Volkswirt Gottfried Tappeiner von der Uni Innsbruck gibt im Interview mit s+ einen Ausblick. <b><BR /><BR />Herr Tappeiner, jeden Monat erreicht die Inflationsrate neue, mehrjährige Höchststände. Wann könnte das Ende der Fahnenstange erreicht sein?</b><BR />Gottfried Tappeiner: Es gibt eine Reihe von Argumenten, die dafür sprechen, dass sich die Lage zumindest etwas entspannen könnte. Zunächst einmal den Basiseffekt. Im vergangenen Herbst sind die Preise im Vergleich zum Herbst 2020, als wichtige Rohstoffe noch deutlich weniger kosteten, sehr stark angestiegen. In den nächsten Monaten werden wir vermutlich beobachten können, wie die Inflationsrate, weil sie Preisveränderungen zum Vorjahr abbildet, zurückgeht, ganz einfach deshalb, weil die Preise nicht mehr so explodieren werden wie von 2020 auf 2021. Neben diesem technischen Aspekt gibt es einen inhaltlichen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="795416_image" /></div> <BR /><BR /><b>Die tendenziell sinkenden Rohstoffpreise…</b><BR />Tappeiner: Genau, wir sehen in vielen Bereichen eine gewisse Tendenz nach unten. Bei den Benzinpreisen werden wir dies allerdings kaum spüren, weil der Benzinpreisrabatt des Staates von 30 Cent bald auslaufen dürfte. Das Ende dieser Maßnahme halte ich übrigens für unbedingt notwendig. <BR /><BR /><b>Weil sie sozial ungerecht ist?</b><BR />Tappeiner: Jemand, der kein Auto hat, profitiert gar nicht. Jemand, der ein sparsames Auto fährt, profitiert kaum, dafür profitieren Bürger, die weite Strecken in Spritfressern zurücklegen, am meisten. Im Grunde ist das nichts anderes als eine Verteilung von unten nach oben. Maßnahmen wie diese mögen auf den ersten Blick naheliegend erscheinen, sind tatsächlich aber Populismus in Reinform. Kein Wunder, dass Mario Draghi den Rabatt immer nur zähneknirschend akzeptiert hat. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="795419_image" /></div> <BR /><BR /><b>Was spricht noch für eine sinkende Inflationsrate?</b><BR />Tappeiner: Positiv ist auch, dass wir in der Gasproblematik mit jedem Monat mehr Klarheit erhalten. Das heißt nicht, dass das Thema vom Tisch ist, aber die Unsicherheit wird geringer, was wiederum zu mehr Ruhe an den Märkten beitragen könnte. Die extremen Ausschläge nach oben und unten könnten abnehmen. Auf der anderen Seite gibt es Faktoren, die inflationstreibend wirken könnten. <BR /><BR /><b>Welche?</b><BR />Tappeiner: Es ist davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsverhandlungen in vielen Bereichen zu Lohnerhöhungen im Bereich von bis zu 5 Prozent führen werden. Das ist etwas, was bleiben und nachfragefördernd wirken wird. Ebenso heizt die öffentliche Hand weiterhin die Nachfrage künstlich an, vor allem mit den Mitteln aus dem Aufbaufonds PNRR, den es aus meiner Sicht nicht bräuchte. Würde man den nämlich zurücknehmen, wäre das wesentlich effektiver, um die Preisseite zu beruhigen als wenn die EZB die Leitzinsen leicht erhöht. Darüber sind sich alle Volkswirte einig. Natürlich können höhere Zinsen Investitionen dämpfen, aber wie wir sehen ist die Nachfrage nach wie vor sehr hoch und sie würde auch ohne PNRR relativ hoch bleiben.<BR /><BR /><b>Kommen wir zu Ihrer Inflationsprognose…</b><BR />Tappeiner: In den nächsten 6 Monaten dürften wir uns auf einem Niveau von 4 bis 6 Prozent einpendeln. In den nächsten Jahren rechne ich, sofern es keine weiteren Sondereffekte gibt, mit 4 oder bestenfalls 3,5 Prozent. Das heißt also, die Inflationsrate wird spürbar zurückgehen, aber doch höher bleiben als wir es in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren. <BR /><BR /><b>Wann könnten wir wieder die 2 Prozent, die die EZB als Zielwert für Preisstabilität anpeilt, erreichen?</b><BR />Tappeiner: Ich denke, dass das schon noch mindestens 3 Jahre dauern könnte.