s+ hat darüber mit Christoph Engl, Geschäftsführer der Bozner Oberalp-Gruppe, gesprochen. <BR /><BR /><b>Herr Engl, jüngst hat die Oberalp-Gruppe zu einem Branchentreff geladen, bei dem die Frage gestellt wurde: Made in Asia or Made in Europe? Ist das eine Frage, die europäischen Sportartikelhersteller tatsächlich beschäftigt? </b><BR />Christoph Engl: In der Textilbranche ist dieses Thema alles andere als neu. Da gehört es zum täglichen Geschäft zu schauen, wo man produzieren kann und soll, wo freie Kapazitäten sind, wo die Zollbestimmungen geändert wurden usw. Nur in der öffentlichen Diskussion hat das Thema aufgrund aktueller Anlässe nun mehr Sichtbarkeit erlangt, vor allem weil nicht nur mehr die Textilbranche davon betroffen ist. Die Corona-Pandemie und danach der Ukraine-Krieg haben uns allen gezeigt, wie groß die Abhängigkeiten Europas von anderen Ländern sind. Fragen wie „Wer stellt die medizinische Schutzausrüstung her?“ und „Wo wird unser Erdgas produziert“ wurden Teil der öffentlichen Diskussion. <BR /><BR /><b>Und oft wurde die Forderung laut, wieder viel mehr in Europa zu produzieren…</b><BR />Engl: … oder europäische Lieferanten asiatischen vorzuziehen. Made in Europe gilt gerne als das neue Qualitätssiegel und Made in Asia ist das Zeichen für unbeliebte ökonomische Abhängigkeit und Billigproduktion. Dieses Thema muss man aber differenzierter angehen. Die Frage ist: Was geht überhaupt und was nicht?<BR /><BR /><b>Und Ihre Antwort?</b><BR />Engl: Was oft passiert, aber grundsätzlich schon mal nicht richtig ist, ist die gesamte asiatische Produktion pauschal als minderwertig abzutun. Denn das Gegenteil ist der Fall. Machen wir uns nichts vor: In vielen europäischen Ländern sind Fertigkeiten der Produktion in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen, gerade was die Nähkompetenz, die Stoffverarbeitungs-Kultur, die Produktionsketten für Schneiderei usw. angeht. Wo in Europa gibt es zudem genügend Arbeitskräfte für die Endfertigung? Es kann kein Dogma sein, dass Europa immer ein besserer Produktionsstandort ist als andere Länder auf dieser Welt.<BR /><BR /><b>Deshalb produziert auch Oberalp großteils in Asien…</b><BR />Engl: In der Oberalp-Gruppe werden 41 Prozent unserer Waren für unsere 6 Bergsportmarken in Europa produziert, 58 Prozent in Asien und ein Prozent in Afrika und dem Nahen Osten. Für uns ist klar: Wenn es einen guten Grund gibt, die Produktion in Europa zu halten, dann machen wir das. Das ist zum Beispiel bei der Skifellproduktion von Pomoca der Fall, die in Deutschland, Italien und der Schweiz stattfindet – und das wird auch so bleiben, weil Asien bei diesem Produkt keine Kompetenz hat. Doch in vielen anderen Fällen kann man sich als Unternehmen gar nicht für Europa entscheiden. Dazu kommt, dass in der Wahl des Produktionsstandortes auch andere Aspekte zählen, wie Sicherheit und Geschwindigkeit der Logistik, Materialverfügbarkeit am Produktionsstandort, die Nähe zum Einsatzort der Produkte usw. <BR /><BR /><b>Dass in Asien Arbeitskräfte wesentlich günstiger sind, spielt aber wohl auch eine Rolle, oder?</b><BR />Engl: Ja, aber nicht mehr eine entscheidende. Sicher kann man in Asien billiger produzieren, auch wenn die aufwändigen und kostenintensiven Transportwege diesen Vorteil zunehmend kleiner werden lassen. Viel wesentlicher ist aber, dass wir als Oberalp-Gruppe dort produzieren wollen, wo es dafür eine bewiesene Kompetenz gibt und eine Produktionskultur. <BR /><BR /><b>Das heißt also, wenn man als Textilproduzent die Qualität halten will, sollte man die Produktion nicht nach Europa verlegen?</b><BR />Engl: Ja. Anzunehmen, alles wäre qualitativ hochwertig, weil es in Europa produziert wurde, ist falsch. Dazu kommt noch ein anderer Aspekt, der in der Diskussion häufig zu kurz kommt.<BR /><BR /><b>Welcher?</b><BR />Engl: Der ethische Aspekt. Denn jede Produktion, die man nach Europa verlegen würde, würde einen hohen Automatisierungsgrad nach sich ziehen. Weil Arbeit so sehr besteuert wird, müssen in Europa Maschinen die Arbeit von Menschen ersetzen, damit die höheren Lohnkosten damit kompensiert werden können. Gleichzeitig würde man den Menschen in Asien oder Afrika Einkommensmöglichkeiten entziehen. Wenn diese Einkommensmöglichkeiten weniger werden, führt dies zu einem erhöhten Risiko der Wirtschaftsflucht und Migration. Wir als Oberalp wollen daher dort produzieren, wo wir mit unseren Aufträgen Menschen gut beschäftigen können und nicht mit Maschinen Kosten sparen müssen. Nur dort, wo es sinnvoller ist, setzen wir auf Automatisierung. Zudem achten wir darauf, dass unsere Produzenten und Lieferanten ihre Mitarbeiter angemessen bezahlen und behandeln. Unsere Bergsportmarken tragen zum Beispiel als einzige in Italien den Leader-Status der Fair-Wear-Foundation <i>(eine private, unabhängige Stiftung, die Unternehmen der Textilindustrie prüft, um die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken zu verbessern, Anm.d.Red.)</i><BR /><BR /><b>Stichwort faire Bezahlung der Mitarbeiter in den Billiglohnländern: Als Konsument hat man ja kaum eine Chance, zu verstehen, welcher Hersteller darauf Wert legt und wer nicht…</b><BR />Engl: Das würde ich nicht sagen. Der Konsument könnte schon auch neugierig sein und sich darüber informieren, wie die Produkte hergestellt werden. Das ist vielleicht aufwendig, aber nicht unmöglich, zumal es ja auch entsprechende Labels Aufschluss darüber geben. Den Konsumenten kann man also nicht ganz freisprechen, denn es muss ihm schon klar sein, dass für die Näherin in Asien nicht mehr viel herausschauen kann, wenn das T-Shirt in der Billigkette in Europa 3 Euro kostet.<BR />