Maico ist italienischer Marktführer bei Fenster- und Türbeschlägen und hat seinen Sitz in St. Leonhard/Passeier. Ab 2024 sieht er härtere Zeiten auf seine Branche zukommen, große Hoffnungen setzt er in das Zukunftsthema Smart Home. <BR /><BR /><b>Herr Reisigl, mit dem vierten Hilfsdekret der Regierung wurde beschlossen, den Steuerabsetzbetrag Superbonus 110 Prozent ab 2023 auf 90 Prozent und in den Folgejahren auf 70 bzw. 65 Prozent zu drücken. Sind Sie mit dieser Lösung einverstanden?</b><BR />Wolfgang Reisigl: Absolut. Ich finde, dass es höchst an der Zeit ist, einen vernünftigen Ansatz in der Anreizpolitik zu verfolgen. Das, was wir in den letzten Jahren gesehen haben, war nämlich nicht gesund. <BR /><BR /><b>Klären Sie uns auf…</b><BR />Reisigl: Wenn ein Staat so massiv in den Markt eingreift, so wie in diesem Fall Italien, bleibt das nie folgenlos. Das Verkaufsvolumen am Fenstermarkt hat seit 2020 insgesamt um 50 Prozent zugenommen. Der Markt wurde also künstlich aufgebläht. <BR /><BR /><b>Das müsste Sie doch eigentlich freuen, schließlich profitierte auch Maico davon.</b><BR />Reisigl: Auf die kurze Sicht war es sicher gut für uns, das möchte ich gar nicht abstreiten. Unser konsolidierter Umsatz ist rasant angestiegen: Waren wir 2020 noch bei 62,5 Millionen, dürften wir heuer aller Voraussicht nach die Marke von 100 Millionen Euro knacken. Die Firma Maico ist nicht nur in Italien aktiv, sondern in ganz Südwesteuropa und der Schweiz, die Entwicklungen in Italien waren aber hauptverantwortlich für diesen enormen Umsatzanstieg. Auch haben wir in den letzten Jahren wieder vermehrt Leute eingestellt und beschäftigen aktuell 156 Mitarbeiter, 115 allein am Standort in St. Leonhard. Das ist ermutigend und freut uns natürlich. Aber wir wissen auch, dass der Boom nicht ewig weitergehen kann. Wir müssen zurückkommen in einen Normalzustand. Ex-Premier Mario Draghi hat früh erkannt, dass der Superbonus keine kluge Sache ist und auch seine Argumentation teile ich voll und ganz, wenn er davon sprach, dass eine derart hohe Förderung die Preise in die Höhe treiben würde.<BR /><BR /><embed id="dtext86-56961055_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wird es ein böses Erwachen in Ihrer Branche geben, wenn der Superbonus zurückgestutzt wird?</b><BR />Reisigl: Ich denke, dass der Superbonus der vergangenen Jahre zu einem Boomerang werden könnte. Auch weil sehr viele Firmen in den letzten Jahren ihre Kapazitäten erweitert haben, größtenteils auf Pump und nicht mit Eigenmitteln. In einem Umfeld, in dem die Nachfrage vermutlich sinken wird und die Darlehenszinsen steigen, ist das zumindest potenziell gefährlich. Eine Konsolidierung werden wir aber wohl erst 2024 sehen, weil die Auftragslage bis Ende des nächsten Jahres sehr gut ist. Darüber hinaus bleiben derzeit viele Unternehmen auf ihrem Steuerbonus sitzen, weil sie ihn nicht mehr an die Banken abtreten können, was unweigerlich negative Folgen auf deren Liquidität haben wird. <BR /><BR /><b>Sind Sie auch besorgt was Ihr Unternehmen betrifft?</b><BR />Reisigl: Wir versuchen schon jetzt, umsichtig zu agieren, aber besorgt sind wir nicht. Hoffnung macht uns, dass Europa insgesamt in Richtung mehr Energieeffizienz steuert. Die Mitgliedstaaten werden also mit ziemlicher Sicherheit demnächst Programme auflegen, um die Bürger zu ermutigen, in die Sanierung ihrer Häuser und Wohnungen zu investieren. Wir hängen nicht nur von der Entwicklung am italienischen Markt ab. Ein Beispiel: Sollten Spanien und Frankreich morgen attraktive Förderungen beschließen, kommt uns das zugute, weil wir in den Märkten ebenfalls aktiv sind. Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der uns mittel- bis langfristig sehr positiv stimmt. <BR /><BR /><b>Wovon sprechen Sie?</b><BR />Reisigl: Ich spreche von Smart Home und allem, was damit einhergeht. <BR /><BR /><b>Befindet sich dieser Bereich nicht eher noch in einem Schlummerschlaf?</b><BR />Reisigl: Auf die Gegenwart bezogen ist das sicherlich der Fall. Es sind vor allem sehr technologieaffine Menschen, die Smart-Home-Systeme nutzen. Die Zahl der User nimmt zwar zu, aber sehr langsam. <BR /><BR /><b>Warum ist das so?</b><BR />Reisigl: Der wichtigste Grund, warum es nicht schneller vorangeht, ist, dass Geräte verschiedener Hersteller oft nicht kompatibel zueinander sind, da unterschiedliche Technologien zum Einsatz kommen. Dadurch ist die Nutzung sehr eingeschränkt und auch umständlich.<BR /><BR /><embed id="dtext86-56961058_quote" /><BR /><BR /><b>Warum sehen Sie im Bereich Smart Home dennoch interessante Wachstumschancen?</b><BR />Reisigl: Noch heuer soll der übergreifende Standard Matter startbereit sein. Hinter Matter stehen praktisch alle wichtigen Hersteller, darunter Amazon, Google, Apple, LG, Samsung, AVM und viele andere mehr. Statt die Ökosysteme der Hersteller zu ersetzen, ermöglicht Matter, dass ihre Geräte miteinander über Funk kommunizieren können. So ist es Nutzern künftig möglich, beispielsweise einem Google-Lautsprecher den Befehl zu geben, eine Amazon-Steckdose einzuschalten. Und nicht nur das: Egal ob Lampen, Thermostate oder Sensoren; Geräte mit Matter-Label können intelligent vernetzt werden, also auch Fenster und auf Wunsch auch Türen. Die Steuerung des gesamten Smart-Home-Systems erfolgt zum Beispiel über Apps. Künftig wird es also tatsächlich möglich sein, dass sich Fenster aufgrund von Parametern wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur usw. von selbst öffnen und schließen, dass sie mit dem Heiz- oder Lüftungssystem kommunizieren, um den Energieverbrauch zu optimieren usw. Die Möglichkeiten sind da sehr vielfältig. Durch Matter werden wir eine Revolution im Smart-Home-Bereich sehen, davon bin ich überzeugt. Gab es bislang niedrige Wachstumsraten in diesem Bereich, wird der Markt in den nächsten Jahren exponentiell ansteigen. Wir werden sehen, wie Smart Home zu einem Massenphänomen wird. <BR /><BR /><b>Was erwarten Sie sich konkret für Ihr Geschäft von dieser Smart-Home-Revolution?</b><BR />Reisigl: Bis 2030 dürften wir an die 20 Prozent des Umsatzes mit Türen- und Fensterlösungen erwirtschaften, die mit Motoren ausgestattet sind und entweder via Funk oder verkabelt geöffnet oder geschlossen werden können. Die Steuerung erfolgt beispielsweise mittels Fingerabdruck. Technisch möglich ist das heute schon, in der Breite verbaut dürften sie in einigen Jahren werden, weil sich wie erwähnt das Kundeninteresse in diese Richtung hin entwickeln wird. <BR /><BR /><b>Das Thema Datenschutz ist dabei natürlich immer zentral…</b><BR />Reisigl: Natürlich, besonders bei uns in Europa. Ich denke aber, dass die Technologie unabhängig davon kommen wird. Aufzuhalten ist diese Entwicklung nicht.<BR /><BR /><BR />