Die Natur hält sich nicht an den Kalender. Sorgte im vergangenen Jahr ein kalter Frühling für eine etwas verspätete Spargelernte und somit für Spargel-„Mangel“ an Ostern (31. März 2013), hat in diesem Jahr die Spargelernte bereits begonnen. Damit könnte zum heurigen, doch späten Osterfest (20. April) der Ernte-Höhepunkt schon überschritten sein. Insgesamt verspricht man sich in der Südtiroler Spargelhochburg aber eine gute Saison. Zwei Monate lang dauert sie, und sie ist mittlerweile für Terlan weitaus mehr als nur eine kulinarische Werbeaktion, als die sie vor drei Jahrzehnten begonnen hat. Damals, vor 31 Jahren, als einige Terlaner Gastwirte zum ersten Mal die „Spargelzeit“ ausriefen, kauften sie noch fast ausschließlich Spargel aus Norditalien oder Spanien. Zwar hatte das Spargelessen in der Etschtaler Gemeinde jahrhundertealte Tradition (siehe Kasten). Doch der Anbau von Spargel war fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Erst als in den neunziger Jahren große Obsterntemengen in Europa für Tiefstpreise bei den Äpfeln sorgten, begannen sich die Obstbauern im Etschtal, Gedanken zu machen. „Wir Terlaner Bauern haben uns nach Alternativen zum Apfel umgeschaut“, erinnert sich der heutige Bürgermeister Klaus Runer, damals einer der Gründer und erster Obmann der Arbeitsgemeinschaft Spargelbau in Terlan. Von der Idee, Kirschen anzupflanzen, war man schnell abgekommen, weil sie sich für Talsohlen nicht eignen. Da ermutigte der (inzwischen verstorbene) Gastwirt Helmut Huber die Bauern, es mit dem Spargel zu versuchen. Huber hatte als einziger Wirt und Hotelier in Terlan ein Spargelfeld angelegt und schon seit den siebziger Jahren seinen Gästen im Frühling das Gemüse aus „Eigenbau“ angeboten.Unterstützung für das Spargelprojekt kam als erstes von Wolfgang Drahorad, damals Leiter des Beratungsringes in Terlan, und Helmuth Scartezzini - er war Direktor des Landesamtes für Obst- und Weinbau. Beide erachteten den Versuch, sich von der „Monokultur Apfel“ etwas zu lösen, als positiv. „Wir bekamen sogar eine kleine Förderung für den Ankauf der Spargelpflanzen“, erzählt Klaus Runer. Etwa ein halbes Dutzend Bauern schloss sich zur Arbeitsgemeinschaft Spargelbau zusammen, legte auf rund drei Hektar die ersten Spargelfelder an und erntete 1998 rund 900 Kilogramm Spargel. „Von Anfang an war es die Idee, ein Gemeinschaftsprojekt auf die Beine zu stellen“, unterstreicht Runer: „Wir organisierten Spargeltagungen und holten uns Informationen aus den deutschen Spargelhochburgen wie Schrobenhausen sowie aus der Spargel-Hochschule Geisenheim.“Während der Anbau bald recht gut funktionierte und mit verschiedenen Techniken die Erntezeit auf volle zwei Monate ausgedehnt werden konnte, bereitete die Vermarktung der immer größeren Mengen an Spargel zunächst Kopfzerbrechen. Für eine eigene Vermarktungsstruktur fehlte das Geld, der Ab-Hof-Verkauf war zu umständlich. Also suchten sich die mittlerweile zehn Spargelbauern einen Partner – den sie schließlich in der Kellerei Terlan fanden. Diese verfügte bereits über ein weites Vertriebsnetz für Wein sowie über geeignete Lager- und Verkaufsräume und sollte den Terlaner Spargel – er war inzwischen mit dem Namen „Margarete“ als Schutzmarke versehen worden – genossenschaftlich vermarkten. Genossenschaftlich heißt: Alle Bauern liefern ihren gesamten Spargel in der Genossenschaft ab, wo er sortiert und verkauft wird. „Die Kombination Spargel und Wein erwies sich als ideal“, sagt Kellerei-Obmann und Spargelbauer Georg Höller. Denn abgesehen davon, dass die Kellerei jedes Jahr eine eigene Sauvignon-Abfüllung als „Spargelwein“ anbiete, würden sich Wein- und Spargelverkauf an einem einzigen Ort gegenseitig ergänzen. 2006 erfolgte der nächste große Schritt: die Eingliederung der Spargelbauern in die Kellereigenossenschaft. „Damit hat jeder Spargelbauer nun dasselbe Stimmrecht wie ein Weinbauer“, erklärt Georg Höller. Die genossenschaftliche Organisation bietet den Bauern viele Vorteile, stößt aber nicht ausschließlich auf Zuspruch. „Ohne Genossenschaft wäre die Vermarktung der mittlerweile rund 55 bis 60 Tonnen Gemüse kaum möglich“, sagt Alexander Höller, Leiter des Bereiches Spargel der Kellerei Terlan. Auch die Anschaffung der notwendigen Geräte – etwa des Pflanzenpfluges, der Dämmfräse oder der Setzmaschine – zahle sich für einen einzelnen Bauern, der den Spargelanbau im „Nebenerwerb“ betreibe, nicht aus. „Diese und andere Geräte sind neben der Wasch- und Sortieranlage gemeinschaftlich angekauft worden“, sagt Alexander Höller. „Heuer ist zudem eine spezielle Temperaturmessstation errichtet worden, mit deren Hilfe die Bauern über Internet feststellen können, ob und wann sie die Folien auf den Feldern wenden müssen, um Wachstum und Qualität des Spargels zu steuern.“ Die Qualitätsrichtlinien für die Schutzmarke (siehe Kasten) sind für die Bauern ebenfalls mit einem großen Aufwand verbunden und daher nur in Gemeinschaftsarbeit einzuhalten. „Ein Transporter, das sogenannte Spargeltaxi, fährt während der Ernte pausenlos die Felder zwischen Vilpian und Siebeneich ab, damit der Spargel innerhalb von zwei Stunden im Kühlraum ist und die Kühlkette damit nicht unterbrochen wird“, nennt Alexander Höller ein Beispiel. Allerdings müssen die genossenschaftlich organisierten Spargelbauern auch Kompromisse eingehen: Sie verpflichten sich beispielsweise, die gesamte Ernte in der Kellerei abzuliefern und über diese zu vermarkten – in erster Linie, um die lückenlose Kontrolle der Richtlinien zu gewährleisten. Das jedoch schließt eine Direktvermarktung ab Hof, auf Wochen- oder Bauernmärkten aus, sofern der Bauer den Spargel nicht bei der Genossenschaft wieder ein- und dann erst verkauft. Nicht alle Terlaner Spargelbauern können oder wollen diese Kompromisse eingehen, weshalb es auch schon Austritte aus der Genossenschaft gegeben hat. „Das respektieren wir“, sagt Kellerei-Obmann Georg Höller. „Diese Bauern dürfen dann allerdings nicht mit der Schutzmarke Margarete arbeiten.“Dass sie dennoch von der mittlerweile großen Bekanntheit des „Margarete“-Spargels profitieren, liegt auf der Hand. Das lenkt die derzeit 15 Genossenschaftsbauern aber nicht von ihrem Prinzip „Gemeinschafts- vor Eigeninteresse“ ab. „Denn nur dadurch und in Zusammenarbeit mit den Gastwirten und dem Lebensmittelhandel haben wir es geschafft, aus dem Nischenprodukt Spargel eine Marke zu kreieren“, sagt Georg Höller. Und vor allem haben es die Terlaner geschafft, für diesen hochpreisigen Qualitätsspargel einen Markt zu schaffen, in dem die Nachfrage immer noch größer ist als das Angebot. Auf rund 500.000 Euro Umsatz kommt der Spargelverkauf pro Jahr. Den Terlaner Spargel mit eigenen Anbau- und Vermarktungsrichtlinien sowie der entsprechenden Schutzmarke „unverwechselbar“ zu machen, damit einen sogenannten Mehrwert für die Kunden zu schaffen und das Produkt auch zu entsprechenden Preisen anbieten zu können – das ist offenbar gelungen. Wer an Terlan denkt, denkt unwillkürlich auch an den Spargel. Damit ist zwar nicht das ursprüngliche Ziel – die Alternative zum Apfel - erreicht worden, aber vielleicht ein viel wichtigeres, wie Bürgermeister Klaus Runer betont: „Rein ökonomisch ist der Spargel mit dem Apfel heute noch immer nicht vergleichbar, aber er ist zum Imageträger für das Dorf geworden – so wie die Erdbeeren für Martell.“ Auch sei es gelungen, inmitten der beiden größten Städte Südtirols eine Hochburg für ein landwirtschaftliches Produkt zu schaffen, das zudem die Gastbetriebe und sogar den Handel fördert. er