Zwei Faktoren würden beim EU-Verbot für Verbrennungsmotoren zu wenig berücksichtigt, warnt De Luca. Einer davon könnte dazu führen, dass sich viele in Zukunft die heutige Mobilität schlichtweg gar nicht mehr leisten können. <BR /><BR /><b>Sollten Autobesitzerinnen und –besitzer das Jahr 2035 im Blick haben, wenn sie demnächst den Wagen wechseln?</b><BR />Michele De Luca: Das hängt sehr stark vom Profil des Autofahrers ab. Diejenigen, die ihr Auto häufig benutzen, werden in den nächsten Jahren immer die Wahl zwischen einem herkömmlichen und einem elektrischen oder elektrifizierten Modell haben. Wer hingegen sein Auto lange behält und nur in der Freizeit nutzt, wird sich eher fragen, ob er sich für ein elektrifiziertes oder elektrisches Modell entscheiden soll, auch wenn man bedenken muss, dass der Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor Ende 2034, also in mehr als 11 Jahren, endet. Das bedeutet nicht, dass die Autos dann nicht mehr genutzt werden können. <BR /><BR /><b>Wie wird sich der Beschluss auf den Automarkt auswirken?</b><BR />De Luca: Es ist offensichtlich, dass sich die Automobilhersteller schon seit einiger Zeit mit dieser „elektrischen“ Wende befassen, was sich auch in den technischen Veröffentlichungen zeigt, in denen die Elektrifizierung nun ein ständiges Thema ist. Das Angebot an elektrischen und elektrifizierten Autos hat stark zugenommen, auch wenn die Lieferzeiten der Autos im Vergleich zu den Jahren vor 2020 sehr lang bleiben. In den kommenden Jahren wird sich die Frage, wie man sein Auto nutzt, stärker stellen müssen. Die Hersteller werden die Auswahl jedoch allmählich einschränken, denn sie wollen auch die enormen Investitionen, die sie bereits getätigt haben, wieder hereinholen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="865529_image" /></div> <BR /><BR /><b>Was konkret bedeutet...</b><BR />De Luca: Ich denke, dass schon in einigen Jahren die Wahl von Elektroautos obligatorisch werden könnte, da das Angebot der Modelle mit Verbrennungsmotoren voraussichtlich immer kleiner wird und auch die kommende Euro7-Norm, die angeblich 2025 in Kraft treten soll, könnte die Autos mit konventionellem Antrieb erst recht verteuern. Meiner Meinung nach eine fast unnötige Verschärfung, da die bestehende Euro 6D-Norm bereits extrem niedrige Emissionen vorsieht. Es ist jedoch möglich, dass die Verbraucher in dieser Abfolge von Nachrichten ein wenig verunsichert sind und dass dies den Kauf eines neuen Autos verlangsamen oder sogar um ein Vielfaches aufschieben könnte.<BR /><BR /><BR /><b>Werden gebrauchte „Verbrenner“ als Auslaufmodelle bald wertlos?</b><BR />De Luca: Die Umstellung wird sehr lange dauern. Er wird sehr stark von den Preisen der traditionellen Kraftstoffe abhängen. Wenn diese in den nächsten Jahren steigen, etwa durch eine höhere CO2-Besteuerung, ist ein Wertverlust für Autos mit Verbrennungsmotor nicht auszuschließen. Das Risiko, das ich sehe, ist, dass Mobilität viel teurer werden könnte als heute und große soziale Auswirkungen haben könnte, wenn nicht gleichzeitig das Angebot an öffentlichem Nahverkehr deutlich ausgebaut wird. Seit einiger Zeit beobachte ich, dass die Zahl der angebotenen Modelle tatsächlich abnimmt, was zum Teil auf Konzentrationen zwischen verschiedenen Marken zurückzuführen ist, aber auch darauf, dass paradoxerweise das Angebot an Kleinwagen infolge der Entscheidungen der Hersteller zur Rationalisierung ihrer Plattformen zurückgeht. Andererseits könnte es auch den „Kuba-Effekt“ geben, d.h. die Aufrechterhaltung sehr alter Autos. Es wird auch davon abhängen, ob die verschiedenen EU-Regierungen die jährlichen Kraftfahrzeugsteuern für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor erhöhen. Ich wiederhole: Die sozialen Auswirkungen, die meines Erachtens derzeit kaum berücksichtigt werden, werden vorhanden sein, und ich denke, sie werden nicht zu unterschätzen sein, da die Kosten für die private Mobilität ziemlich stark ansteigen könnten.<BR /><BR /><BR /><b>In welches Auto wird Europa umsteigen?</b><BR />De Luca: Bleibt es bei den EU-Null-Abgasnormen, scheint es sicher, dass es ab 2035 - aber auch früher - nur neue batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Autos geben wird, wobei für letztere zumindest heute noch keine ernste Anzeichen für die Entwicklung von H2-Versionen bei Pkw und Kleintransportern bestehen. Bezüglich der H2-Mobilität, von wenigen Ausnahmen abgesehen, gibt es noch kein flächendeckendes H2-Tankstellennetz und die Realisierungskosten sind noch erheblich. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58306760_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Machen billige „Stromer“ aus China das Rennen oder werden Europas Autobauer bald günstigere Modelle liefern?</b><BR />De Luca: Die Probleme sind einige auf dem Tisch. Das Risiko, von einer Abhängigkeit (Öl) auf eine andere (Batterien) umzusteigen, liegt auf dem Tisch, und dass es eine Pro-Elektro-Lobby gegeben hat, kann man wohl ohne zu zögern behaupten. Derzeit kann man jedoch feststellen, dass chinesische Autos paradoxerweise im Bereich der Modelle mit Verbrennungsmotor wettbewerbsfähig sind, während die Preise für chinesische Elektroautos oft etwa doppelt so hoch sind wie in China und in Europa mehr oder weniger auf dem Niveau der europäischen und amerikanischen Hersteller liegen. Meiner Meinung nach liegt der Widerspruch darin, dass wir, wenn die EU eine emissionsfreie Zukunft vorschreibt („tailpipe emissions“), auch verstehen müssen, ob die Stromquelle tatsächlich „grün“ ist oder nicht. Tatsache ist, dass die europäische Entscheidung weltweit einmalig ist; andere Kontinente werden auch nach 2035 weiterhin Verbrennungsmotoren einsetzen mit stärkerem Fokus auf gasförmige Kraftstoffen wie Erdgas – insbesondere Bioerdgas, das in Europa leider nie als eine alternative und neutrale CO2-Mobilität betrachtet wurde – und Autogas.<BR /><BR /><BR /><b>Welche Zukunft haben synthetische Treibstoffe, auf die z.B. Porsche setzt?</b><BR />De Luca: Wie bei anderen alternativen Kraftstoffen sollte es einen starken öffentlichen Anreiz geben, um sie wettbewerbsfähig zu machen, aber auch staatliche Anreize können nicht unendlich sein. Es wird auch davon abhängen, welche Entscheidungen auf EU-Ebene als nächstes getroffen werden. Positive und negative Stimmen zu E-Kraftstoffen überschlagen sich, so dass eine präzise Antwort heute fast unmöglich ist. Sicher ist, dass, wenn die Wahl auf „Null Auspuffemissionen“ fällt, jede Alternative zu Batterie- und Wasserstoff-Antriebe ab 2035 nicht mehr in Frage käme, so dass sie nur noch für bereits auf der Straße befindliche Fahrzeuge von Interesse sein könnte.<BR />