Chinesische Online-Händler drängen in die westlichen Märkte und gehen zu Lasten der etablierten Anbieter auf Kundenfang. Besonders erfolgreich sind AliExpress, Shein und seit kurzem auch Temu.<BR /><BR />AliExpress gehört zur bekannten Alibaba Gruppe und ist im Grunde eine Shopping-Applikation, mit der Kunden aus aller Welt chinesische Produkte bestellen können. Etwa 600 Millionen Menschen haben die App auf ihr Handy geladen und über 150 Millionen kaufen hier regelmäßig ein.<BR /><BR />Shein ist hingegen ein 2008 gegründetes chinesisches Modeunternehmen. Seit 2022 hat Shein sogar die spanische Modekette Zara überholt und ist mittlerweile der weltweit führende Modehändler. In den USA hat das Unternehmen einen geschätzten Marktanteil von 40 Prozent im Bereich der sogenannten Wegwerfmode, zu der beispielsweise auch H&M oder Zara gehören. <BR /><BR />Shein betreibt im Gegensatz zu H&M oder Zara aber nur eine Handvoll physischer Geschäfte in den USA – in China hat das Unternehmen überhaupt keine Läden. Die Verkäufe finden fast ausschließlich online statt, hauptsächlich über das Smartphone.<h3> Temu: Chinas neuste Erfolgsgeschichte</h3>Die neueste chinesische Erfolgsgeschichte ist Temu: Die App steht in den USA erst seit September 2022 und in Europa seit April 2023 zum Download zur Verfügung. Trotzdem hat sie es innerhalb weniger Monate an die Spitze der Downloadcharts geschafft. Das Konzept ist wie bei AliExpress, dass der Endverbraucher Produkte direkt von chinesischen Produzenten bestellen kann, mit einer Besonderheit: Gruppenkäufe sollen das Shoppingerlebnis noch günstiger machen. Temu bedeutet soviel wie „Schließt euch zusammen – Preis runter“.<BR /><BR /> Je mehr Kunden das Produkt kaufen, desto günstiger wird es. Da die Waren ohne Zwischenhändler von der Fabrik in China verschickt werden, sind viele Elektronikartikel für unter 10 Euro und Mode für unter 5 Euro zu haben.<BR /><BR />Das Konzept der chinesischen Onlinehändler ist es also, besonders günstige Waren anzubieten, die vorzugsweise über das Smartphone oder Tablet bestellt werden. Dies spricht aus verschiedenen Faktoren vor allem junge Konsumenten an.<h3> Günstige Preise für fragliche Qualität</h3>Der erste Grund für den außerordentlichen Erfolg der chinesischen Apps sind tatsächlich die sehr günstigen Preise. Im Vergleich zum traditionellen Einzelhandel, aber auch verglichen mit Westlichen E-Commerce-Anbieter, betragen die Kosten für ähnliche Produkte oft weniger als 10 Prozent. Dass die Qualität dabei auf der Strecke bleibt, ist in einer immer schnelllebigeren Welt kein großes Problem.<BR /><BR /> Die Mode ändert sich mittlerweile sowieso im Wochentakt und 60 Prozent der Kleidungsstücke werden noch im selben Jahr weggeworfen. Allgemein folgt ein Trend auf den nächsten und selbst Elektrogeräte müssen nicht mehr Jahre lang halten. Die explodierende Inflation treibt zusätzlich zu den Schnäppchenjägern auch noch jene Kunden zu den chinesischen Billiganbietern, die den hohen Kaufkraftverlust besonders stark spüren.<BR /><BR />Eine weitere Ursache ist die umfassende Produktpalette, die zudem ständig erweitert wird. Als Beispiel: Shein nimmt jeden Tag zwischen 700 und 1000 neue Artikel ins Sortiment auf. Damit wird dem Nutzer eine große Auswahl und viel Abwechslung geboten. Sogar wenn die App täglich verwendet wird, erhält der Kunde ständig neue Vorschläge und Inspirationen. Die hohe Produktvielfalt lockt zudem jene Verbraucher an, die sich von anderen differenzieren wollen und ein Kleidungsstück tragen möchten, das nicht jeder hat.<h3> Temu: Spiel und Shop in einem</h3>Vor allem Temu hat zudem sehr effiziente Marketingstrategien entwickelt. Durch hohe Werbeausgaben ist die App in den USA bei mehr als 50 Prozent der jungen Zielgruppe bekannt, wovon sich 2 Drittel vorstellen können, über Temu einzukaufen. Wer die App einmal auf seinem Handy hat, kann sprichwörtlich spielerisch einkaufen. Der chinesische Anbieter nutzt verschiedene Spielelemente, um die Kunden zum Kauf zu verführen. So können Benutzer zum Beispiel Schatztruhen mit kostenlosen Überraschungen öffnen, Sterne sammeln und für Rabatte einlösen, Fischfutter durch das Fangen von Fischen günstiger kaufen oder American Football spielen, um Gutscheine zu gewinnen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="908320_image" /></div> <BR /><BR />Nach dem Vorbild des Mutterkonzerns von Temu, Pinduoduo, haben auch Alibaba mit ihrer App Taobao und der chinesische Lieferservice Meituan komplette Spiele innerhalb ihrer Verkaufsplattformen entwickelt. Bei allen Anbietern können die Nutzer einen virtuellen Bauernhof betreiben, Getreide anbauen und Vieh züchten, die Ernte verarbeiten und schließlich verkaufen, um Punkte zu sammeln. Diese können dann in Gutscheine umgewandelt werden, um echte Waren einzukaufen. <BR /><BR />Die jungen Konsumenten verbringen so viel mehr Zeit mit der App und sehen dabei häufiger teilweise versteckte Werbebotschaften. Das Ziel ist klar: Die Freizeitaktivität Spiel soll mit der Einkaufsaktivität verschwimmen und der Kunde soll möglichst eng an das Unternehmen gebunden werden. Viele Jugendliche werden durch diese Kombination so manipuliert, dass sie mehr kaufen, als sie brauchen.<h3> China wächst, Europa bricht ein</h3>Besonders eindrucksvoll sind die Wachstumsraten der Chinesen. Das Auslandsgeschäft des etablierten AliExpress wächst mit 6 Prozent pro Jahr, Shein ist im Jahresvergleich zuletzt um 91 Prozent auf 30 Milliarden Dollar Umsatz gewachsen und Temu steigert seine Verkäufe um 26 Prozent bis 80 Prozent – pro Monat. Etwa 6 von 10 neuen Downloads der chinesischen Shopping-Apps kommen von Nutzern in Europa sowie Nord- und Lateinamerika, die somit für einen Großteil des Wachstums verantwortlich sind.<BR /><BR /> Gleichzeitig hat vor wenigen Wochen die Otto Group, der größte deutsche Versandhändler nach Amazon, verkündet, dass die Erlöse wegbrechen. Die Schuld sieht der Konzern beim Ukrainekrieg, der Energiekrise und der Inflation. Vielleicht lohnt zusätzlich auch ein Blick nach China und die oft nicht ganz fairen Methoden der Konkurrenz aus Fernost.<BR /><BR /><i>*Thomas Aichner ist wissenschaftlicher Leiter der Südtirol Business School.</i><BR /><BR />