„Neue Ideen sind gefragt, sonst riskieren wir, eine ganze Generation zu verlieren“, so Heiner Oberrauch, Präsident des Südtiroler Unternehmerverbandes (UVS), in einem Interview im Rahmen der UVS-Vollversammlung mit dem Titel „Next Gen: Wie wir Talente gewinnen, binden und führen“. <BR /><BR /><b>Herr Oberrauch, Südtirol steuert immer mehr auf einen Arbeitnehmermarkt zu; es gibt also mitunter mehr Stellen als Bewerber. Wie hart wird der Wettbewerb der Betriebe um Arbeitskräfte bereits heute geführt?</b><BR />Heiner Oberrauch: Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, die sich noch verschärfen wird. Mit der Pensionierung der Babyboomer-Generation werden rund 20 Prozent der Arbeitskräfte verlorengehen. Das ohne große Wohlstandsverluste auszugleichen, ist eine der größten Herausforderungen, die wir als Wirtschaft und Gesellschaft meistern müssen. Für Unternehmen wird vor diesem Hintergrund der Wettbewerb um Arbeitskräfte zu einem strategischen Thema. Zukunftsfähig ist nicht nur, wem es gelingt, innovativ bei neuen Produkten oder Geschäftsmodellen zu sein, sondern auch im Personalmanagement und Recruiting. <BR /><BR /><b>Zunächst sollte man wissen, um wen man buhlt. Wie gut kennen Sie die Bedürfnisse der jüngeren Generationen?</b><BR />Oberrauch: Es ist wichtig, den jüngeren Generationen zuzuhören. Wir haben bei uns intern im Unternehmen eine Befragung bei Mitarbeitern durchgeführt, die zur Generation Z gehören. Daraus und aus den Erfahrungen anderer lassen sich schon grundsätzliche Aussagen treffen, was die Präferenzen der Jüngeren heutzutage angeht. <BR /><BR /><b>Was ist den Generationen Z und teilweise auch Y wichtiger als den Vorgängern?</b><BR />Oberrauch: Die Jugend hat einen anderen Anspruch an das Leben und wird weniger, aber zumindest anders arbeiten wollen. Durch flexible Arbeitszeitmodelle, mobiles Arbeiten und weiteres mehr, wollen jüngere Generationen eine bessere Work-Life-Balance hinbekommen. Das bedeutet nicht, dass jüngere Generationen weniger leisten, im Gegenteil: Sie teilen sich ihre Arbeit nur anders, freier ein. Ebenso brauchen sie mehr Freiräume und auch Gestaltungsmöglichkeiten im Betrieb – innerhalb grober Leitplanken. Ebenfalls wichtig ist es ihnen, dass das, was ein Unternehmen macht, mit dem eigenen Wertegerüst übereinstimmt. Ich erlebe es selbst jeden Tag: Stimmt die Wertehaltung eines Unternehmens mit jener seiner Mitarbeiter überein, dann ist auch ihre Leistungsbereitschaft größer. <BR /><BR /><b>Was steht noch weit oben auf der Prioritätenliste?</b><BR />Oberrauch: Typisch für jüngere Generationen ist auch deren Sensibilität für neue Technologien und den Klimaschutz. Zudem ist das Selbstvertrauen größer als bei früheren Generationen, was wiederum damit zusammenhängen könnte, dass sie mit den Veränderungen der heutigen Zeit, vor allem im technologischen Bereich, wesentlich besser zurechtkommen als ältere Arbeitnehmer. Unternehmer, Sozialpartner und die Politik sind jedenfalls gut beraten, sich auf die Bedürfnisse der neuen Generationen einzulassen. „Zuhören, wahrnehmen und handeln“, nach diesem Prinzip müssen wir verfahren, um nicht eine ganze Generation zu verlieren.<BR /><b><BR />Wie weit sind wir, was diesen Kulturwandel in den Unternehmen angeht?</b><BR />Oberrauch: Sicher sind nicht alle gleich weit. Ich erachte es aber als Aufgabe der „hidden Champions“, die wir in Südtirol in vielen Bereichen haben, voranzugehen. Als Vorreiter werden sie anderen Betrieben als wertvolle Inspiration dienen. <BR /><BR /><b>Wir haben über Aspekte gesprochen, die in den Händen der Unternehmen liegen. Auf einiges hat ein einzelner Betrieb aber keinen Einfluss, etwa auf die Preise fürs Wohnen, der beim Anziehen von Arbeitskräften von außen enorm wichtig ist.</b><BR />Oberrauch: Richtig, es ist absolut unverständlich für mich, warum wir in diesem Bereich in den letzten Jahren keinen Zentimeter weitergekommen sind. Und das, obwohl jeder erkannt hat, wie zentral dieser Aspekt für Südtirol ist. Für Menschen, die zu uns kommen wollen, aber auch für die junge Generation im Land brauchen wir leistbares Wohnen. Leistbares Wohnen in Eigentum und besonders in Miete. Die Landesregierung, die gesamte Opposition, die Gewerkschaften, die Sozial- und Familienverbände und alle Unternehmerorganisationen sprechen sich vehement seit längerem dafür aus. Und doch passiert nichts. Ist unser System zu träge? Tatsache ist, dass das teure Wohnen den Lebensraum Südtirol für viele unattraktiv macht – trotz vieler anderer Vorzüge, etwa bei der Lebensqualität. Es muss uns gelingen, den Exodus zu stoppen, gute Leute im Land zu halten und von außen anzulocken. <BR /><BR /><b>Was schlagen Sie vor?</b><BR />Oberrauch: Der Zugang zum Baugrund für den geförderten Wohnbau muss künftig allen Ansässigen für den Bau der Erstwohnung und den Bau von Wohnungen, die für 20 Jahre an Ansässige zum Landesmietzins vermietet werden, ermöglicht werden. Die Möglichkeit der Realisierung von Wohnungen mit Preisdeckelung für Eigentum und Miete muss forciert und nicht zuletzt auch die Zielvorstellung im „Klimaplan 2040“ der Nettoversiegelung null in diesem Kontext neu bewertet werden. Es kann nicht sein, dass Bozen laut Erhebung des „Corriere della Sera“ mit 63,7 Jahren die Stadt ist, in der man in Italien am längsten für den Kauf einer Wohnung arbeiten muss. Mit politischen Bekenntnissen werden wir dieses Problem nicht lösen.<BR /><BR /><b>Hört man Ihnen von politischer Seite zu wenig zu?</b><BR />Oberrauch: Nicht nur für Unternehmen sind das Zuhören und eine ehrliche Kommunikation wichtig. Mir kommt vor, wir haben das Zuhören verlernt, hier müssen wir wieder besser werden. Diese konstruktive Art des Dialogs wiederzuentdecken ist auch mein persönlicher Wunsch an die künftige Landesregierung und an die Landesverwaltung. Ich wiederhole daher meinen Appell, den ich schon beim Neujahresempfang an Verbände, Medien und Politik gerichtet habe: Wir alle haben die Verantwortung, das Verbindende höher zu stellen. Konflikte machen Schlagzeilen, nicht Zusammenarbeit. Zu oft stellen wir das in den Vordergrund, was uns trennt. Aber die Stärke Südtirols ist seit Jahrzehnten das Zusammenhalten. Stellen wir das Verbindende und nicht das Trennende in den Vordergrund!<BR /><BR /><b>Bleiben wir kurz beim Thema Politik. Welche Rahmenbedingungen gehören Ihrer Ansicht nach dringend geändert?</b><BR />Oberrauch: Leistung soll stärker belohnt werden. Das heißt, dass der Gesetzgeber in Rom etwa Überstunden steuerlich begünstigen sollte. In einer Situation, in der es viele Arbeitslose gibt, macht es Sinn, Überstunden höher zu besteuern. Aber in der derzeitigen Situation ist das für mich völlig unverständlich. Da muss eine neue Denkweise her. Nicht nur in diesem Punkt übrigens.<BR /><BR /><b>Wo sollte man sich noch von alten Denkmustern verabschieden?</b><BR />Oberrauch: Ein ganz typisches Beispiel ist auch die Altersteilzeit. Daran merkt man, wie weit die Politik und auch die Gewerkschaften manches Mal von der Realität entfernt liegen, alte Denkmuster nach wie vor vorherrschend sind. Jüngere Generationen wollen nicht mehr bis zum Renteneintrittsalter voll arbeiten und dann nix mehr tun – quasi von 100 auf 0. Sie wollen im Alter weniger arbeiten. Altersteilzeit ist zwar rechtlich möglich, aber steuerlich so uninteressant, dass sie kaum jemand nutzen will. Da muss dringend etwas passieren.