<h3> Darum geht's</h3>Es handelt sich um abschaffende Referenden. Vier davon wurden von der Gewerkschaft CGIL initiiert und betreffen Bestimmungen zur Arbeitsmarktreform von 2015, den sogenannten Jobs Act, der von der Regierung Renzi umgesetzt wurde, sowie andere arbeitsrechtliche Regelungen und die Arbeitssicherheit. <BR /><BR />Der fünfte Volksentscheid, unterstützt von der Partei Più Europa, betrifft die italienische Staatsbürgerschaft.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1170996_image" /></div> <BR />Die Promotoren der Referenden rufen die Bürger dazu auf, bei allen Fragen mit Ja – und somit für die Abschaffung der aktuellen Gesetzesnormen – zu stimmen. <h3> Frage 1: Rückkehr zu stärkerem Kündigungsschutz?</h3>Ziel des ersten Referendums (grüner Zettel) ist es, die Bestimmung des Jobs Act zum Arbeitsvertrag mit zunehmendem Kündigungsschutz abzuschaffen. Dieser Vertrag sieht vor, dass es im Fall einer ungerechtfertigten Entlassung in größeren Unternehmen (ab 16 Mitarbeiter) grundsätzlich kein Recht auf eine erneute Anstellung beim alten Arbeitgeber gibt. Vielmehr können die Arbeitnehmer nur eine finanzielle Entschädigung einklagen. Mit dem Referendum soll das geändert werden. <BR /><BR />Zum besseren Verständnis: Bis 2015 der Jobs Act das Arbeitsrecht reformiert hat, war der Kündigungsschutz nach Artikel 18 des Arbeitnehmerstatutes von 1970 geregelt. Er gilt nach wie vor für Arbeitnehmer, die vor dem 7. März 2015 unbefristet angestellt wurden. Demnach kann in Betrieben mit mindestens 16 Beschäftigten ein unrechtmäßig gekündigter Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung oder eine Entschädigung oder beides gerichtlich durchsetzen. <BR /><BR />Für die nach dem 7. März 2015 in größeren Betrieben eingestellten Arbeitnehmer gilt hingegen der neue unbefristete Arbeitsvertrag mit zunehmenden Kündigungsschutz, der mit dem Jobs Act eingeführt wurde. „Zunehmender Kündigungsschutz“ heißt, dass für diese Arbeitnehmer bei einer unrechtmäßigen Entlassung nur eine Entschädigung vorgesehen ist, die mit zunehmendem Dienstalter steigt. Eine Wiedereinstellung kann hingegen nur in Ausnahmefällen durchgesetzt werden.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1170999_image" /></div> <BR /><b>Das sagen die Befürworter</b>: Ziel der Gewerkschaft CGIL, die das Referendum initiiert hat, ist es, mehr Schutz für die Beschäftigten zu erreichen und „die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die vor und nach dem 7. März 2015 eingestellt wurden zu beseitigen“, wie die Generalsekretärin des CGIL/AGB in Südtirol, Cristina Masera, erklärt.<BR /><BR /><b>Das sagen die Kritiker</b>: Kritiker geben hingegen argumentieren, dass Unternehmen dadurch bei der Vergabe von Arbeitsverträgen vorsichtiger werden könnten.Auch der Südtiroler Arbeitsrechtsexperte Josef Tschöll steht dem Referendum ablehnend gegenüber. <BR />Er gibt zu Bedenken, dass – sollte das Ja gewinnen – bei Streitfällen wegen betriebsbedingter Kündigungen die Verpflichtung zu einem Schlichtungsverfahren wegfallen würde. Dabei handle es sich aber um eine „vorteilhafte Möglichkeit“ der Konfliktlösung gerade im Hinblick auf die überlasteten Gerichte. <BR />Eine Abschaffung des Vertrages mit zunehmendem Kündigungsschutz nennt er einen „Sprung in die Vergangenheit“ – auch wenn der Jobs Act in den vergangenen zehn Jahren schon mehrmals abgeändert und großteils aufgeweicht worden sei. Gerade deshalb hält er die Volksabstimmung für eine ideologisch motivierte Debatte. <h3> Frage 2: Entschädigungen in Kleinbetrieben</h3>Bei der zweiten Fragestellung (oranger Zettel) geht es ebenfalls um den Kündigungsschutz, dieses Mal aber um die Entschädigungssummen, die in kleinen Unternehmen ausbezahlt werden können. Aktuell können in Betrieben mit weniger als 16 Beschäftigten bei ungerechtfertigter Kündigung nur Entschädigungen von bis zu sechs (in Ausnahmefällen 14) Monatsgehältern zugesprochen werden.<BR />Das zweite Referendum möchte diese Obergrenze abschaffen. <BR /><BR /><b>Das sagen die Befürworter</b>: „Diese Bedingung hält die Arbeitnehmer kleiner Unternehmen in einem Zustand starker Unterwerfung gegenüber dem Inhaber“, erklärt Cristina Masera. Ziel müsse es vielmehr sein, es den Richtern zu ermöglichen, die Entschädigung auf der Grundlage des tatsächlichen Schadens des Arbeitnehmers zu berechnen. <BR /><BR /><b>Das sagen die Kritiker</b>: Die Obergrenze war eingeführt worden, um Unternehmen vor unkalkulierbaren Risiken zu schützen. Würde sie abgeschafft, wäre das aus Sicht von Josef Tschöll „keine gute Nachricht für kleine Betriebe“. Sie wären aufgrund des „enormen Ermessenspielraums der Richter“ mit höherem Prozessrisiko und höheren Kosten konfrontiert.<h3> Frage 3: Künftig wieder Sachgrund für Befristung nötig?</h3>Beim dritten Referendum (grauer Zettel) geht es um befristete Arbeitsverträge. Derzeit können Arbeitnehmer bis zu zwölf Monate lang befristet beschäftigt werden, ohne dass der Arbeitgeber einen Sachgrund dafür angeben muss. <BR />Diese Möglichkeit soll mit dem Referendum abgeschafft werden.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1171002_image" /></div> <BR /><b>Das sagen die Befürworter</b>: Die CGIL möchte dadurch Kettenverträge, bei denen ein befristeter Vertrag auf einen anderen folgt, eindämmen und die Prekarität einschränken. <BR /><BR /><b>Das sagen die Kritiker</b>: Sie fürchten, dass es wie bis 2014 wieder zu mehr teuren und unsicheren Streitfällen über die Korrektheit der Sachbegründung beim befristeten Arbeitsvertrag kommen könnte.<h3> Frage 4: Haftung bei Arbeitsunfällen im Werkvertrag</h3>Beim vierten Referendum (roter Zettel) geht es um eine Regelung zur Arbeitssicherheit, konkret um Haftungen im Werkvertrag, wie der Arbeitsrechtsexperte erklärt. Demnach haften grundsätzlich Auftraggeber, Auftragnehmer und eventuelle Nachunternehmen für all jene Schäden, die ein Arbeitnehmer erleidet, aber für die nicht die Arbeitsunfallversicherung aufkommt. Das können persönliche Schäden wie zum Beispiel eine entstellende Narbe im Gesicht nach einem Arbeitsunfall sein, wie Tschöll erklärt. <BR />Es gibt aber eine Einschränkung: „Die Haftung greift nicht, wenn die Schäden auf spezifische Risiken zurückzuführen sind, die mit der Tätigkeit der Auftragnehmer zu tun haben.“ <BR />Diese Einschränkung soll mit dem Referendum aufgehoben werden.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1171050_image" /></div> <BR /><BR /><b>Das sagen die Befürworter</b>: Aus Sicht der CGIL würde sich die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöhen, weil Unternehmen besser kontrollieren müssten, wie Subunternehmen arbeiten. Dadurch würden schwarzarbeitende oder unqualifizierte Betriebe abgeschreckt. „Wir sollten die Gesetze ändern, die den Rückgriff auf Auftragnehmer ohne finanzielle Solidität begünstigen, die oft nicht den Unfallverhütungsvorschriften entsprechen“, unterstreicht CGIL/AGB-Chefin Cristina Masera.<BR /><BR /><b>Das sagen die Kritiker</b>: Kritiker hingegen bemängeln, dass von Unternehmen eine Fachkenntnis verlangt würde, die sie nicht immer haben – etwa über Bau- oder Technikrisiken. „Dem Auftraggeber ist es gar nicht möglich, die spezifischen Risiken des Auftragnehmers zu kontrollieren“, unterstreicht Tschöll.<h3> Frage 5: Einbürgerung nach fünf statt zehn Jahren?</h3>Das fünfte Referendum (gelber Zettel) betrifft die Staatsbürgerschaft. Aktuell muss man mindestens zehn Jahre legal in Italien leben, um einen Antrag auf Staatsbürgerschaft stellen zu dürfen. Würde beim Referendum das Ja gewinnen, wären es fünf Jahre. <BR /><BR /><b>Das sagen die Befürworter</b>: Dadurch würde die Staatsbürgerschaft für diejenigen zugänglicher, die zwar schon lange in Italien leben, sie aber aufgrund der derzeit geltenden strengen Anforderungen nicht erhalten können.<BR /><BR /><b>Das sagen die Kritiker</b>: Dadurch könnte ein „Anreiz für Migration“ entstehen. Zudem fürchten sie, dass die Einbürgerung entwertet werde.<h3> Gesellschaftlich umstritten</h3>Die CGIL sieht in den Referenden ein Mittel, um mehr Schutz für die Arbeitnehmer erreichen, Ungleichbehandlungen beseitigen und auch mehr Arbeitssicherheit erzielen. <BR />Wirtschaftsvertreter wie Confindustria-Chef Emanuele Orsini hingegen stehen dem Referendum ablehnend gegenüber. Orsini sprach von einem „Sprung zurück in die Vergangenheit“. Den Jobs Act gebe es seit zehn Jahren und er würde gut funktionieren. <BR /><BR />Auch innerhalb der Gewerkschaftsbewegung ist das Referendum umstritten: Die CISL zum Beispiel will nicht zur Abstimmung aufrufen. CISL-Generalsekretärin Daniela Fumarola bezeichnete das Referendum als „falsches Instrument“. <BR /><BR />Auch Italiens Parteien sind gespalten. Die Mitte-rechts-Koalition um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni trägt die Anträge nicht mit und drängt die Wähler, nicht teilzunehmen. <BR />Prompt folgte Kritik der Oppositionsparteien, die fürs Referendum sind. <BR /><BR />Auch in Südtirol gehen die Meinungen auseinander. So gibt zwar beispielsweise die SVP für die Referenden keine Wahlempfehlung ab, sieht aber alle fünf Fragestellungen kritisch. Die jungen Grünen hingegen rufen dazu auf, bei allen fünf Themen mit Ja zu stimmen. <h3> Die Hürde: das Quorum</h3>Um gültig zu sein, muss ein Quorum erreicht werden: 50 Prozent der Wahlberechtigten müssen ihre Stimme abgeben. <BR />Diese Hürde wurde in Italien in den letzten 30 Jahren nur einmal erreicht: 2011 als die Mehrheit sich gegen die Einführung der Atomkraft und gegen die Privatisierung der Wasserversorgung aussprach.