Wir haben mit Alberto Naef, Generaldirektor der Südtiroler Volksbank, über die aktuelle Lage und mögliche Risiken gesprochen. Am Donnerstag fand die Hauptversammlung der Volksbank statt. <BR /><BR /><b>Herr Naef, 2 Jahre Corona hat das Bankensystem in Südtirol erstaunlich gut verdaut. Nun ist bereits die nächste Krise da. Wie besorgt sind Sie?</b><BR />Alberto Naef: Ich kann dazu nur sagen, dass es im Moment keinen Grund für generalisierten Alarmismus gibt. <BR /><BR /><BR /><b>Was führt Sie zu diesem Befund?</b><BR />Naef: In den Pandemiejahren 2020 und 2021 waren es vor allem der Dienstleistungssektor und der Tourismus, die gelitten haben. Die Rohstoff- und Energiekrise belastet hingegen deutlich stärker Teile der Industrie und des Agrarsektors. Gesamtwirtschaftlich gesehen ist dieser Umstand sicherlich positiv, weil nicht eine spezifische Branche die Lasten der Krisen voll zu tragen hat. Stand heute können wir sagen, dass die Lage mit Blick auf unsere Firmenkunden im Großen und Ganzen unter Kontrolle scheint. Die Kreditqualität hat sich bislang nicht verschlechtert und auch weiterhin rechnen wir nicht mit einer dramatischen Verschärfung der Situation in diesem Bereich. <BR /><BR /><BR /><b>Mit Ausfällen in einem größeren Umfang rechnen Sie also nicht?</b><BR />Naef: Nein, die Wirtschaft in Südtirol hat sich bislang sehr robust gezeigt, muss man sagen. Auch der Tourismus, der ja bekanntlich ein Schlüsselsektor ist, ist auf einem guten Weg. Ich denke, dass der Sektor die Wintersaison mit einem Minus von 15 bis 20 Prozent abschließen wird, verglichen mit dem Vorkrisenniveau. Das ist nicht herausragend, aber den Umständen entsprechend doch gut. Die Aussichten für den weiteren Jahresverlauf sind zum heutigen Stand ebenfalls positiv. Wir sehen also eine Erholung in den von der Pandemie besonders getroffenen Bereichen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="753650_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Die dramatisch steigenden Rohstoff- und Energiekosten reißen allerdings, wie Sie sagen, Löcher in anderen Sektoren auf…</b><BR />Naef: Das stimmt schon, aber die allermeisten Betriebe werden diese Preissteigerungen im Rohstoffbereich meistern können. Davon bin ich überzeugt. Es dürfte so sein wie zu Pandemiezeiten: Kaum jemand ging in Konkurs wegen der Folgen von Corona, vielmehr haben sich bestehende Schwächen im Unternehmen zugespitzt und es kam in Einzelfällen zu Insolvenzen. Analog dazu wird kaum ein Betrieb allein wegen aktuell hoher Energie- und Rohstoffpreise scheitern. Kapital wird vernichtet, keine Frage, aber kaum Existenzen. <BR /><BR /><BR /><b>Bereiten Sie sich darauf vor, dass etwa wieder Stundungen in größerem Umfang gewährt werden müssen, um die aktuelle Krise besser zu bewältigen?</b><BR />Naef: Stundungen sind grundsätzlich das beste Instrument, um vorübergehende Engpässe zu überstehen. Allerdings werden wir uns die Situation in den Betrieben anschauen und darauf achten, dass etwaige Liquiditätsprobleme tatsächlich auf die Entwicklungen im Energiebereich zurückzuführen sind und nicht tiefer liegende Defizite ursächlich dafür sind. <BR /><BR /><BR /><b>Die Krisenbewältigung ist die eine Sache, neues Wachstum eine andere. Wie sieht es aktuell mit der Investitionsbereitschaft der Betriebe aus?</b><BR />Naef: Seit Ende letzten Jahres und verstärkt seit Ausbruch des Ukraine-Krieges stellen wir schon eine gewisse Zurückhaltung bei vielen Kunden fest. Allerdings denke ich, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handeln dürfte. In unsicheren und volatilen Zeiten erst einmal abzuwarten, ist ein zutiefst menschliches Verhalten. Allerdings gibt es durchaus mutige Unternehmer, die gerade jetzt investieren. Keine Investitionszurückhaltung sehen wir im Baugewerbe, das besonders seit der Einführung des Superbonus und trotz Rohstoffkrise nach wie vor sehr investitionsfreudig ist.<BR /><BR /><BR /><b>Wie sieht es im Privatkundengeschäft aus? Stellen Sie fest, dass auch mittlere Einkommensschichten nach unten hin abzurutschen drohen? Sprich, häufen sich zum Beispiel Überziehungsanträge, weil die Fixkosten für Strom, Gas usw. nicht mehr bezahlt werden können?</b><BR />Naef: Untere Einkommensschichten leiden darunter, ganz klar. Beim viel zitierten Mittelstand sehen wir dieses Problem aktuell noch nicht. Abstriche müssen sicherlich da und dort gemacht werden, dass Wohnbaudarlehen oder Kredite nicht pünktlich bezahlt werden oder viele Konten ins Minus rutschen, stellen wir derzeit nicht fest. Man darf nicht vergessen, dass die Ersparnisse vieler Menschen in den Pandemiejahren eher zu- als abgenommen haben, weil Konsum nur eingeschränkt möglich war. Ich kann also auch mit Blick auf das Privatkundengeschäft sagen, dass ich derzeit keine außerordentlich hohen Risiken für die Bank erkenne. <BR /><BR /><BR /><b>Die Volksbank hat bekanntlich das vergangene Geschäftsjahr mit einem Gewinn von 70 Millionen Euro beendet. Wie soll es in den nächsten Jahren mit dem Wachstum weitergehen?</b><BR />Naef: Wie in unserem Strategieplan festgelegt, streben wir einen jährlichen Reingewinn im Mehrjahresschnitt von 30 bis 40 Millionen Euro an. Damit wollen wir unseren Aktionären ein hohes Maß an Stabilität für die Zukunft vermitteln. Zugleich wollen wir das Volumen jährlich steigern, wenngleich nicht um jeden Preis. Wir wollen qualitativ wachsen. Zusätzlich ist geplant, 2 bis 3 Filialen pro Jahr neu zu eröffnen. <BR /><BR /><BR /><b>Wie passt der Ausbau des Filialgeschäfts damit zusammen, dass die Kosteneffizienz gesteigert werden sollte?</b><BR />Naef: Wir wollen uns auf unsere Stärken konzentrieren, im Beratungs- und Kommissionsgeschäft noch stärker werden und die Risikokosten weiter nach unten drücken. <BR /><BR /><BR /><b>Können Sie ein Beispiel für die Senkung der Risikokosten nennen?</b><BR />Naef: Wir haben im vergangenen Jahr das Konsumkreditgeschäft digitalisiert und an einen spezialisierten Drittanbieter übertragen. Dabei handelt es sich um Kredite bis maximal 20.000 bis 30.000 Euro. Antrag und Vergabe erfolgt schnell und automatisiert. Wir als Bank greifen auf die Plattform zurück und bieten sie unseren Kunden an, betreiben sie aber nicht selbst. Das finanzielle Risiko liegt beim Drittanbieter, unser „Risiko“ besteht darin, dass wir unser Gesicht herhalten müssen, wenn irgendwas mal nicht reibungslos funktionieren sollte.<BR /><BR /><BR /><b>Kürzlich haben Sie als erste Regionalbank in Europa eine ESG-Evaluierung durchführen lassen. Inwieweit wirkt sich der Nachhaltigkeitskurs der Bank auf die Kunden aus?</b><BR />Naef: Uns geht es ganz allgemein darum, dass wir das Thema ESG ernst nehmen wollen. Es rücken Überlegungen betreffend Umwelt, Soziales und Unternehmensführung in den Vordergrund des Handelns und Denkens. Dazu zählt zum Beispiel, dass wir Kunden künftig keine Finanzprodukte mehr anbieten möchten, die im Verdacht stehen, nur „Greenwashing“ zu betreiben. Unsere Firmenkunden könnten das morgen insofern spüren, als dass Projekte, die nicht nachhaltig sind, es wesentlich schwerer haben werden, von uns finanziert zu werden.