Die Hoffnung, dass nach dem ersten Lockdown im Frühling Corona langsam Abschied nehmen würde, war wohl zu groß. Nun sitzen Konsumenten auf ihren Saisonkarten, Tickets und Kursgebühren, die sie im Herbst voller Optimismus erworben haben – und es geht nichts. Was tun? Abwarten, Geld zurückfordern, sich mit einem Gutschein zufriedengeben? Gunde Bauhofer, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), klärt auf. <BR /><BR /><BR /><i>Von Edith Runer</i><BR /><BR /><BR /><b>Im vergangenen Jahr hat der Gesetzgeber mit der sogenannten Neustart-Verordnung („Decreto rilancio“) unter anderem die Konsumentenrechte bei entgangenen Leistungen geregelt. Gelten sie weiterhin?</b><BR />Gunde Bauhofer: Nein, für die Verträge, die im Herbst abgeschlossen wurden, ist alles wieder auf null gestellt. Das heißt, es gelten die Vertragsbedingungen, also das, was ich unterschrieben habe. Einige Anbieter haben im Zuge der Coronakrise reagiert und die Bedingungen entsprechend geändert. Da heißt es umso mehr, Acht geben, was man unterschreibt.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Kann es also sein, dass jemand beim Abo-Kauf – etwa im Hallenschwimmbad oder im Fitnessstudio – schon gedankenlos unterschrieben hat, kein Anrecht auf Rückerstattung geltend zu machen, wenn der Betrieb coronabedingt geschlossen werden muss?</b><BR />Bauhofer: Nein, das geht nicht. Die Konsumenten genießen hier als schwächerer Vertragspartner einen gewissen Schutz. Die Klauseln im Vertrag dürfen seine grundsätzlichen Rechte nicht beschneiden. Wenn also eine Leistung nicht erbracht werden kann, gilt das Recht auf Rückerstattung. Das ist auch im Zivilgesetzbuch so geregelt.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Heißt das wiederum, dass das Geld für die Saisonkarte in jedem Fall zurückverlangt werden kann?</b><BR />Bauhofer: Genau hier wird es kompliziert. Der Gesetzgeber hat beim ersten Lockdown erkannt, dass es für die Betriebe eine direkte Rückzahlung vielfach nicht möglich ist. Deshalb wurde ihnen 2020 mit dem „Decreto rilancio“ das Recht eingeräumt, alternativ einen Gutschein für die entgangene Leistung anzubieten. Für neue Verträge, die im Herbst abgeschlossen wurden, gilt das nicht mehr. Die Situation ist aber dieselbe wie im Frühling: Weder die Anbieter noch die Konsumenten tragen Schuld daran, dass Verträge im Moment nicht eingehalten werden. Deshalb plädiere ich hier für die pragmatische Lösung. Sprich: Wenn es möglich ist, den Kurs oder das Fitnessstudio auch später noch zu besuchen, wäre ein Gutschein eine akzeptable Lösung. Ist das aber nicht der Fall, weil man beispielsweise umzieht oder später tatsächlich keine Zeit mehr für den Kurs hat, sollte man sich mit dem Anbieter auf eine Rückerstattung einigen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="610721_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Ein anderes Beispiel: Ein Sprachkurs kann coronabedingt nicht in Präsenz stattfinden und wird daher online angeboten. Kann ich in diesem Fall vom Vertrag zurücktreten und mein Geld zurückverlangen?</b><BR />Bauhofer: Auch das ist eine völlig neue Situation, weil es bisher schlichtweg nie notwendig war, einen Kurs ins Internet zu verlegen. Deshalb gilt auch hier mein Rat zu Pragmatismus. Wer die Möglichkeit hat, daheim online mitzuarbeiten, sollte diese auch nutzen. Wer zum Beispiel über keinen Internetanschluss verfügt, dem sollte der Anbieter entgegenkommen. Schwierig wird es, wenn zum Beispiel ein teurer berufsbildender Kurs mit praktischen Übungen plötzlich online stattfinden soll. Da sollten Verbraucher schon abwägen, ob sie sich darauf einlassen. Gegebenenfalls kann hier auch Rat beim Verbraucherschutz eingeholt werden.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Viele Verbraucher haben schon im vergangenen Jahr Konzertkarten erworben. Die Konzerte werden immer wieder verschoben. Was tun?</b><BR />Bauhofer: Generell gilt, dass der Konzertveranstalter das Geld entweder rückerstatten oder einen Gutschein für das gebuchte Konzert ausstellen kann, das dann zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden soll. Findet es nicht innerhalb von 18 Monaten statt, kann man verlangen, dass der Betrag des Tickets rückerstattet wird. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Was ist, wenn Anbieter und Kunde keine einvernehmliche Lösung finden?</b><BR />Bauhofer: Ich will jetzt niemandem raten, vor Gericht zu ziehen, weil sich das bei verhältnismäßig kleinen Geldbeträgen einfach nicht auszahlt. Andererseits kann es nicht sein, dass der Konsument immer den Kürzeren zieht, nur weil er in einer schwächeren Position ist. Es gibt tatsächlich schwierige Fälle, und einige davon liegen auch auf den Schreibtischen in der Verbraucherzentrale. Aber man muss genau abwägen, mit welchen man vor Gericht zieht. Denn das eine ist das Gesetz, das die Rückerstattung der Kosten von unverschuldet nicht genossenen Leistungen vorsieht. Das andere ist, was die Justiz angesichts der völlig neuen Ausgangssituation aus diesem Gesetz macht. Bei allem Verständnis für die krisengeschüttelten Unternehmen hoffe ich doch, dass das Problem nicht gänzlich auf die Konsumenten abgewälzt wird. Wir sitzen schließlich alle im selben Boot und müssen schauen, gemeinsam einigermaßen heil ans Ufer zu kommen.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Ist ein weiteres „Decreto rilancio“ in Aussicht, das solche Fälle genau regelt?</b><BR />Bauhofer: Bisher haben wir nichts von einer neuen Verordnung gehört. Es sieht so aus, als warte der Gesetzgeber ab, bis sich das Problem irgendwann von selbst löst. Allerdings dürften demnächst einige Gerichtsurteile fallen.<BR />