Manfred Pinzger bleibt HGV-Präsident: Das sind seine Ziele, die größten Herausforderungen für den Südtiroler Tourismus und die Forderungen an die Politik. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Pinzger, Sie sind nun für eine dritte Amtsperiode wiedergewählt worden. Glauben Sie, dass es auch die schwierigste wird nach all den Monaten der Pandemie und der Lockdowns?</b><BR />Manfred Pinzger: Wir durchleben nach wie vor extreme Situationen in dieser Pandemie, da das Gastgewerbe aufgrund des zwangsläufigen Personenkontaktes immer wieder im Fokus steht. Kurz- und mittelfristig hat für uns aber nach wie vor höchste Priorität, dass wir weiterarbeiten können im Winter. Langfristig gesehen, stehen natürlich weitere große Herausforderungen an. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Zum Beispiel?</b><BR />Pinzger: Der Fachkräftemangel war schon vor Corona ein großes Thema im Tourismus und ist seit der Pandemie noch viel akuter geworden. Wir müssen es schaffen, wieder mehr Mitarbeiter auszubilden, dafür braucht es einen noch stärkeren Schulterschluss mit unseren Hotelfach- und Berufsschulen. Die jungen Leute müssen die Lehre wieder als interessante Berufswahl wahrnehmen, unsere Berufe müssen wieder attraktiver werden. Eine der Voraussetzungen dafür ist, dass die Pandemie besiegt wird und die, durch die Pandemie verursachten Einschränkungen, in unserem Sektor aufgehoben werden. Unsere Mitarbeiter wollen nämlich auch ein gesichertes Einkommen. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>In den 1990er-Jahren hat der HGV eine großangelegte Kampagne mit dem Slogan „Gastgewerbe: Berufe mit Zukunft“ lanciert. Empfindet die Jugend diese Berufe heute nicht mehr als Berufe mit Zukunft, oder warum gibt es einen so hohen Fachkräftemangel?</b><BR />Pinzger: Wir müssen neue Arbeitskonzepte erarbeiten. Das bedeutet, dass mittelfristig eine 5-Tage-Arbeitswoche angepeilt werden muss, obwohl das automatisch heißt, dass wir noch mehr Mitarbeiter brauchen werden. Aber eine geregelte Freizeit wird für unsere Mitarbeiter immer wichtiger. Gleichzeitig müssen wir uns am Modell Schweiz orientieren.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Das bedeutet?</b><BR />Pinzger: Die Hotelfachschulen in der Schweiz sind viel stärker unternehmerisch orientiert und ausgerichtet, als das bei uns der Fall ist. Zum Teil werden diese Schulen dort auch von den Verbänden geführt. Bei uns sind die Schulen zwar öffentlich, aber nichtsdestotrotz muss der unternehmerische Aspekt im schulischen Alltag stärker zum Tragen kommen. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Wir haben 21 Monate Pandemie hinter uns und so wie es ausschaut, noch einige Monate vor uns. Sie werden sicherlich auch von einigen Mitgliedern stark unter Druck gesetzt worden sein, sich noch mehr einzusetzen, lauter zu sein, mehr von der Politik zu fordern. Ganz ehrlich: Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, es nach dieser Amtsperiode gut sein zu lassen und nicht noch einmal zu kandidieren?</b><BR />Pinzger: Eigentlich nicht. Es ist natürlich eine extrem schwierige Zeit, aber eine schwierige Zeit für alle, vor allem für unsere Mitgliedsbetriebe. Was den Verband betrifft, so könnte ich als Präsident alleine diese Zeit nicht bewältigen. Aber wir haben eine gut funktionierende Struktur in Bozen, wir sind über Helmut Tauber gut mit der Landespolitik vernetzt und über Hansi Pichler in die IDM. Wäre ich alleine auf weiter Flur, dann wäre diese Zeit zu heftig, das würde nicht funktionieren. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Eine große, wenn nicht die größte Herausforderung der Zukunft, ist der Klimawandel. Was tut der Tourismus, um nachhaltiger zu werden?</b><BR />Pinzger: Der HGV gehört als Verband seit dem Jahr 2017 dem Klimaneutralitätsbündnis an. Das soll auch eine Signalwirkung an unsere Betriebe haben. Derzeit sind wir dabei, unseren Mitgliedsbetrieben diesbezüglich eine entsprechende Unterstützung und Beratung zu gewährleisten. Gleichzeitig haben wir in den vergangenen Jahren mehrere Initiativen gestartet, um die Gäste dahingehend zu bewegen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen, wenn sie zu uns kommen. Auch im Land selbst wollen wir die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs forcieren, sowie die Stärkung der regionalen Kreisläufe fördern. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Im Sommer hat der Tourismus in Südtirol nach der ausgefallenen Wintersaison wieder stark angezogen. Gleichzeitig ist auch die Kritik bezüglich Overtourism laut geworden: Muss sich der Tourismus in Südtirol ändern?</b><BR />Pinzger: Als ich im Jahr 2013 zum ersten Mal zum HGV-Präsidenten gewählt worden bin, habe ich in einem Interview gesagt: „Es muss nicht immer mehr sein.“ Dazu stehe ich nach wie vor. Wir müssen, was unsere Natur und unsere Kulturlandschaft anbelangt, behutsam vorgehen. Wir müssen nicht immer mehr und immer größer bauen. Vielmehr müssen wir für unsere Dienstleistungen gerechtere Preise verlangen. Aber eines ist schon auch zu sagen: Eine Kollektivschuld am Verkehrsaufkommen und am Bauaufkommen in Südtirol dem Tourismus in die Schuhe zu schieben, das ist nicht nur unfair, sondern entspricht schlichtweg auch nicht der Realität. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Wenn wir in die unmittelbare Zukunft schauen: Die Infektionszahlen schnellen wieder in die Höhe, die Belastung in den Krankenhäusern steigt, glauben Sie wirklich, dass es eine Wintersaison geben wird?</b><BR />Pinzger: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es eine Wintersaison geben muss, natürlich mit den entsprechend strengen Auflagen. Sollte dies nicht funktionieren, dann muss man eben differenzieren zwischen den Geimpften und den Ungeimpften und den Geimpften eine Wintersaison gewähren. Aber alles wieder zusperren, das kommt gar nicht in Frage, das wäre den Geimpften, die alles dafür getan haben, dass man wieder zur Normalität zurückkehren kann, nicht mehr vermittelbar. Gleichzeitig muss ich in Richtung Politik sagen, in einer solchen Zeit der Unsicherheit, die Steuern zu erhöhen (IRAP, Anm. d. Red.), ist nicht nur ein falsches Signal, sondern die völlig falsche Zeit. Wennschon, müsste man die Betriebe jetzt entlasten und nicht noch zusätzlich belasten. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />