„Wenn ein Betrieb es ökonomisch nicht schafft, kann er auch keine ökologischen Leistungen erbringen“, stellt er im Gespräch über die derzeitigen Probleme der Landwirtschaft und den Ärger der Bauern mit gesetzlichen Auflagen klar. <BR /><BR /><b>Sie übergeben das Amt des Landesobmannes in bewegten Zeiten. Sind Sie froh, den „Job“ los zu sein?</b><BR />Leo Tiefenthaler: Ich habe diesen „Job“ sehr gerne gemacht. Es war mir eine Ehre, dem Bauernbund so lange vorstehen zu dürfen. Unser Statut sieht aber ein zeitliches Limit vor – und das ist auch richtig so. Damit rücken auf allen Ebenen immer Junge nach. Das tut uns gut.<BR /><BR /><b>Glaubt man den Parolen bei den Bauernprotesten in Deutschland, Frankreich, nun auch in Italien – und vielleicht bald in Südtirol – dann fühlt sich die Landwirtschaft an den Rand der Existenz gedrängt?</b><BR />Tiefenthaler: Die Lage ist sicherlich nicht einfach, aber das war sie nie. Wenn ich an die Bedingungen denke, unter denen unsere Eltern und Großeltern Landwirtschaft betrieben haben, dann war das sicherlich damals noch schwieriger. Da hat sich vieles zum Positiven verändert und wir haben auf viele Probleme Antworten gefunden, insbesondere mit dem Genossenschaftswesen: Einkaufs-, Verkaufs-, Beregnungsgenossenschaften....<BR /><BR /><embed id="dtext86-63312095_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Dennoch wird nur mehr jeder dritte Hof im Vollerwerb bewirtschaftet. Und jedes Jahr schließen Betriebe. Es scheint kaum möglich, von der Landwirtschaft leben zu können?</b><BR />Tiefenthaler: In der Tat sollte man als Bauer von der Landwirtschaft auch leben können. Doch da tut sich unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft halt schwer, auch wenn wir hier den „geschlossenen Hof“ haben, der das Überleben ein wenig erleichtert. Aber mit den Produktionsbedingungen und damit den Preisen, zu denen große Höfe andernorts produzieren können, können wir nicht mithalten. Da werden wir uns immer schwer tun und uns nach der Decke strecken müssen. Das „Höfesterben“ gibt es, das stimmt. Und es sind nicht unbedingt diejenigen, die jetzt am lautesten schreien, denen es am schlechtesten geht. Die meisten sterben leise. <BR /><BR /><b>Klingt nach ausreichend Gründen, sich den europaweiten Protesten anzuschließen? Wieso hält sich der Bauernbund zurück?</b><BR />Tiefenthaler: Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wir werden in der Tat bei unserer Klausur am Samstag noch einmal darüber beraten und entscheiden, weil da alle Funktionäre des SBB dabei sind. Ich persönlich bin aber nach wie vor der Meinung, dass die Proteste nach Brüssel und Rom gehören...<BR /><BR /><embed id="dtext86-63312099_quote" /><BR /><BR /><b>Trotz der von Ihnen zitierten schwierigen ökonomischen Lage hört man aus der Bevölkerung oft den Vorwurf, keiner bekomme so viel Beiträge wie die Bauern, die bekämen sozusagen jede Heugabel gefördert und zahlten zudem keine Steuern.</b><BR />Tiefenthaler: Dann frage ich mich, warum so viele Betriebe schließen, bei so vielen Beiträgen und ohne Steuerlast? Und warum die Kritiker nicht neue Betriebe aufmachen? Vielleicht, weil unterm Strich wohl doch nicht so viel bleibt?<BR /><BR /><b>Kommen wir zurück zu den Protesten. Der Präsident der Österreichischen Landwirtschaftskammer hat in diesem Zusammenhang eine „ökosoziale Landwirtschaft“ gefordert, die „die bäuerlichen Familienbetriebe endlich wieder miteinbeziehen“ müsse. Gleichzeitig hat man das Gefühl, die Landwirtschaft verweigert sich den Klimazielen, einer nachhaltigen Bewirtschaftung, und „Öko“ ist sowieso ein Reizwort. Schließlich richten sich die Proteste ja auch gerade gegen all Auflagen aus Brüssel in dieser Richtung.</b><BR />Tiefenthaler: Der Begriff der ökosozialen Marktwirtschaft ist ja nicht neu. Doch was man konkret darunter versteht, ist Interpretationssache. Für mich fängt Nachhaltigkeit damit an, dass Betriebe auch in 20, 50 oder gar 100 Jahren noch bestehen können. Denn wenn es ein landwirtschaftlicher Betrieb ökonomisch nicht schafft, dann kann er auch keine ökologischen Leistungen erbringen. Will man ökologische Leistungen, müssen diese sich im Preis der landwirtschaftlichen Produkte widerspiegeln. Nur dann geht es. Wenn ein Landwirt durch gesetzliche Auflagen mehr Ausgaben hat, als er Einkommen erwirtschaften kann, dann funktioniert es nicht. Nehmen wir die Bio-Produkte, deren Anteil man in der EU erhöhen will. Doch wenn der Konsument den notgedrungen höheren Preis nicht bezahlen will oder kann, dann können wir zwar „bio“ produzieren, aber nicht verkaufen. Wenn der Konsument dann auf andere, importierte und damit per se schon CO<sub>2</sub>-intensivere Produkte ausweicht, deren Produktionsweisen bei uns oftmals gar nicht erlaubt wären, dann hat unterm Strich keiner gewonnen. Auch die Umwelt nicht. Und Fakt ist zudem, dass unsere Landwirtschaft in Sachen Klimaschutz/Nachhaltigkeit schlechter gemacht wird, als sie ist. <BR /><BR /><b> Der Schwarze Peter liegt also wieder einmal bei den Konsumenten?</b><BR />Tiefenthaler: Das ist nicht als Kritik gemeint. Der Konsument tut sich bei sinkenden Reallöhnen natürlich schwer, die steigenden Preise machen allen zu schaffen. Schlussendlich ist ja auch jeder Landwirt Konsument, wir sehen das ja selber bei jedem Einkauf. <BR /><BR /><embed id="dtext86-63312374_quote" /><BR /><BR /><b>Sie sagten, die heimische Landwirtschaft werde schlechter gemacht als sie ist? Wie meinen Sie das?</b><BR />Tiefenthaler: Wir sind der einzige Sektor in der gesamten Wirtschaftskette, der CO<sub>2</sub> bindet, in unseren Pflanzen, Wäldern und Böden. Das muss man bei der Bilanz berücksichtigen. <BR /><BR /><b>In einem anderen Bereich, in dem die Landwirtschaft für den Klimaschutz etwas leisten könnte und will, hat man hingegen das Gefühl, gerade die Südtiroler Politik bremst: bei alternativer Stromproduktion etwa durch Biogas, Agro-Fotovoltaik, Wasserkraft. Warum? </b><BR />Tiefenthaler: Ich weiß es nicht, das müssen Sie schon dort fragen. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir hier alle Möglichkeiten ausschöpfen sollten, damit sollten auch Biogasanlagen weiterhin gefördert werden. Bei der Energie, das haben wir in jüngster Vergangenheit gesehen, ist nicht zu spaßen. Je unabhängiger wir sind, desto besser. <BR /><BR />