Wenn die Einkaufspreise für Rohstoffe, Energie und Arbeit steigen, müssen Unternehmen ihre Verkaufspreise erhöhen, um weiter rentabel zu bleiben. Bei Konsumenten treffen höhere Preise aber verständlicherweise auf wenig Zustimmung. Besonders bei Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Gebrauchs fallen selbst kleine Änderungen vielen sofort auf. Die Reaktion auf Preiserhöhungen ist oft, dass sich der Käufer nach Alternativen umsieht oder weniger kauft, selbst wenn er mit dem Produkt eigentlich zufrieden ist. <h3> Weniger Menge geschickt kaschieren </h3>Um die negativen Reaktionen auf einen Preisanstieg (Inflation) zu vermeiden, hat sich eine je nach Perspektive unmoralische oder effiziente Methode durchgesetzt: Es wird weniger Inhalt zum gleichen Preis angeboten. Das Entscheidende dabei ist, dass der Käufer die Änderung nicht bemerkt. In den letzten Jahren hat sich dafür der Begriff Shrinkflation oder Schrumpflation durchgesetzt – von shrink (englisch für Schrumpfen) und Inflation.<BR /><BR />Die Umsetzung ist denkbar einfach. Angenommen, eine Firma will oder muss die Preise um 10 Prozent anheben. Bei einem Preis von aktuell 3,99 Euro wären das 40 Cent mehr. Der neue Preis läge also bei 4,39 Euro. Stellen Sie sich vor, es handelt sich um die Fischstäbchen, die Sie einmal pro Woche im Supermarkt einkaufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie den neuen Preis bemerken würden, ist relativ hoch. Anstelle der Preiserhöhung könnte aber auch die Anzahl der Fischstäbchen um 10 Prozent von 20 auf 18 reduziert werden. Bei einem konstanten Preis von 3,99 Euro fällt die Änderung im Supermarkt wohl nicht auf. Vielleicht merken Sie Zuhause, dass es plötzlich weniger Stück sind, weil Ihre 4 Familienmitglieder nicht mehr jeweils 5 Fischstäbchen bekommen. Auch in diesem Fall reagieren Konsumenten negativ und das Image der Marke nimmt Schaden. Am ehesten bleibt die Preiserhöhung unbemerkt, wenn das Gewicht pro Fischstäbchen um 10 Prozent abnimmt. Kaum jemand wird wahrnehmen, dass ein Stäbchen nur noch 27 Gramm statt 30 Gramm wiegt.<h3> Es geht auch dreist</h3>Perfektioniert wird Shrinkflation durch einige Besonderheiten, die es noch unwahrscheinlicher machen sollen, dass die Änderung erkannt wird. Ein wichtiges Element ist die Produktverpackung: Diese bleibt nach der Reduzierung häufig gleich groß, obwohl sich der Inhalt verringert. Manchmal wird das Verpackungsdesign komplett oder teilweise neu gestaltet, um die Aufmerksamkeit vom Gewicht oder der Größe abzulenken. <BR /><BR />Eine weitere Möglichkeit der Ablenkung besteht darin, sowohl die Füllmenge als auch den Preis zu erhöhen. Nimmt das Gewicht um 15 Prozent zu, der Preis aber um 25 Prozent, ist die Preiserhöhung den meisten Käufern nicht bewusst.<BR /><BR />Obwohl die allermeisten Fälle unbemerkt bleiben, gibt es zahlreiche Beispiele, die in den Medien und im Internet große Aufmerksamkeit erfahren haben. Vor allem die Verbraucherzentrale Hamburg ist dafür bekannt, sogenannte Mogelpackungen aufzudecken. Besonders dreist oder genial war, was ein Produzent von Waschmaschinenpulver gemacht hat. Bei einem Preis von 8,99 Euro und der gleichen Füllmenge von 1,5 Kilogramm vor und nach der Änderung wurden vorher 46 Waschladungen auf der Verpackung beworben. Ab September 2022 wurden 50 Waschladungen versprochen, also eigentlich mehr. Nur, wer das Kleingedruckte las, merkte, dass sich die Dosierungsempfehlung bei 46 Waschvorgängen auf sehr hartes Wasser bezog, bei 50 aber auf hartes Wasser. Die 46 Wäschen bei sehr hartem Wasser entsprechen eigentlich 71 Waschladungen bei hartem Wasser. Das heißt unterm Strich: Das Produkt wurde um 42 Prozent teurer. <BR /><BR />Das neueste Beispiel sind Knusperflocken, die für 2,99 Euro verkauft werden. Bei gleichem Preis wurde die Füllmenge von 350 Gramm auf 270 Gramm reduziert und das Produkt damit 30 Prozent teurer. <BR /><BR />Die Schrumpfung der Packungsgrößen kann allerdings nicht beliebig oft wiederholt werden, da die Artikel irgendwann einfach zu klein werden. Auch dafür gibt es eine simple Lösung: Das Produkt wird vom Markt genommen und eine neue, extragroße Variante wird eingeführt, zum Beispiel als Familienpackung oder Jumbo-Version. Der Preis für diese neue Größe ist selbstverständlich höher, womit der Schrumpfzyklus wieder von vorne beginnen kann.<BR /><BR /><i> * Thomas Aichner ist wissenschaftlicher Leiter der Südtirol Business School.</i><BR />