Das Urteil zeigt: Arbeitgeber, die psychisch belastende Zustände einfach hinnehmen, ohne zu handeln, können rechtlich belangt werden. Arbeitnehmer hingegen haben das Recht auf ein gesundes Arbeitsumfeld – auch im psychischen Sinn.<h3> Kein Mobbing, aber trotzdem haftbar</h3>Im konkreten Fall hatte eine Mitarbeiterin einer öffentlichen Einrichtung in Südtirol über längere Zeit unter internen Spannungen und wachsendem Druck gelitten. Obwohl die Führung die angespannte Lage kannte, reagierte sie nicht. Das Gericht sprach der Frau einen Schadenersatz von knapp 13.000 Euro zu – nicht wegen Mobbings, sondern wegen sogenanntem Straining.<BR /><BR />Dabei handelt es sich um eine Form psychischer Belastung, die nicht auf gezielte Schikanen zurückgeht, sondern durch anhaltende Überforderung und fehlendes Eingreifen der Vorgesetzten entsteht. Schon die Duldung eines toxischen Arbeitsklimas kann demnach gegen die Fürsorgepflicht verstoßen – geregelt in Artikel 2087 des italienischen Zivilgesetzbuches, der Arbeitgeber zum Schutz der psychischen und physischen Gesundheit verpflichtet.<h3> „Eine Serie ähnlicher Entscheidungen“</h3>Das Urteil 123/2025 reiht sich laut Arbeitsrechtler Josef Tschöll in eine Serie ähnlicher Entscheidungen der letzten Jahre ein und trägt zur Konsolidierung der Rechtsprechung bei. Auch ohne spezifisches Anti-Mobbing-Gesetz nehmen italienische Gerichte den Schutz der psychischen Gesundheit zunehmend ernst.<BR /><BR />„Ein Wegschauen oder Schweigen ist heute rechtlich riskant“, warnt Tschöll. „Führungskräfte müssen Belastungen im Team ernst nehmen – und frühzeitig handeln. Viele Arbeitgeber und Personalabteilungen haben mittlerweile erkannt, wie wichtig das Thema ist – und räumen der psychischen Gesundheit zu Recht hohe Priorität ein.“<h3> Wer klagt, muss die Belastung belegen</h3>Trotz dieser klaren Linie bleibt die Beweisführung entscheidend: Arbeitnehmer müssen den Zusammenhang zwischen der Arbeitssituation und der psychischen Belastung konkret nachweisen – etwa durch Dokumentation (zum Beispiel E-Mails), Zeugenaussagen oder medizinische Gutachten.<BR /><BR />„Es reicht nicht, sich subjektiv belastet zu fühlen“, erklärt Tschöll. „Die Auswirkungen müssen objektiv nachvollziehbar sein – und klar auf das Arbeitsumfeld zurückzuführen.“