<Frage_Interview><b>Von Christoph Höllrigl</b><BR /><BR /><b>Zu viele Schulden? In Deutschland heißt es dann „Privatinsolvenz“ beantragen und nach drei Jahren schuldenfrei sein. Wie steht's um diese Möglichkeit in Südtirol bzw. Italien?</b><BR />Ivo Morelato:</Frage_Interview> Die Möglichkeit einer Schuldenregulierung bei Privaten gibt es auch hierzulande. Man spricht dabei von Überschuldung bzw. einem Schuldenregulierungsverfahren. Das Prinzip ist allerdings das gleiche wie bei der Privatinsolvenz in Deutschland. Dem Ganzen liegt eine Insolvenz-Richtlinie der EU zugrunde. Dabei steht nicht einmal so sehr die Person im Vordergrund, sondern das Wirtschaftssystem. Diese Dienstleistung soll nämlich helfen, dieses System zu schützen. Eine Privatperson oder Familie, die in Schwierigkeiten gerät, wird nämlich kein neues Auto, keine Wohnung kaufen, generell weniger konsumieren. Darunter leidet das ganze System. Das kann in einem Dominoeffekt den Handwerker treffen, der von der Privatperson nicht bezahlt wird, der dann einen Mitarbeiter nicht mehr bezahlen kann … und schon haben wir die nächste Familie in Schwierigkeiten. Das Ziel hinter einem Schuldenregulierungsverfahren ist es also, ein schwaches Glied im Wirtschaftssystem zu stärken und wieder neu zu integrieren.<BR /><BR /><b>Welche Anlaufstellen gibt es für diese Schuldenregulierungsverfahren in Südtirol?</b><BR />Es gibt zwei Überschuldungsstellen, eine bei uns in der Handelskammer und eine bei der Rechtsanwaltskammer. Wir arbeiten gut und eng zusammen. Bevor jemand allerdings zu uns kommt, ist eine fachmännische Beratung essenziell – etwa bei der Caritas-Schuldnerberatung, der Verbraucherzentrale oder auch einem Steuerberater oder Anwalt. Wir als Überschuldungsstelle sind dann die letzte Stufe vor dem Richter.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1206480_image" /></div> <BR /><BR /><b>Was gilt es dann abzuklären, bevor eine Privatperson ein Verfahren in Anspruch nehmen kann?<BR /></b>Zuerst gilt es zu klären, ob sich ei<?TrVer> ne Privatperson oder Familie in einem Liquiditätsengpass befindet oder wirklich überschuldet ist. Ein Überschuldungsproblem liegt vor bei einer andauernden und anhaltenden Unmöglichkeit, die eigenen Verbindlichkeiten regelmäßig zahlen zu können.<BR /><BR /><b>Das bezieht sich auf finanzielle Fakten, es zählen aber auch andere Aspekte für einen Verfahrensstart …</b><BR />Genau. Es geht darum, dass man den Richter davon überzeugen muss, dass der vorgelegte Plan die beste Möglichkeit ist, diese Person wieder in die Wirtschaftswelt zu integrieren. Menschen, die aufgrund von Krankheit, Arbeitsverlust oder Ähnlichem in eine schwierige finanzielle Situation geraten, können demnach entschuldet werden. Wenn jemand aber pathologisch seine Schulden verursacht hat – Stichwort Spielsucht – und diese Pathologie noch besteht, kann die Person nicht entschuldet werden, sondern muss zuerst therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Danach ist es aber durchaus möglich. Wichtig ist vor allem, dass es sich um einen „ehrlichen Schuldner“ handelt, der alles offenlegt und nicht etwa eine Liegenschaft versteckt, etwas verschenkt, verschleiert oder dergleichen. Dem Richter muss zusammen mit dem Entschuldungsplan ein Bericht vorgelegt werden, in dem erklärt wird, wie es zu dieser Situation kommen konnte und wieso diese Person würdig wäre, entschuldet zu werden …<BR /><BR /><b>… und damit in finanzieller Hinsicht eine zweite Chance erhält …</b><BR />Ja, leider ist das wirtschaftliche Scheitern in unserer Kultur oft mit großer Scham verbunden. Wenn jemand diesen Schritt wagt, ist dem mit Respekt zu begegnen. Denn es gehört großer Mut dazu, dieses Problem in die Hand zu nehmen und mit fremder Hilfe zu lösen.<BR /><BR /><b>Welche Verfahrensformen gilt es dann zu unterscheiden?</b><BR />Es gibt für Privatpersonen bzw. Familien drei mögliche Verfahren: Erstens, die kontrollierte Liquidierung des Vermögens – etwa durch <?Uni SchriftWeite="92ru"> das Zurverfügungstellen des Autos,<?_Uni> der Wohnung, der künftigen Arbeitsleistung usw., zweitens den Sanierungsplan des Verbrauchers, bei dem eine Summe auf den Tisch gelegt wird (etwa vom Ehepartner oder der Familie), mit der dann die Gläubiger zufriedengestellt werden, und drittens das Verfahren des mittellosen Schuldners, der auch in Zukunft keine Erwerbsmöglichkeit hat. Im Entschuldungsplan werden dann alle Details berücksichtigt – natürlich auch, dass genügend Geld für ein würdiges Leben bleibt. Bei allen Verfahren gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Denn man muss wissen: Es ist teuer und komplex und man unterliegt gerichtlicher Aufsicht. Aber danach ist man schuldenfrei.<BR /><BR /><b>Inwiefern teuer? Das klingt nach Widerspruch für jemanden, der sowieso schon Schulden hat, die er oder sie nicht mehr unter Kontrolle hat?</b><BR />Ja, das klingt unlogisch und erschreckend. Die Kosten von mehreren tausend Euro sind aber gesetzlich vorgegeben und orientieren sich am Vermögen und der Schuldenlast. Man kann aber die Zahlung steuern – etwa eine Anzahlung von ca. 1000 Euro leisten. Man muss sich aber bewusst sein, dass dadurch ein Neustart im Le<?TrVer> ben ermöglicht wird, für den Fachkräfte – freiberufliche Überschuldungsverwalter – ihre Expertise zur Verfügung stellen und extrem viel Verantwortung übernehmen. Das Verfahren generiert Einnahmen – aus Teilen davon werden dann auch die Überschuldungsverwalter bezahlt. Es ist sicher ein harter Weg, aber am Ende – im Schnitt dauern die Verfahren drei Jahre – ist man schuldenfrei.<BR /><BR /> <a href="mailto:redaktion@stol.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Haben Sie einen Fehler entdeckt? Geben Sie uns bitte Bescheid.</a>