<b> Frau Reichhalter, sie stehen seit kurzer Zeit an der Spitze der Junghandwerker. Wo setzen Sie als erstes an?</b><BR />Priska Reichhalter: Zunächst möchte ich betonen, wie dankbar ich für das Vertrauen bin und dass ich mir meiner Verantwortung sehr bewusst bin. Ich freue mich auf die Herausforderung, und wir werden sicher viele Projekte aus der vergangenen Legislatur fortsetzen. Ein wichtiger Punkt ist sicher der Ausbau der Orts- und Bezirksgruppen: In manchen Bezirken sind wir bereits stark vertreten, etwa Bozen Land, in anderen hingegen sind wir noch ausbaufähig, zum Beispiel in Gröden. Auch werden wir einen starken Fokus auf unseren Podcast „Mission Handwerk“ legen und weiter versuchen, interessante Gäste und spannende Diskussionen zu bieten. Ebenfalls wichtig bleibt der Austausch mit den benachbarten jungen Wirtschaftsverbänden im In- und Ausland.<BR /><BR /><b>Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für Junghandwerker?</b><BR />Reichhalter: Die größte Herausforderung ist sicher, alte Klischees im Handwerk aufzubrechen und sowohl das Potenzial dieser Branche als auch deren Stellenwert aufzuzeigen. Leider glauben immer noch viele, dass Frauen in sogenannten „Männerberufen“ nichts verloren haben – und umgekehrt. Weitere Vorurteile sind, dass nur jene, die keine Lust auf Schule haben, ins Handwerk gehen oder man dort nicht viel verdient. Diese Klischees gilt es zu beseitigen. Immerhin brauchen wir nicht nur IT-Techniker, sondern auch gute Handwerker, die im Stande sind, Anlagen, zum Beispiel Fotovoltaikanlagen, zu montieren. Leider haben viele immer noch ein falsches Bild vom Handwerksberuf und glauben, man kommt hinter der Hobelbank nicht raus. Dabei kann man gerade im Handwerk seine eigene Kreativität und sein Können ausleben wie in kaum einem anderen Beruf.<BR /><BR /><b>Wie akut ist der Nachwuchsmangel im Handwerk?</b><BR />Reichhalter: Natürlich leidet das Handwerk gleich wie alle anderen Bereiche darunter, weshalb die Jugendarbeit so wichtig ist. Unter anderem organisieren wir als Junghandwerker Schulbesuche, wo Mittelschüler gemeinsam mit unseren Ortsgruppen Projekte realisieren. Die Schüler können mit den Handwerkern mit anpacken und gleichzeitig verschiedene Berufe kennenlernen. Aber auch hier gibt es noch viel zu tun, vor allem müssen wir verstärkt jene Jugendlichen erreichen, die keine Handwerker im direkten familiären Umfeld haben und folglich nicht viel über diesen Zweig wissen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59939075_quote" /><BR /><BR /><b>Man hört immer wieder, dass der Nachwuchs großen Wert auf flexible Arbeitszeiten und eine gute Work-Life-Balance legt. Wie kann das Handwerk hier entgegenkommen?</b><BR />Reichhalter: Das Handwerk als Branche ist breit gefächert, weshalb es schwierig ist, pauschal für alle Gruppen zu sprechen. Allerdings haben wir gerade in Südtirol viele Vorzeigebetriebe, die bereits flexible Arbeitszeiten oder auch 4-Tage-Wochen anbieten. Sicher gibt es Berufe, in denen man um einen Bereitschaftsdienst nicht herumkommt, etwa bei den Hydraulikern. Aber ich glaube, dass das Südtiroler Handwerk gezielt auf die Jugendlichen eingeht und versucht, ihnen möglichst viele Möglichkeiten zu bieten. <BR /><BR /><b>Was sagen Sie Jugendlichen, die derzeit noch überlegen, eine Karriere im Handwerk zu wählen?</b><BR />Reichhalter: Ich würde ihnen raten, sich konkret Gedanken darüber zu machen, was sie selbst schaffen wollen und können. Im Handwerk kommt neben der körperlichen Arbeit auch die Kopfarbeit nicht zu kurz, man muss ständig neue Lösungen suchen und sich neu einbringen. Aber gerade hier kann man etwas bewirken, die eigenen Ideen und die eigene Kreativität gut ausleben. Auch bleibt das Handwerk nach wie vor ein „goldener Boden“: Handwerker sind immer gefragter, es kommen aber immer weniger Handwerker nach – also kann man hier viel erreichen. <BR /><BR /><b>Wo sehen Sie die Politik gefordert, was müsste für das Junghandwerk getan werden?</b><BR />Reichhalter: Es gibt immer Verbesserungsvorschläge, zum Beispiel verlässliche und sichere Rahmenbedingungen, etwa im Urbanistikgesetz, auch müsste der Bürokratieabbau dringend angegangen werden. Ein großes Thema gerade für uns Junghandwerker sind die Betriebsübergaben, die anstehen: Heute ist es nämlich immer noch vorteilhafter, einen neuen Betrieb zu gründen, als einen bestehenden zu übernehmen, schon allein in Anbetracht der Förderungen. Das muss sich ändern. Aber auch in den Augen der Gesellschaft muss das Handwerk aufgewertet werden. Deshalb bin ich ein großer Fan der World Skills. Ich bin überzeugt davon, dass es für junge Menschen wichtig ist, Vorbilder zu haben. Sie geben einen Motivationsschub, lenken in eine Richtung. Und das funktioniert mit den World Skills sehr gut.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59939079_quote" /><BR /><BR /><b>Als Tischlerin sind sie – klischeehaft ausgedrückt – eine Frau im „Männerberuf“. Was muss getan werden, um mehr Frauen für das Handwerk zu interessieren?</b><BR />Reichhalter: Zunächst ist wichtig zu sagen, dass das Handwerk ja nicht nur „Männerberufe“ wie Tischler oder Schmied bietet, sondern auch „Frauenberufe“ wie Friseurin oder Kosmetikerin – wo es immer noch an Männern fehlt. Egal in welche Richtung: Wir brauchen Vorbilder, die andere überzeugen können, sich zu trauen, den eigenen Weg einzuschlagen. Und zu zeigen, dass vieles anders ist als früher. Gerade das Bauhandwerk wird noch mit harter, körperlicher Arbeit verbunden, was vielleicht viele Frauen abschreckt. Dabei gibt es mittlerweile für sehr viele Arbeiten Hilfsmittel und Gerätschaften, die die körperliche Arbeit abnehmen oder erleichtern. Eine große Baustelle für selbstständige Frauen ist und bleibt aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier wäre dann aber wieder die Politik gefordert.