Das Sommergespräch: hds-Präsident Philipp Moser über die Situation im Handel, über Dogmen in der Südtiroler Landesverwaltung und darüber, wie es mit dem „Tag der Arbeitgeber“ weitergehen wird. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Moser, wie geht es dem Handel in Südtirol nach eineinhalb Jahren Pandemie?</b><BR />Philipp Moser: Die Situation ist durchwachsen. Es gibt Bereiche, denen es gut geht und es gibt Bereiche, die sogar einen Zuwachs verzeichnen konnten. Aber es gibt Bereiche, die zu den größten Verlierern der Coronakrise gehören. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Zum Beispiel?</b><BR />Moser: Die Eventdienstleister, die Tourismussparte im Großhandel und vor allem der Modesektor. Im Modesektor läuft es momentan zwar wieder etwas besser, aber bei weitem nicht so, wie man es sich erhofft hatte. Und es fehlen ganze 7 Monate an Umsatz. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Und in welchen Bereichen geht es dem Südtiroler Handel gut?</b><BR />Moser: Vor allem der Lebensmittelbereich und auch der Möbelsektor konnten gut arbeiten. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Insgesamt gesehen: Macht dem Handel die Krise mehr zu schaffen, oder das veränderte Kaufverhalten, Stichwort: Online-Käufe?</b><BR />Moser: In der Krise konnten bestimmte Produkte Lockdown-bedingt nur mehr online gekauft werden. Das hat den Strukturwandel, der ja schon vorher im Gange war, stark beschleunigt. Es gibt diesbezüglich eine Berechnung von Experten des Instituts für Handelsforschung in Köln. Diese haben bislang mit einem Onlineanteil von 22 Prozent im Jahr 2030 gerechnet. Jetzt, durch den beschleunigten Strukturwandel in der Corona-Zeit, werden diese Vor-Corona-Prognosen zum Onlineanteil am Handel im kommenden Jahr eintreten, also 8 Jahre früher, als man vor Corona meinte. Der verlorene Umsatz kommt also nicht mehr zurück.<BR /><BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-50344458_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Kann der Südtiroler Handel mit diesem rasanten Wandel mithalten und konkurrenzfähig bleiben?</b><BR />Moser: Der Südtiroler Handel wird mithalten. Natürlich wird künftig noch mehr unternehmerische Qualität und unternehmerisches Tun gefragt sein, aber unsere Betriebe haben während der Lockdowns bewiesen, dass sie kreativ und innovativ sind. Nur müssen wir noch stärker in die Digitalisierung und die Online-Präsenz der Betriebe investieren. Wir müssen weggehen von der Vorstellung, Online-Handel ist automatisch schlecht und stationärer Handel ist automatisch gut. Beides ist Realität und wir müssen uns mit beiden Formen des Handels beschäftigen, das heißt aber nicht, dass künftig jeder Betrieb Online-Käufe anbieten soll. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Arbeitsplätze schaffen die Unternehmer, die Politik muss die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Passen die Rahmenbedingungen?</b><BR />Moser: Was die Digitalisierung und die Vereinfachung der Verwaltung anbelangt, da hat die Südtiroler Politik noch eine riesen Menge an Aufgaben zu erledigen. Es ist kaum vorstellbar, welchen Aufwand man für den kleinsten öffentlichen Auftrag in Kauf nehmen muss. Und jeder weiß, dass es deutlich einfacher ginge, auch in der Landesverwaltung. Aber wir haben das Gefühl, dass die Verwaltung nicht bereit ist, dagegen etwas zu tun und mit bestimmten Dogmen zu brechen. In der Südtiroler Verwaltung bedeutet Digitalisierung oftmals nur Papier auf PDF zu bringen und das war’s dann auch schon. Zu den notwendigen Rahmenbedingungen gehören aber auch kollektivverträgliche Anpassungen. <BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="674165_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Konkret?</b><BR />Moser: Wir sind als Unternehmer geknebelt. In Südtirol haben wir kaum Arbeitslosigkeit, die Betriebe suchen in allen Bereichen händeringend nach Mitarbeitern, aber die Kollektivverträge machen es den Arbeitgebern unmöglich, mit den einzelnen Mitarbeitern Individuallösungen zu suchen, um leichter Personal finden zu können. Die Unternehmer müssen mehr Freiheiten haben, als ihnen die Kollektivverträge zugestehen. Ich verstehe, dass es auf italienischer Ebene, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, andere Notwendigkeiten gibt. In Südtirol aber ist die Situation anders, daher braucht es hierzulande arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen und kollektivvertragliche Anpassungen, die auf unser Territorium zugeschnitten sind. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Der hds will eine Akademie für Orts- und Stadtentwicklung gründen. Welchen Zweck verfolgt man damit?</b><BR />Moser: Südtirols Dörfer und Städte leben von ihrer Attraktivität, von der Lebendigkeit und den Frequenzen der Menschen. Sie sind ein großer Vorteil für Südtirol. Wir können uns aber nicht darauf verlassen, dass dies automatisch so bleibt. Wir müssen diese Orte noch mehr beleben und entwickeln. Das kann aber nicht nur von oben herab übergestülpt werden, das muss vor Ort passieren, denn jeder Ort hat sein Alleinstellungsmerkmal. Wir als hds werden dafür sorgen, dass sich politische oder touristische Entscheidungsträger das entsprechende Rüstzeug aneignen, um unsere Orte in die richtige Richtung entwickeln zu können.<BR /><BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-50344701_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Mit besagter Akademie?</b><BR />Moser: Genau. Wir haben 2 konkrete Ziele: Wir fordern, dass in jeder größeren Gemeinde ein politischer Referent für Ortsentwicklung tätig wird und gleichzeitig rufen wir die Akademie für Orts- und Stadtentwicklung ins Leben. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Der hds hat heuer gemeinsam mit dem HGV am 30. April den „Tag der Arbeitgeber“ ins Leben gerufen. Werden die Arbeitgeber Ihrer Meinung nach zu wenig wertgeschätzt?</b><BR />Moser: Ja. Es wird zwar anerkannt, dass die Wirtschaft wichtig ist, aber der Unternehmer wird oftmals abgestempelt als jemand, der viel Geld besitzt und dessen einziges Ziel es ist, noch mehr Geld zu verdienen. Dass jeder Unternehmer aber auch viel Risiko eingeht und gleichzeitig auch Verantwortung für seine Mitarbeiter übernimmt, wird gerne übersehen. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Sind die Südtiroler also unternehmerfeindlich?</b><BR />Moser: Nein, unternehmerfeindlich würde ich nicht sagen, aber oftmals fehlt die Wertschätzung. Eigentlich sollte der „Tag der Arbeit“ am 1. Mai auf die Wichtigkeit der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber hinweisen. Es ist aber so, dass dieser Tag ausschließlich von den Gewerkschaften besetzt und nur auf die Arbeitnehmer hingewiesen wird. Dass der Arbeitgeber aber Voraussetzung dafür ist, dass es Arbeitnehmer gibt, wird gerne vergessen. Für den HGV und uns war dies Anlass genug, auch auf die Wichtigkeit der Arbeitgeber hinzuweisen. Der „Tag der Arbeitgeber“ soll aber keine Gegenveranstaltung zum „Tag der Arbeit“ sein, sondern eine Ergänzung. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Es wird also auch am 30. April 2022 den „Tag der Arbeitgeber“ geben?</b><BR />Moser: Ganz sicher.