Anlässlich der Landesversammlung des Wirtschaftsverbandes für Handwerk und Dienstleister (lvh) an diesem Samstag spricht Direktor Walter Pöhl über Probleme, Lösungsvorschläge und positive Entwicklungen in der Branche.<BR /><BR /><b>Herr Pöhl, die Gemeinderatswahlen stehen vor der Tür. Was ist der größte Wunsch, den Südtirols Handwerker an die Gemeindepolitiker haben?</b><BR />Walter Pöhl: Handwerkspolitik ist tatsächlich vielfach Gemeindepolitik. Denn viele Themen, die das Handwerk betreffen, werden in den Gemeindestuben besprochen und entschieden – zum Beispiel, wenn es um die Gemeindeentwicklungspläne geht. Da ist es uns wichtig, dass berücksichtigt wird, dass auch das Handwerk ein bedeutender Nahversorger ist. Wenn es vor Ort keinen Metzger, Friseur, Elektriker oder Mechaniker mehr gibt, ist das für eine Gemeinde genauso ein Problem, wie wenn es keinen Lebensmittelladen mehr gibt. Ein anderes wichtiges Thema sind die Ausschreibungen.<BR /><BR /><b>Bei den Ausschreibungen geht es darum, dass auch kleine Betriebe eine Chance haben sollen, richtig?<BR /></b>Pöhl: Genau. Dafür sollten die Ausschreibungen nach Gewerken erfolgen und nicht zu groß sein. Denn übersteigt die Ausschreibung den Wert von 150.000 Euro, müssen die Betriebe eine sogenannte SOA-Zertifizierung nachweisen, um teilnehmen zu können. Diese Zertifizierung ist mit erheblichen Kosten verbunden, zumal sie auch periodisch erneuert werden muss. Das ist natürlich eine Zusatzbelastung für die Handwerksbetriebe. Zudem ist es ein wesentlicher Unterschied für unsere Betriebe, ob sie den Auftrag direkt von der Gemeinde erhalten oder als Subunternehmer eines Generalunternehmens.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-69409120_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Achten die Gemeinden zu wenig darauf, die Ausschreibungen so zu gestalten, dass auch kleine Betriebe zum Zug kommen können?<BR /></b>Pöhl: Das hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, die Sensibilität für das Thema ist gestiegen. Zum Teil hängt das auch damit zusammen, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändert haben und Klein- und Mittelbetriebe stärker eingebunden werden müssen. Das größte Problem besteht aber weiterhin im erheblichen bürokratischen Aufwand, selbst für geringe Abschreibungsbeträge.<BR /><BR /><b>Das Thema „Bürokratieabbau“ wird wahrscheinlich auch auf der Wunschliste der Handwerker stehen. Immerhin hat der lvh vor wenigen Monaten eine eigene Broschüre dazu herausgegeben ( <a href="https://www.stol.it/artikel/wirtschaft/handwerkerverband-fordert-einen-buerokratie-check" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">„S+“ hat berichtet</a>)…</b><BR />Pöhl: Ja, die Bürokratie ist ein schwieriges und komplexes Thema – und Lösungen zu finden ist nicht so einfach. Aber wir haben es mit der Broschüre versucht. Darin haben wir Beispiele für Bürokratie gesammelt, die unsere Mitgliedsbetriebe in ihrer täglichen Arbeit als besonders belastend empfinden. Am häufigsten genannt wurde das ständige und wiederholte Eingeben derselben Daten, wenn Unternehmen Anträge bei der öffentlichen Verwaltung stellen. Dabei müsste eigentlich schon seit Jahren das sogenannte Once-only-Prinzip gelten, wonach eine öffentliche Körperschaft Daten und Nachweise nur ein einziges Mal abfragen dürfte – bei allen weiteren Anträgen sollten die Behörden auf die bereits vorhandenen Daten zugreifen. Wenn sich hier auf Landesebene etwas tun würde, wäre das eine spürbare Erleichterung für unsere Betriebe.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1151778_image" /></div> <BR /><BR /><b>Es tut sich also nichts?<BR /></b>Pöhl: Wir haben diese Broschüre den politischen Vertretern übergeben, die uns zugesagt haben, sie an ihre Abteilungen und Ressorts weiterzuleiten und analysieren zu lassen. Und wir haben noch einen weiteren Vorschlag bei den Landespolitikern deponiert…<BR /><BR /><b>Der wäre?<BR /></b>Pöhl: Der sogenannte Praxis-Check – ein interessantes Modell, das wir in Deutschland entdeckt haben. Er sieht vor, dass bestimmte Verordnungen oder Bestimmungen im Vorfeld mit einer Pilotgruppe dahingehend überprüft werden, wie viel finanziellen und verwaltungstechnischen Zusatzaufwand sie verursachen. Auch hier wurde uns zugesagt, dass man diese Idee prüfen wolle.<BR /><BR /><b>Die Landesversammlung steht heuer unter dem Motto „Handwerk macht stolz“. Weshalb hat der lvh dieses Thema gewählt? Fühlt sich das Handwerk zu wenig wertgeschätzt?</b><BR />Pöhl: Es geht tatsächlich um Wertschätzung – vor allem darum, unsere Betriebe daran zu erinnern, welch wichtigen Beitrag sie für Gesellschaft und Wirtschaft leisten. Man kann ruhig stolz darauf sein, ein Handwerker zu sein.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-69409121_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Vor ein paar Jahren wurde noch bemängelt, dass das Handwerk ein Imageproblem hat, dass sich immer weniger junge Menschen für einen Handwerksberuf entscheiden…<BR /></b>Pöhl: Mein Eindruck ist, dass sich das in den vergangenen Jahren geändert hat. Die Wertschätzung der Gesellschaft für praktische Berufe ist gestiegen. Das merken wir bei unseren Berufswettbewerben, Schulbesuchen usw.: Das Handwerk hat an Attraktivität gewonnen. Auch in den Familien findet ein Umdenken statt. Es wird den jungen Menschen zunehmend nahegelegt, einen Lehrberuf zu ergreifen – während ein Handwerksberuf früher oft nur als zweite Wahl galt. Das zeigen auch die Lehrlingszahlen, die leicht im Steigen begriffen sind. <BR />Woran liegt es, dass ein Handwerksberuf wieder gefragter ist?<BR />Ein qualifizierter Handwerker hat heute wieder einen bestimmten Stellenwert im Dorf und in der Gesellschaft. Auch finanziell steht er nicht schlecht da: Ein Geselle oder Meister verdient im Vergleich zu klassischen Büroberufen relativ gut.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1151781_image" /></div> <BR /><BR /><b>Bleiben wir bei jungen Menschen: Ein Betriebspraktikum während der Schulzeit schon mit 14 Jahren zu absolvieren, ist mittlerweile möglich. Der lvh fordert schon länger, dass es auch ein Sommerpraktikum ab 14 geben soll. Wie weit sind Sie damit?<BR /></b>Pöhl: Wir sind dabei, gemeinsam mit dem Land und den Berufsschulen ein entsprechendes Modell auf die Beine zu stellen. Aus rechtlicher und versicherungstechnischer Sicht ist ein Sommerpraktikum ab 14 jedenfalls möglich. Der Knackpunkt ist nun, wie man während der Sommermonate einen schulischen Tutor zur Verfügung stellen kann. Da es sich immer um ein schulisch begleitetes Praktikum handelt, braucht jeder Jugendliche einen Betreuer. Eine Möglichkeit, die wir nun prüfen, ist, ob der Tutor von einer anderen Institution gestellt werden kann. Wir hoffen, dass wir so bald wie möglich eine Lösung finden.<BR /><BR /><b>Schauen wir noch kurz über den Tellerrand hinaus: Seit US-Präsident Donald Trump einen Handelskrieg ausgelöst hat, ist die Wirtschaftswelt auf Nadeln. Wie ist die Stimmung aktuell im Südtiroler Handwerk angesichts dieser Entwicklungen?</b><BR />Pöhl: Die Situation beunruhigt natürlich auch das Handwerk – auch wenn es nicht in erster, sondern eher in zweiter oder dritter Linie betroffen ist. Aber wenn eine drohende Wirtschaftskrise einen Kaskadeneffekt auslöst, wird sich das über kurz oder lang natürlich auch auf das Handwerk auswirken. Das besorgt viele unserer Unternehmen. Momentan ist die Stimmung aber noch gut – ebenso die Auftragslage. Nur im Bereich des privaten Wohnbaus merkt man bereits einen deutlichen Einbruch.