Warum das Hagelschutzkonsortium hier der richtige Ansprechpartner ist und wie der Fonds aufgebaut ist, erklärt Direktor Manfred Pechlaner im Interview.<BR /><BR /><b>Herr Pechlaner, warum wurde der Mutualitätsfonds Milch ausgerechnet im Hagelschutzkonsortium gegründet? Wie passt das zusammen?</b><BR />Manfred Pechlaner: Vielleicht ist der Name nach knapp 50 Jahren nicht mehr zielführend. Zu Beginn stand sicher der Hagel im Fokus, doch mittlerweile hat sich unser Aufgabenbereich erweitert, unter anderem auch auf Frost, Trockenheit oder Risikomanagement im Allgemeinen – deshalb wäre „Schutzkonsortium“ sicher treffender. Als solches haben wir alle Voraussetzungen, einen Mutualitätsfonds zu organisieren und zu verwalten – egal, um welchen Bereich der Landwirtschaft es geht.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="763172_image" /></div> <BR /><b>Warum braucht es diesen Mutualitätsfonds für die Milchwirtschaft?</b><BR />Pechlaner: Generell ist es das Ziel solcher Fonds, das Einkommen aus der Landwirtschaft zu stabilisieren und Marktschwankungen abzufangen. Während die Schwankungen in der Obstwirtschaft vor allem beim Erlös liegen, sind die Verkaufspreise in der Milchwirtschaft seit Jahren mehr oder weniger konstant – allerdings haben sich die primären Produktionskosten stark verändert, schon allein durch Preissteigerungen bei Energie, Treibstoff und Kraftfutter. Zwar werden auf gesamtstaatlicher Ebene jährlich 50 Millionen Euro Förderungen für diese Maßnahme bereitgestellt, diese werden jedoch kaum genutzt, weil die Voraussetzungen zur Gründung eines Fonds teilweise nicht gegeben sind. Dank der Genossenschaften und vielfach einheitlich organisierten Vermarktung ist es in Südtirol etwas leichter, solche Instrumente auf den Weg zu bringen und zu verwalten.<BR /><BR /><b>Wie funktioniert der Mutualitätsfonds Milch?</b><BR />Pechlaner: Ausgangspunkt für dessen Einrichtung ist ein „Worst Case Scenario“, das anhand der Daten von 2 Milchhöfen an der Universität in Padua erhoben wurde. Davon hängt ab, wie viel der Landwirt jährlich einzahlen muss. Im Grunde sichert der Fonds das durchschnittliche Einkommen – Erlös minus Kosten – der letzten 3 Jahre ab. Verglichen mit dem Einkommen des aktuellen Jahres ergibt sich der eventuelle Verlust, den der Fonds vergüten kann. Bei einem Verlust von mindestens 20 Prozent wird dieser dem Landwirt ausgezahlt, bis zu maximal 70 Prozent. Wichtig ist zu betonten, dass der Mutualitätsfonds nur dann greift, wenn es einen sogenannten „Event-Trigger“ gibt. Dieser wird ausgelöst, wenn das Einkommen etwa durch einen generellen Anstieg der Produktionskosten oder durch eine schwierige Vermarktung der Produktion stark sinkt. So wird ausgeschlossen, dass Eigenverschulden über den Fonds vergütet wird.<BR /><BR /><b>Wer hat Anrecht auf Geld aus dem Fonds?</b><BR />Pechlaner: Jeder Landwirt muss sich auf Eigeninitiative anmelden. Vom vorgesehenen Gesamtbetrag, der in den Fonds eingezahlt werden muss, gehen 30 Prozent auf Kosten des Landwirts, die restlichen 70 Prozent werden von der Europäischen Union als Fördermittel draufgelegt. Die EU geht damit weg vom Gießkannenprinzip hin zur Förderung des Risikomanagements: Wenn der Landwirt sich versichert und seine Hausaufgaben macht, wird er auch von der EU unterstützt. <BR /><BR /><b>Es gibt beim Hagelschutzkonsortium bereits einen ähnlichen Fonds für Äpfel. Wie sind die Erfahrungen?</b><BR />Pechlaner: 2020 wurde ein Mutualitätsfonds für die Apfelproduktion eingerichtet. Der Start war mühsam, da wir durch die Pandemie daran gehindert wurden, den Fonds vor Ort und persönlich zu erklären. Deshalb trafen wir vielerorts auf Skepsis. Im Vinschgau hingegen wurde der Fonds gut angenommen. Wir hoffen, dass sich noch viele Bauern anmelden werden, denn Mutualitätsfonds sind die Zukunft. So sieht das auch die EU, die bereits Förderungen für die kommende Agrarperiode bestätigt hat.<BR /><BR /><b>Auf der heutigen Vollversammlung wird also der Milchfonds gegründet. Wie geht es weiter?</b><BR />Pechlaner: Zunächst einmal braucht es mindestens 150 Betriebe, die sich einschreiben, doch das sollte kein Problem sein. Voraussichtlich Ende Juni wird das Ansuchen für die Anerkennung des Fonds beim Landwirtschaftsministerium in Rom eingereicht, die Zusage wird dann etwa ein Jahr auf sich warten lassen. Anschließend werden die Beiträge und das Fördergeld einbezahlt. Klar ist: Diese Fonds funktionieren nur mit Fördergeld, ansonsten wäre es lediglich ein etwas anderes Sparbuch für die Landwirte. Und auch wenn das Prozedere langwierig ist: Wer sich jetzt für das Jahr 2022 einschreibt, wird nach der Anerkennung des Fonds auch für 2022 eine Entschädigung erhalten, sofern die Voraussetzungen dafür aufgrund der steigenden Produktionskosten gegeben sind.<BR /><BR /><b>Um schnellstmöglich auf die aktuelle Krise in der Milchwirtschaft reagieren, hat das Land rund 15 Millionen Euro gelockert. Warum dann der Fonds?</b><BR />Pechlaner: Während die Fördergelder des Landes nur eine kurzfristige Lösung sind, die auch nicht ewig fließen werden, ist der Mutualitätsfonds eine langfristige Investition, auch, weil die Bauern gesetzlich verpflichtet sind, mindestens 3 Jahre in den Fonds einzuzahlen. So, wie sich andere Bauern gegen Hagel oder Frost versichern, muss auch das Einkommen in der Berglandwirtschaft aktiv abgesichert werden. Es geht nicht darum, den Markt zu ersetzen: der Bauer muss weiterhin ein qualitativ hochwertiges Produkt produzieren, um am Markt bestehen zu können. Aber der Fonds soll dabei helfen, einen Teil der gestiegenen Produktionskosten abzufangen und so das Auskommen der Bäuerlichen Familie zu sichern. Ein Sicherheitsnetz, sozusagen.