<b>Herr Weissensteiner, Obereggen ohne Skigebiet – das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. </b><BR />Georg Weissensteiner, Mitgründer und langjähriger Präsident der „Obereggen AG“: Da gab es früher auch nicht viel… Eggen selbst hatte nur ein paar Gasthäuser und „Tante-Emma-Läden“, in Obereggen gab es nur einen einzigen Gasthof mit 20 Betten und ein paar Bauernhöfe. Der Rest war Wald und Weideland. Auch ich habe dort früher Kühe und Jungtiere gehütet – weshalb ich die Gegend sehr gut kannte.<BR /><BR /><b>Also hatten Sie ursprünglich ganz andere berufliche Pläne?</b><BR />Weissensteiner: Ich bin zwar auf einem Gasthof aufgewachsen, wollte aber eigentlich in der Landwirtschaft arbeiten. Nach der Schule musste ich allerdings schnell feststellen, dass man ohne eigenen Hof im Eggental kaum Chancen hat, vielleicht als Knecht, aber sicher nicht als Gutsverwalter. Da ich bereits einige Sommer in Jesolo gearbeitet hatte – damals waren deutschsprachige Aushilfskräfte in der Gastronomie sehr gefragt – verschlug es mich schließlich in die Hotellerie. Ab Ende der 1960er-Jahre führte ich sowohl eine Pension als auch ein Hotel mit 60 Betten in Pozza di Fassa im Trentino.<BR /><BR /><b>Etwa zu dieser Zeit entstand auch die Idee, ein Skigebiet in Obereggen zu gründen. Wie kam es dazu?</b><BR />Weissensteiner: Die treibende Kraft dahinter war sicher Hans Zelger, ein guter Bekannter von mir. Wir waren beide davon überzeugt, dass im Eggental etwas geschehen muss. Seit den 50er Jahren erlebte das Tal eine große Abwanderung: Wo früher massiv Holz abgebaut wurde und die großen Bauernhöfe mehrere Knechte und Mägde beschäftigten, benötigte man im Zuge der Mechanisierung mit Traktoren, Melk- und Mähmaschinen immer weniger Arbeitskräfte. Durch die verbesserte Verkehrsanbindung nach Bozen suchten sich zudem immer mehr Jugendliche eine Stelle in der Stadt, das Tal wurde immer verlassener. Wir wussten also, wir müssen etwas tun. Hans war damals Liftbetreiber am Karerpass, und auch ich hatte dort gearbeitet. Also dachten wir uns: Warum nicht ein Skigebiet in Obereggen? Durch die Hirtenarbeit kannten wir die Gegend sehr gut und hatten bereits Ahnung vom Skibetrieb. Hans' Bruder Vinzenz war Bauingenieur und hatte in Österreich studiert, wo der Wintersport bereits weit verbreitet war. Ebenfalls mit von der Partie waren Erich Pichler vom Sägewerk in Birchabruck und Richard Pichler vom Hotel „Rauth“, die unsere Begeisterung sofort teilten. Zu fünft setzten wir die ersten Schritte, machten Begehungen und stellten fest, dass sich Obereggen – wie erwartet – sehr gut für ein Skigebiet eignen würde.<BR /><BR /><b>Das klingt nach einem glücklichen Mix an Personen mit den richtigen Erfahrungen…</b><BR />Weissensteiner: Eine glückliche Kombination, ja, aber noch nicht ausreichend. Wir 5 hatten zwar eine Vision, wurden aber noch nicht ernst genommen. Wie gesagt, damals gab es in Obereggen einen einzigen Gasthof, der nur im Sommer erreichbar war. Natürlich fragten sich viele: Wie wollen die das bewerkstelligen. Uns war schnell bewusst, dass wir noch weitere Personen ins Boot holen mussten, um mehr Gewicht zu bekommen – also haben wir uns in unserem Bekanntenkreis umgesehen. Bei der Gründung der Obereggen AG am 21. Juli 1970 unterzeichneten 11 Mitglieder, ergänzt durch die Gastronomen Siegfried Weissensteiner und Johann Pichler von der „Zischgalm“, den Großbauern Karl Eisath von der „Mayrlalm“, den Gemeindeassessor Luis Mahlknecht, den Landesbeamten Franz Zelger und den Direktor der Raiffeisenkasse Deutschnofen, Johann Pfeifer.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="848273_image" /></div> <BR /><BR /><b>11 Gründer – das klingt nach vielen Köchen für einen Brei. Gab es da auch mal Unstimmigkeiten?</b><BR />Weissensteiner: Nein, wir waren uns immer einig und hatten stets ein Ziel vor Augen. Aber nach diesem Kriterium wurden die Gründungsmitglieder ja auch ausgewählt. Wir wussten, wir brauchen Menschen, die uns in unserem Vorhaben unterstützen und an das Projekt glauben, vor allem auch innerhalb der Gemeindeverwaltung, ansonsten wären wir sofort gescheitert. Und der damalige Gemeinderat in Deutschnofen war – wie viele andere – äußerst skeptisch.<BR /><BR /><b>Was waren die Einwände der Skeptiker?</b><BR />Weissensteiner: Einerseits wurde die Frage aufgeworfen, wie man denn ein Skigebiet in einer Gegend gründen wolle, in die noch nicht mal eine Straße führt – und es nur 20 Betten gibt. Dann war da noch die Frage der Finanzierung. Zwar hatten alle Gründungsmitglieder ein Startkapital von 200.000 Lire eingezahlt. Als wir dann hörten, dass der Bau wohl 500 bis 600 Millionen Lire kosten würde, kamen selbst uns vorübergehend Zweifel. Des Weiteren hatte die Fraktionsverwaltung als größter Grundbesitzer starke Bedenken, was mit dem Grund im Falle eines Scheiterns passieren würde und ob wir an Auswärtige verkaufen würden. <BR /><BR /><b>Warum waren Sie dennoch so fest vom Erfolg des Skigebiets überzeugt?</b><BR />Weissensteiner: Schon vor den Begehungen wussten wir, dass das Gebiet ideal ist: Es gab Hänge in alle Himmelsrichtungen, auch wären keine langen Verbindungswege zwischen den Pisten notwendig. Kein Skigebiet läge näher an Bozen, und dann war da noch der wichtigste Faktor: Dass es sowohl in Pampeago als auch in Predazzo bereits Skigebiete gab. Wir wussten: Das Skigebiet Obereggen allein würde niemals erfolgreich werden. Aber ein großes Skikarussell mit Pampeago und Predazzo und mit Trient als zusätzlichem Einzugsgebiet, davon war ich von Anfang an felsenfest überzeugt. <BR /><BR /><b>Sie sagen, die Finanzierung sorgte auch bei Ihnen für Sorgen. Wie schafften Sie es, das Geld zusammenzubekommen?</b><BR />Weissensteiner: Sofort nach der Gründung machten sich alle 11 Mitglieder Gedanken, wen man aus dem eigenen Familien- und Bekanntenkreis von unserer Idee überzeugen könnte. Anschließend gingen wir von Tür zu Tür, um die Aktien an den Mann zu bringen. Weil Vinzenz Zelger als Hauptplaner meistens bei den Gesprächen dabei war, nannte man uns scherzhaft auch den „Vinzenzverein“. Und unsere Bemühungen zahlten sich aus: Wir fanden über 100 Aktionäre, die uns unterstützten. Ein schönes Detail am Rande: Bis heute wurde fast keine der Aktien verkauft – nur innerhalb der Familie vererbt. An Weihnachten 1972 wurde dann der erste Schlepplift zur Übungspiste Eben eröffnet, kurz darauf der „Oberholz“-Lift, bis wir schließlich 1975 mit weiteren 4 Liftanlagen unser Ziel erreicht hatten: die Verbindung zum Skigebiet Pampeago. Das war ein sehr großes Glücksgefühl.<BR /><BR /><b>Gab es bis dahin Rückschläge oder lief alles wie am Schnürchen?</b><BR />Weissensteiner: Schon bei der Eröffnung des „Oberholz“-Lifts im Februar 1973 war die Freude groß – leider zu groß. Wir hatten Traumwetter und viele Gäste, die Skifahren wollten – und plötzlich begann das Seil in der Antriebsscheibe der Anlage zu rutschen. Wir mussten die Passagiere wieder vorsichtig im Rückwärtsgang ins Tal befördern und den Lift für einige Tage schließen. Verletzt wurde glücklicherweise niemand, aber es war dennoch ein Rückschlag. Und als wir 1975 unter großem finanziellen Aufwand die 4 neuen Lifte bis nach Pampeago in Betrieb nahmen, strafte uns das Wetter mit gleich mehreren schneearmen Wintern. Damals wurde uns klar, dass wir auf Beschneiung setzen müssen, um weiterhin im Geschäft zu bleiben. <BR /><BR /><b>Also war die Klimaerwärmung auch damals schon ein Thema…</b><BR />Weissensteiner: In den Jahren 1975 und 1976 bestimmt. Schon damals sagte man uns: „In ein paar Jahren wird man sowieso nicht mehr Skifahren können.“ Und tatsächlich mussten wir das Skigebiet in schneearmen Wintern später öffnen oder auch früher schließen, denn die Sportler kamen nicht einmal mehr bis zur Talstation hinunter. Anfangs haben wir uns noch einzelne Schneekanonen für die tiefen Lagen ausgeliehen, bis Ende der 80er Jahre konnten alle Pisten mit Wasser aus 3 Speicherbecken beschneit werden.<BR /><BR /><b>Auch heute glauben manche, dass der Wintersport in tieferen Lagen bald nicht mehr möglich sein wird. Was sagen Sie dazu?</b><BR />Weissensteiner: Wie gesagt, die Klimaerwärmung war bereits in den 70er Jahren ein Thema und viele bezweifelten, dass man dem Problem mit künstlicher Beschneiung entgegenwirken könnte. Seither sind 40 Jahre vergangen und wir haben immer wieder festgestellt, dass die Schneefälle zwar von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen, aber sich im Wesentlichen nicht viel verändert hat. Die Klimaveränderung gibt es, ohne Zweifel, und dass tiefer gelegene Skigebiete in Schwierigkeiten kommen könnten, ist möglich. Dank des Kompaktschnees sind wir aber davon überzeugt, dass die Skiwirtschaft grundsätzlich eine Zukunft haben wird.<BR /><BR /><b>Wie sieht die Zukunft von Obereggen aus? Soll das Skigebiet noch weiter ausgebaut werden? </b><BR />Weissensteiner: Nein, das ist nicht geplant. Mit der Eröffnung der letzten 4 Aufstiegsanlagen 1975 und dem Zusammenschluss mit Pampeago und Predazzo hat das Skigebiet genau die Größe erreicht, die wir uns vom ersten Moment an vorgestellt haben. Das war für mich der schönste Moment, damals ging mein Traum in Erfüllung. Und ich durfte ihn als frisch gewählter Präsident der Obereggen AG erleben. Ich denke, ohne das Skigebiet wäre ich wohl nie in meine Heimat zurückgekehrt. Und heute führen mein Sohn und meine Tochter das Hotel „Sonnalp“ oberhalb der Talstation Obereggen, das ich 1997 für meine Familie gebaut habe. Obereggen ist mein Leben und ein schönes Vermächtnis, das mich mit viel Genugtuung erfüllt. Vor 50 Jahren wollten 11 Burschen etwas gegen die Abwanderung aus dem heimatlichen Tal tun, und heute sagt meine Tochter: „Von Obereggen ziehe ich nicht weg.“ <BR /><BR />