hilfestellung in einer Notlage gibt es eben keine vorgegebenen Abläufe. Ich zweifle auch nicht am guten Willen aller. Allerdings braucht es jetzt schnell einen Weg, der uns aus der entstandenen finanziellen Schieflage erlöst. <BR /><BR /><BR /><b>Sie sprechen von finanzieller Schieflage: Der komplette Ausfall der Wintersaison wird die Sportartikel-Branche sicher hart treffen. Wie sieht es bei Ihrer Firmengruppe aus?</b><BR />Oberrauch: Wir sind ja auch Generalimporteur von Marken im Skisport, wie Fischer, Smith und andere, hier trifft es uns hart mit Ausfällen von 50 bis 80 Prozent. Hingegen der Bergsport - unser Hauptgeschäft - wächst und im Besonderen unsere Marken Salewa und Dynafit. Die Menschen haben Sehnsucht nach Bewegung und Natur, die Trendsportart Skitouren ist dieses Jahr explodiert. Insofern können wir durchaus mit einem guten Geschäftsjahr rechnen.<BR /><BR /><BR /><b>Im Rückblick: Was hätten wir in diesem Corona-Jahr seit Februar 2020 sicher besser machen können?</b><BR />Oberrauch: Ich tue mich hier schwer zu kritisieren, auch aus Respekt den Entscheidungsträgern gegenüber. Hinterher sind alle gescheiter und es gibt zu viele Besserwisser. Ich maße mir nicht an, zu den gesundheitlichen Fragen Stellung zu nehmen. Eigentlich wäre es einmal angebracht zu sagen, was wir gut gemacht haben. Das Ringen nach Offenhalten war sicher richtig, denn wir konnten mehr Freiheiten haben als andere und vor allen Dingen die sozialen und wirtschaftlichen Folgeschäden somit geringer halten. Auch die Massentests waren ein Erfolg und am Anfang der Pandemie hatten wir gegenüber vielen anderen auch Schutzausrüstung, die im Nachhinein auch nicht immer voll entsprochen hat, aber andere Regionen hatten keine. Eine Krise zeigt Mängel schonungslos auf und ist in vielen Bereichen ein Verstärker. Insofern wird man in vielen Feldern daraus lernen können. So wussten wir vor der Krise, dass es digitalen Nachholbedarf gibt, hier sind in der Organisation viele Mängel. Oder dass wir in vielen Bereichen komplizierte, bürokratische Hemmnisse haben, die uns lähmen. Sicherlich ist am Anfang Kindern und Jugendlichen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden und auch das Nicht-Besuchen von Menschen in den Altersheimen war schwerwiegend. Einen Schwachpunkt sehe ich in der besseren Information und vor allen Dingen Kommunikation. <BR />Ich vermisse in vielen Bereichen den Solidaritätsgedanken. <BR /><BR /><embed id="dtext86-48071109_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wie meinen Sie das?</b><BR />Oberrauch: Die Solidarität aller Bürger, sich an die 3 elementaren Regeln zu halten. Die Solidarität unter den gesellschaftlichen Interessengruppen, das Kritisieren Aller und „jeder gegen jeden“. Hier hat auch die Wirtschaft ein schlechtes Bild abgegeben. Medien haben mehr Konflikte befeuert, als Verständnis für die entstandene Notlage zu thematisieren. Sie haben versucht, sich bei der Suche nach Schuldigen – letztes Beispiel: Impfverweigerer – zu übertrumpfen, als vielmehr auf Lösungsvorschläge einzugehen und zu prämieren, und manchmal auch Zuversicht zu vermitteln. Jetzt ist es dringend Zeit, uns mehr mit den Kollateralschäden zu beschäftigen. Die Finanzierbarkeit der Krise, die Hilfestellung für die am meisten Betroffenen, den Bildungsverlust der Kinder, Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft um Arbeitsplätze zu sichern und Steuern zu generieren, um die Folgeschäden zu finanzieren. Zurückhaltung und Solidarität sind geboten, damit es nicht zu einem Verteilungskampf und zu sozialen Spannungen kommen wird.<BR />