Im Interview mit s+ erläutert er seine Idee und warum er so sehr daran festhält. <BR /><BR /><b>Herr Bonani, Sie sind Eigentümer eines großen Obstbaubetriebs und Hofladenbesitzer. Sind Sie damit nicht ganz ausgelastet oder wie kommt es, dass Sie Zeit haben, um sich mit dem größeren Ganzen zu beschäftigen?</b><BR />Hans Bonani: Ich bin seit über 50 Jahren Obstbauer. Weil mir die Obstwirtschaft in Südtirol viel bedeutet, habe ich mir immer schon mehr als nur um meinen Betrieb Gedanken gemacht. In Vergangenheit haben wir immer wieder die richtigen Antworten auf verschiedenste Herausforderungen gefunden. Nun aber habe ich das Gefühl, dass wir uns immer wieder im Kreis drehen. Immer mehr Obstbauern tun sich schwer mit Optimismus in die Zukunft zu blicken. Ein Bauer liebt seine Arbeit, er produziert, muss von den Gewinnen am Ende aber auch leben können. Tatsache ist, dass die Obstbauern immer strengere Vorgaben erfüllen und immer mehr Aufwand betreiben müssen, um sich am Ende finanziell doch nur ständig am Limit zu bewegen. Das ist sehr frustrierend. Und nicht nur das: Meine Sorge ist, dass dadurch viele Betriebe über kurz oder lang in arge Schwierigkeiten geraten. Dabei ist gerade die Kleinstrukturiertheit der Betriebe der größte Reichtum der Südtiroler Landwirtschaft – auch in Bezug auf die Biodiversität. <BR /><BR /><b>Die Südtiroler Obstwirtschaft steht doch am italienischen und internationalen Markt gut da…</b><BR />Bonani: Ich vergleiche Südtirols Obstwirtschaft manchmal gerne mit der Titanic: Damals hat sich auch niemand vorstellen können, dass der Luxus-Liner untergeht. Wir haben zwar in Vergangenheit Erfolgsgeschichte geschrieben, aber jetzt holt die Zeit uns ein, wir können nicht an dem festhalten, was gut war, aber untauglich für die Zukunft ist. In dem Kontext meine ich vor allem das kontraproduktive Agieren der 3 EO VOG, VI.P und Melinda. Das kostet Südtirols Obstbauern jährlich Millionen. Wir sollten die „Mir sein mir“-Mentalität abstreifen und einen gemeinsamen, regionalen Vermarktungspool gründen: Miteinander sind wir stark, gegeneinander schwach! Jedes Jahr immer wieder aufs Neue zu hoffen, dass das nächste Jahr vielleicht besser wird, ist keine Perspektive. Glauben alleine genügt da nicht, der gehört in die Kirche. <BR /><BR /><b>Sie meinen also, dass sich die Obstwirtschaft den neuen Herausforderungen stellen soll, und das möglichst schnell. Tut sie das nicht bereits?</b><BR />Bonani: Die großen Abnehmer der Äpfel im Lebensmitteleinzelhandel haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten bestens aufgestellt. Ihre Marktmacht spielen sie gnadenlos aus, sie diktieren die Margen, da braucht es einen starken Gegenpol. Dieser starke Gegenpol wäre der regionale Vermarktungspool, also eine Konsolidierung auf der anderen Seite des Verhandlungstisches. Wenn nicht mehr jeder für sich und in Konkurrenz zueinander auftritt, stärken wir unsere Position ungemein – ich meine in dem Kontext immer das interne Kräftemessen der 3 EO. Denn verschärfte Konkurrenz führt in der Regel zu niedrigeren Preisen. Der Pool würde rund 70 Prozent der Tafelware in Italien vertreten; damit würde eine enorme Verhandlungsstärke einhergehen. Zu bedenken ist zudem, dass alle 3 EO im Grunde dieselben Märkte bedienen, mit 3 Verkaufsmannschaften, die im Prinzip dasselbe tun und das auch noch innerhalb von mehr oder weniger 50 Kilometern: Terlan, Latsch, Cles. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="868793_image" /></div> <BR /><BR /><b>Es gibt bereits gemeinsame Projekte der Erzeugerorganisationen, so arbeiten etwa VI.P und VOG im Sortenbereich zusammen. </b><BR />Bonani: Wir dürfen eines nicht vergessen: Das Geld kommt von der Vermarktungsebene, vom Verkauf – und nicht von anderen gemeinsamen Initiativen. Das muss allen klar sein. <BR /><BR /><b>Wieviel mehr wäre für die Bauern drin, sollte der Vermarktungspool irgendwann umgesetzt werden?</b><BR />Bonani: Hochrechnungen ergaben, dass durch die Geschlossenheit in der Vermarktung zwischen 6 und 8 Cent je Kilogramm an Mehrwert möglich wären, da wir in eine „Grower Position“ aufsteigen würden. Auf die durchschnittliche Ertragskapazität der Südtiroler Obstwirtschaft gesehen, die bei rund einer Million Tonnen liegt, davon sind 80 Prozent Äpfel höchster Qualität, wären das zwischen 50 und 70 Millionen Euro – und das jedes Jahr. In 10 Jahren wären das sage und schreibe 500 bis 700 Millionen Euro an Mehrwert für die Bauern. Berücksichtigt man die geerntete Tafelware am Nonsberg mit, steigt der Mehrwert auf 100 Millionen Euro jährlich; das entspricht in 10 Jahren einer Milliarde Euro! Diese Zahlen dürften Ziel und Motivation genug sein. Und das ist genau der Sauerstoff, den die Obstwirtschaft so dringend nötig hätte. Der absolute Profiteur wäre die Sorte Golden Delicious, bei der Melinda und VI.P die ärgsten Kontrahenten am Markt sind. <BR /><BR /><b>Der Branche haben Sie Ihre Idee eines gemeinsamen Vermarktungspools bereits bei der Obstbautagung 2020 präsentiert. Was ist seither in dieser Sache weitergegangen?</b><BR />Bonani: Es war die Initialzündung. Für mich war es ein Schlüsselerlebnis: Der Applaus, den ich für meine Worte erntete und der Zuspruch der Bauern waren überwältigend. Davon zehre ich noch heute. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Darum kämpfe ich weiter, auch auf die Gefahr hin, dass mein Konstrukt nicht zustandekommt. Ich bin aber zuversichtlich, dass es gelingen wird, etwas zu verändern – angestoßen wird die Veränderung von unten, also den Bauern, denn die Birne ist mehr als reif. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58415507_quote" /><BR /><BR /><b>Wie lange wollen Sie noch kämpfen?</b><BR />Bonani: Bis der Vermarktungspool Realität ist. Ich denke, in 3 bis 5 Jahren könnte das bereits der Fall sein, weil es schlicht keine Alternative dazu gibt. Die Dreigleisigkeit ist kontraproduktiv, wir müssen uns auf unsere Stärken konzentrieren. Ich bin kein Jammerer und keiner, der alles schlechtredet. Im Gegenteil: in den letzten Jahrzehnten wurde sehr viel richtig gemacht, nur braucht es jetzt eben neue Zielhorizonte. Wenn die Vermarktung der Südtiroler Äpfel und des Nonsbergs zusammengeführt werden würde, könnten wir in neue Sphären aufsteigen; wir wären unschlagbar. Die Äpfel erfüllen alle Kriterien, um in Italien und dem internationalen Markt erfolgreich zu sein und als Premium-Marke wahrgenommen zu werden. Kleinstrukturierte Betriebe produzieren Obst höchster Qualität und nach Standards, die man anderswo vergeblich sucht. Die gemeinsame Vermarktung wäre also eine Zukunftsentscheidung; die Währung, die wir haben, die wichtigste Währung, die wir haben. Das heißt, der Zusammenschluss ist unverzichtbar, um handlungsfähig zu bleiben – eine Win-win-Situaion für alle. Das „Made by VI.P“, „Made by VOG“ und „Made by Melinda“ muss ein Ende haben, wir müssen eins werden, sonst wird jeder einzelne noch schneller zerrieben. Das ist mittel- bis langfristig unsere einzige Chance, um auf dem hart umkämpften Markt zu bestehen. Daher fordere ich eine Abkehr von der Strategie des Gegeneinander.