Auch berichtet der ehemalige Sternekoch, warum das kulinarische Pflaster in Südtirol so viel härter ist als in anderen Gebieten.<BR /><BR /><b>Herr Kofler, das Restaurant „Culinaria“ sollte eigentlich im letzte Woche vorgestellten Gourmetführer „Guida Michelin 2022“ einen Stern erhalten. Warum ist es dann doch nicht dazu gekommen?</b><BR />Manfred Kofler: Im Juni haben wir innerhalb der Familie, das Lokal habe ich mit meinem Bruder und meinen Eltern zusammen geführt, die Entscheidung getroffen, nicht mehr weiterzumachen. Ich habe dann eine E-Mail an den verantwortlichen Kurator der „Guida Michelin“ geschickt, in der ich meine Entscheidung erläuterte. Im August kam dann eine E-Mail zurück, in der ich aufgefordert wurde, die Angaben für den Gourmetführer zu aktualisieren. Das machte mich stutzig, also schrieb ich eine weitere. Diesmal kam sie offenbar an der richtigen Stelle an. Der Herausgeber kontaktierte mich persönlich und teilte mir mit, dass mein Stern bestätigt werden würde, wenn wir das denn wollten. Schließlich sei bereits ein Tester da gewesen. Ich informierte ihn daraufhin noch einmal über die bevorstehende Lokalschließung und meine Beweggründe. Langer Rede kurzer Sinn: Das „Culinaria“ wurde aus dem Gourmetführer entfernt, auch wenn der Herausgeber das nach eigener Aussage sehr bedauerte.<BR /><BR /><b>Bedauern Sie diese Entscheidung denn nicht?</b><BR />Kofler: Es mag für viele unverständlich klingen, aber: Nein, ich bedauere diese Entscheidung in keiner Weise. Weil es eine Entscheidung für die Familie war und nicht gegen die Sternegastronomie. Leid tut es mir nur für die vielen Stammgäste. <BR /><BR /><b>Was waren letztlich die Beweggründe?</b><BR />Kofler: Wirtschaftliche Gründe waren es nicht, unser Lokal war zuletzt über Wochen im Voraus ausgebucht, es war wirklich an einem Höhepunkt angekommen. Aber: Im Jahr 2019 kam mein zweites Kind zur Welt. Aufgrund seiner Beeinträchtigungen, es leidet unter einem schweren Herzfehler und wurde mit dem Down-Syndrom geboren, hat sich das Leben der ganzen Familie verändert. Als dann heuer noch das dritte Kind dazukam und mein Bruder aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten wollte, wurde uns schnell klar, dass das mit der Sternegastronomie, oder sagen wir besser mit der Selbständigkeit in der gehobenen Gastronomie, nicht länger vereinbar war. Es ging einfach nicht mehr. Meine Familie hat für mich die höchste Priorität. Ich weiß, das sagen ganz viele, aber danach handeln tun leider nur sehr wenige. <BR /><BR /><b>Sie betonen den Aspekt der Selbständigkeit in der Gastronomie, warum?</b><BR />Kofler: Es macht einfach einen Unterschied, ob jemand in einem Sternerestaurant kocht und wie in vielen Fällen ein gutgehendes Hotel im Rücken hat, das viel vom Druck – finanziell und personell - wegnimmt; oder ob jemand kocht, das Lokal führt und die volle Verantwortung dafür trägt. Meine Arbeitstage haben um 7 Uhr früh begonnen und vor Mitternacht bin ich selten bei meiner Familie zuhause gewesen – und das 5, manchmal auch 6 Tage in der Woche. <BR /><BR /><b>Verzeiht die Sternegastronomie weniger?</b><BR />Kofler: Ich hatte immer schon hohe Ansprüche an mich selbst und das Lokal, das im Laufe der letzten 13 Jahre nach und nach gewachsen ist. Aber sicherlich ist der Druck von außen mit dem Stern spürbar gestiegen – nicht nur durch die Tester, sondern durch jenen Teil der Gäste, die gezielt wegen der Sternebewertung zu mir gekommen sind. Auf diesem gastronomischen Niveau werden von allen Beteiligten Höchstleistungen gefordert. Doch gibt es Aspekte, die man eben nicht gänzlich beeinflussen kann, zum Beispiel das Personal. Es ist schwer in Südtirols Gastronomie und Hotellerie Arbeitskräfte zu finden, geschweige denn für die Spitzengastronomie – sowohl im Service als auch in der Küche. Mein Küchenteam ist im Laufe der vergangenen Jahre von mir, 2 Köchen plus Lehrling auf mich und einen Lehrling zusammengeschrumpft, weil schlicht kein Personal zu finden war. <BR /><BR /><b>Was haben Sie jungen Köchen mit auf den Weg gegeben, die ebenfalls von einem Stern träumten?</b><BR />Kofler: Ich habe immer gesagt, dass es natürlich großartig ist, einen Stern zu bekommen. Aber um dorthin zu gelangen, müssen unheimlich große Opfer erbracht werden. Das muss jedem klar sein. Abgesehen davon, setze ich mich sehr für einen etwas entspannteren Umgang mit Sternen, Hauben und Co. ein. <BR /><BR /><b>Wie meinen Sie das?</b><BR />Kofler: Schauen Sie, beinahe jeder junge Koch meint, dass er nur dann wirklich kochen kann, wenn er in einem der Gourmetführer ausgezeichnet wird oder eine höhere Bewertung erhält als andere. Tatsache ist, dass es in Südtirol sehr viele gute Köche gibt – ob mit oder ohne Stern. Wichtiger als diese Wettbewerbsdenke und eine Bewertung der eigenen Fähigkeiten nach den Urteilen von Restauranttestern wäre es, sich davon zu lösen. <BR /><BR /><b>Was sicherlich nicht ganz einfach ist in einer Branche, die derart von Bewertungen bestimmt wird.</b><BR />Kofler: Das halte ich für problematisch. Was mir nämlich auch und besonders in Südtirol auffällt, ist der Neid und die Missgunst, die unter vielen Köchen vorherrschen. Das ist eine Folge dieser Fixierung auf Bewertungen. Vielmehr sollte es eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Köchen geben, einen regelmäßigen Austausch, der hilft, die Gastronomie insgesamt weiterzuentwickeln. Ich bin Mitglied der Vereinigung für Jungköche in Europa (JRE), da hilft man sich gegenseitig, teilt Rezepte, gibt Tipps, nur in Südtirol gelingt uns das offenbar nicht. Das finde ich sehr schade. <BR /><BR /><b>Haben Sie mit der Sternekarriere eigentlich definitiv abgeschlossen oder ist eine Rückkehr möglich?</b><BR />Kofler: Ich plane, mich im Frühjahr für eine Stelle als Küchenchef in einem Hotel zu bewerben. Das ist mit den Bedürfnissen meiner Familie sehr viel besser vereinbar. Im Sommer möchte ich dann gemeinsam mit meiner Frau ein Unternehmen gründen, über das wir Private-Dining-Events und Feiern in einem ganz kleinen Rahmen anbieten möchten. Das gibt uns die nötige Planbarkeit und lässt uns die Flexibilität, die wir als Familie brauchen. Was in 5 oder 6 Jahren ist, kann ich jetzt noch nicht sagen. Irgendwann in fernerer Zukunft wird es vielleicht auch wieder ein Restaurant unter meiner Führung geben. Den Druck, unbedingt einen Stern ergattern zu müssen, werde ich aber nicht verspüren, das kann ich jetzt schon sagen. Zudem: Wer weiß, ob das Konzept, das ich mir bis dahin überlegt haben werde, überhaupt mit den Vorgaben der Gourmetführer zusammenpasst. <BR /><BR /><b>Was wird aus dem geschlossenen „Culinaria“?</b><BR />Kofler: Derzeit bauen wir es um, es sollen dort 4 Ferienwohnungen entstehen, die wir an Gäste vermieten möchten. <BR />