Stellt Italien wirklich eine große Gefahr für den Euro dar?Die Probleme Italiens sind der Schuldenberg gepaart mit einem geringen Wirtschaftswachstum. Die öffentliche Verschuldung beträgt über 1900 Milliarden Euro, das entspricht rund 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Gleichzeitig erschwert das äußerst bescheidene Wirtschaftswachstum einen wirksamen Abbau der Schuldenlast.Italien könnte also künftig nicht mehr imstande sein, die fälligen Staatsanleihen pünktlich zurückzuzahlen. Das befürchten viele internationale Großanleger (Banken, Versicherungsgesellschaften, Investmentfonds, Pensionsfonds, Staatsfonds). Deshalb verkaufen sie im großen Stil die italienischen Papiere, und das hat in den vergangenen Monaten zu einem starken Kursrückgang und zu einem entsprechenden Anstieg der Renditen geführt.Wie wirken sich die politischen Unsicherheiten auf die Verschuldungskrise aus?Die Regierung Berlusconi hat auf Druck der Euro-Partner inzwischen zwei Steuer- und Sparpakete beschlossen, die aber als nicht ausreichende beurteilt wurden. Neue einschneidende Maßnahmen sind zwar versprochen worden, doch mit Absichtserklärungen kann man die Finanzmärkte nicht überzeugen.Silvio Berlusconi hat inzwischen so stark an Glaubwürdigkeit verloren, dass Neuwahlen immer wahrscheinlicher werden. Es ist aber fraglich, ob ein neues Parlament und eine neue Regierungen den Mut und die Entschlossenheit für die notwendigen Reformen aufbringen können.Einsparungen in den öffentlichen Verwaltungen, Abbau der Politikerprivilegien, Abschaffung der Frühpensionen, Beschleunigung der Gerichtsverfahren, Entbürokratisierung, eine Steuerreform, Liberalisierungsmaßnahmen und viele andere Reformen sind immer wieder versprochen aber bis jetzt nie verwirklicht worden.Eine handlungsfähige Regierung könnte viel dazu beitragen, um das verlorene Vertrauen auf den Finanzmärkten wieder zu gewinnen. Denn Italien hat sich verpflichtet, bis 2013 im öffentlichen Bereich einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Das wird große Opfer und harte Anstrengungen erforderlich machen, die man der Regierung Berlusconi nicht zutraut.Wer hält die italienischen Staatspapiere? Sind diese Papiere vorwiegend in der Hand von Ausländern?Der überwiegende Teil der Staatspapiere wird von Inländern gehalten. Nach Angaben der Notenbank Banca d’Italia befinden sich nur 39 Prozent der Staatsanleihen in der Hand von ausländischen Anlegern. Hingegen werden 61 Prozent der im Umlauf befindlichen Staatspapiere von inländischen Anlegern gehalten. So entfallen14 Prozent auf die Familien, zwölf Prozent werden von italienischen Banken gehalten und 9,7 Prozent von italienischen Versicherungsgesellschaften. Dazu kommen noch die Staatspapiere in der Hand von Pensionsfonds, Investmentfonds, Stiftungen usw. Der italienische Staat ist also vorwiegend bei seinen eigenen Bürgern und Finanzinstitutionen verschuldet, und das ist sicher vom Vorteil.Wie wirkt sich die Verschuldungskrise auf die Banken aus?Die Banken halten viele italienische Staatsanleihen, deren Kurs in den vergangenen Monaten stark gesunken ist. Dieser Wertverlust kann hohe Abschreibungen erforderlich machen. Außerdem können sich die italienischen Banken kaum mehr im Ausland refinanzieren. Für Festgeldeinlagen und für neu begebene Obligationen müssen sie den inländischen Sparern und Anlegern höhere Zinsen bieten. Das wirkt sich auch nachteilig für die Kreditnehmer aus, die durch die stark erhöhte Zinsaufschläge belastet werden.Wie wird sich die Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank für die Kreditnehmer auswirken?Der Leitzinssatz, zu dem sich die Banken bei der Europäischen Zentralbank kurzfristig Geld besorgen können, wurde überraschender Weise am Donnerstag von 1,5 Prozent auf 1,25 Prozent gesenkt. Wer in den vergangenen Jahren einen variabel verzinsten Kredit aufgenommen hat, kann sich deshalb freuen. Denn der Euribor, der als Referenzzinssatz dient und gestern 1,58 Prozent für 3 Monate betrug, dürfte entsprechend zurückgehen, wodurch sich auch die Zinsbelastung vermindern wird.Ganz anders ist die Lage für die Kreditnehmer, die einen neuen Kredit aufnehmen wollen. Sowohl für die Verbraucher als auch für die Unternehmen sind die Zinsaufschläge der Banken stark gestiegen (bis 7 Prozent und mehr). Und sollte die Krise weiter anhalten, könnten die Zinsaufschläge noch weiter steigen. Außerdem sind die Banken bei Kreditvergabe restriktiver geworden, weil sich die Konjunkturaussichten eingetrübt haben.Die Sparer machen sich Sorgen um ihre Bankeinlagen. Sind diese Einlagen wirklich sicher?Der obligatorische Einlagesicherungsfonds schützt die Einlagen der Sparer im vollen Ausmaß bis zu einem Betrag von 103.000 Euro. Außerdem sind die Banken verpflichtet worden, ihr Kernkapital zu erhöhen, um so gegen Ausfallrisiko bei Staatspapieren besser gesichert zu sein. Beruhigend ist auch, dass in Italien nach dem Zweiten Weltkrieg zwar Bankkrisen gegeben hat, wobei die Sparer aber nie einen Schaden erlitten haben.Die hohen Renditen der italienischen Staatspapiere könnten die Anleger zum Kauf verlocken. Ist das Risiko vertretbar?Die hohen Renditen sind ein deutliches Zeichen, dass die Großanleger das Ausfallrisiko der italienischen Staatsanleihen zurzeit als sehr hoch einschätzen. Deshalb flieht viel Geld in die deutschen Staatspapiere, in den Schweizer Franken und in andere, als sicher geltende Anlagen.Auch die von Großanlegern gehandelten Kreditausfallversicherungen (CDS) sind auf gefährliche Höhe gestiegen. Um italienische Staatsanleihen im Nennwert von zehn Millionen Euro gegen einen Zahlungsausfall zu versichern, muss man rund 500.000 Euro bezahlen.Für die spanischen Staatsanleihen mit gleichem Nennwert kostet eine solche Versicherung nur 380.000 Euro. Wenn in Italien endlich die schon lange versprochenen Maßnahmen zum Abbau der Staatsverschuldung und zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums ergriffen werden, könnte sich das Blatt sehr schnell wenden.Die Staatsanleihen würden dann wohl als wesentlich weniger riskant eingestuft und wer Staatspapiere zum gegenwärtigen Kurs gekauft hat, könnte sich über das Geschäft freuen. Doch jeder Sparer sollte zuerst gut einschätzen, welches Risiko er bereit ist zu tragen. Sonst kann es böse Überraschungen geben.abk