Eine neue Studie gibt Aufschluss, warum viele Südtiroler, die im Ausland studieren und arbeiten, nicht mehr in ihre alte Heimat zurückkehren. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Matzler, wenn Sie die Studie von 2014 mit der aktuellen vergleichen: Was hat Sie am meisten überrascht?</b><BR />Kurt Matzler: Vorweg gesagt: Viele Faktoren sind gleichgeblieben. So verlassen die Südtiroler ihre Heimat vor allem wegen der Anziehungskraft des Auslands, wegen des Studiums, oder der besseren beruflichen Entwicklung. <BR /><BR /><BR /><b>Trifft dies nur auf Südtirol zu, oder ist es nicht überall so, dass es junge Leute nach der Matura ins Ausland zieht?</b><BR />Matzler: Das stimmt zwar, aber zum Teil ist es auch ein spezifisches Südtiroler Phänomen, alleine schon wegen der universitären Möglichkeiten. Die Freie Universität Bozen ist keine Voll-Universität und je nach Studium ist man gezwungen, ins Ausland zu gehen. Interessant ist aber, dass nur die allerwenigsten Personen Südtirol verlassen, weil sie mit den Bedingungen hierzulande unzufrieden sind. Aber: Wenn sie dann einmal im Ausland sind, dort studieren und einen Job gefunden haben, dann nehmen sie die Nachteile Südtirols deutlicher wahr. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-50992744_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>Die da wären?</b><BR />Matzler: Im Jahr 2014 haben 39 Prozent der Befragten angegeben, wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten im Ausland zu arbeiten, in der aktuellen Studie sind es 47 Prozent. <BR /><BR /><BR /><b>Weil der Gehaltsunterschied zwischen Südtirol und dem Ausland vor 7 Jahren noch geringer war, oder weil die Verdienstmöglichkeiten inzwischen einfach wichtiger geworden sind?</b><BR />Matzler: Ich denke, es ist vor allem so, dass die Leute heute viel mehr Möglichkeiten sehen und haben, wenn sie ins Ausland gehen, als dies noch 2014 der Fall gewesen ist. <BR /><BR /><BR /><b>Welche Rolle spielen Karrieremöglichkeiten und Aufstiegschancen?</b><BR />Matzler: Eine sehr große, wie wir in der aktuellen Studie sehen. Die Südtiroler Wirtschaft besteht vorwiegend aus Klein- und Mittelbetrieben, insofern sind die Karrieremöglichkeiten relativ begrenzt. Die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten in großen Konzernen sind deutlich größer. Zudem: Viele Akademiker, die im Ausland eine Karriere starten, würden diesen Job in Südtirol gar nicht finden, da es ihn schlicht und einfach nicht gibt. <BR /><BR /><BR /><b>Sie sind selbst ein Südtiroler im Ausland: Sie sind ein gebürtiger Sterzinger, leben und arbeiten aber in Innsbruck. Haben Sie nie erwägt, wieder in Südtirol zu arbeiten?</b><BR />Matzler: Doch, ich habe zwischenzeitlich auch 3 Jahre an der Universität Bozen gearbeitet, bin dann aber wieder an die Universität Innsbruck zurückgekehrt, da ich hier die besseren Entwicklungsmöglichkeiten habe. Ein weiterer Faktor, der mich in meiner Entscheidung bekräftigt hat, ist die verkehrstechnische Anbindung, also die Erreichbarkeit Südtirols. Dieser Faktor hat auch in der aktuellen Studie den 3. Rang eingenommen. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-50992749_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Wie wichtig war die Erreichbarkeit noch im Jahr 2014?</b><BR />Matzler: Auf die Frage, was sich in Südtirol verbessern sollte, landete die verkehrstechnische Anbindung im Jahr 2014 noch auf Rang 5 und dieses Mal auf Rang 3. Die mangelnde Erreichbarkeit ist also ein Nachteil, der verstärkt wahrgenommen wird. Das hat sicher mit dem Flughafenthema zu tun, aber auch mit dem stärker werdenden Verkehr. Viele Südtiroler, die im Ausland wohnen, fahren hin und wieder an den Wochenenden in ihre alte Heimat und man sieht von Jahr zu Jahr, dass dies aufgrund des zunehmenden Verkehrs immer schwieriger wird. <BR /><BR /><BR /><b>Die Südtiroler im Ausland wünschen sich also eine bessere Flughafenanbindung in Bozen und einen Ausbau des Eisenbahnverkehrs?</b><BR />Matzler: Wir haben in der Studie zwar nicht explizit nach dem Flughafen in Bozen gefragt, es liegt aufgrund der Antworten aber auf der Hand, dass die Anbindung deutlich zu verbessern ist. <BR /><BR /><BR /><b>Mit der Corona-Pandemie hat auch das Smart Working deutlich an Gewicht gewonnen. Wäre das eine Möglichkeit, dass Südtiroler, die im Ausland arbeiten, in ihre Heimat zurückkehren und von hier aus arbeiten könnten?</b><BR />Matzler: Dieses Argument ist in der Studie in der Tat von einem Drittel der Befragten genannt worden. Ich persönlich wäre da eher zurückhaltend. Ich glaube, es sind Einzelfälle, in denen das Smart Working für Südtiroler, die derzeit im Ausland arbeiten, eine Lösung sein kann. 30 Prozent der Südtiroler im Ausland sehen dies aber als Chance. <BR /><BR /><BR /><b>Ihr Fazit: Was muss Südtirol tun, um den Brain-Drain zu verhindern, oder zumindest abzuschwächen?</b><BR />Matzler: Prinzipiell ist es ja gut, wenn Südtiroler ins Ausland gehen, um dort zu studieren und Berufserfahrungen zu sammeln. Sehr viele würden auch gerne wieder in ihre Heimat zurückkehren, nur ist dies aufgrund der genannten Faktoren nicht immer möglich. Daher ist es umso wichtiger, dass der Kontakt nicht abreißt. Hier leistet das Netzwerk Südsterne einen wichtigen Beitrag. Südtirol kann nämlich auch von den Südtirolern, die im Ausland arbeiten, profitieren. <BR /><BR /><BR /><b>Durch einen Wissensaustausch?</b><BR />Matzler: Genau. Das ist eine äußerst wichtige Form der Zusammenarbeit. Die aktuelle Studie hat ergeben, dass 90 Prozent der Befragten einen Beitrag zur Weiterentwicklung Südtirols leisten würden, sei es in Form einer Denkfabrik, in Zukunftsgesprächen, oder anderen Veranstaltungen. <BR /><BR /><BR /><b>Die Bindung der Südtiroler im Ausland mit ihrer Heimat ist also groß?</b><BR />Matzler: Sehr groß, auch wenn eine Rückkehr für viele sehr schwierig ist.