Elektroauto-Guru Elon Musk kommt beim Stichwort „Wasserstoff“ schon mal ins Lachen, der Hersteller Mercedes nimmt sein H2-Auto wieder vom Markt, ein deutscher Großinvestor würde keinen Cent in diese Technologie investieren: Setzt Südtirol mit Wasserstoff auf das falsche „Pferd“ für die Mobilität der Zukunft? <BR /><BR /><BR /><b>Im Moment deutet vieles darauf hin, dass elektrische Autos mit Vorsprung unterwegs sind und der Wasserstoff-Antrieb abgehängt wird. Täuscht dieser Eindruck?</b><BR />Walter Huber: Hier muss sehr deutlich unterschieden werden, wofür der Wasserstoff bevorzugt eingesetzt wird. H2 eignet sich für lange Strecken und vor allem für schwere Fahrzeuge wie Lkw, Busse und andere Schwerfahrzeuge, Pkw sind in der öffentlichen Wahrnehmung etwas zurückgefallen.<BR /><BR /><b>Was wird aus dem Wasserstoff-Plan* des Landes, der ja erst ein Jahr alt ist?</b><BR />Huber: Der Plan wird Schritt für Schritt realisiert, wie vorgesehen, auch er konnte während der Covid-Zeit nur schwieriger weiter behandelt werden, nimmt aber jetzt wieder Fahrt auf.<BR /><BR /><b>Muss dieser Plan überarbeitet werden?</b><BR />Huber: Der Plan wird jedes Jahr überarbeitet werden, denn jede neue Technologie entwickelt sich immer weiter, besonders dann, wenn sie in die Praxis umgesetzt wird. Beim Wasserstoff ist dies genau so, deshalb muss der Plan immer wieder neu justiert werden und die neu entwickelten Techniken zu berücksichtigen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-50366800_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Was sind die nächsten Schritte des Südtiroler Projekts?</b><BR />Huber: Es geht um mehrere Schritte, die aufeinander abgestimmt werden: Schwerverkehr vor allem entlang der Autobahn im internationalen Fernverkehr, aber auch die Lkw in der Warenauslieferung innerhalb der Provinz. Ein anderer Anwenderzweig sind die Busse, vor allem jene in der Peripherie und über die Berggebiete. Dazu braucht es auch die entsprechenden Versorgungsstellen mit Wasserstoff, sowohl an strategischen Orten wie auch in der erforderlichen Menge. Es geht hier immer um grünen Wasserstoff aus heimischen erneuerbaren Energiequellen.<BR /><BR /><b>Der deutsche Großinvestor Frank Thelen sprach kürzlich den Hauptkritikpunkt an: Es werde zu viel Energie verbraucht, um Wasserstoff herzustellen, „die Effizienz ist zu niedrig“. Was sagen Sie dazu?</b><BR />Huber: Wer nur auf den reinen technischen Wirkungsgrad schaut, der hat nur einen kleinen Bereich im Blickfeld und nicht einmal den wichtigsten. Niemand spricht zum Beispiel vom Wirkungsgrad einer Fotovoltaik, der um ein Vielfaches schlechter ist als bei Wasserstoff, dennoch ist Fotovoltaik ein Baustein in der Energiewirtschaft, der erst mit der Speichermöglichkeit des Stromes in Form von Wasserstoff effizienter wird. Die Speicherfähigkeit des Wasserstoffs, der den Strom im Sommer für den Winter zwischenspeichern kann, um dann wieder zu Strom zu werden, und zwar in großen Mengen, das kann derzeit keine andere Technologie. Wenn wir bedenken, dass wir in Südtirol im Jahresmittel zwar doppelt so viel Strom aus Wasserkraft produzieren als wir selber verbrauchen, im Winter aber bis zu 40 Prozent dazukaufen müssen – aus den unterschiedlichsten Stromquellen wie Kohle, Erdgas und Atomkraft hergestellt – dann können wir die Wichtigkeit der Speicherung erst richtig erahnen. <BR /><BR /><b>Ihre Prognose: Welche Rolle wird Wasserstoff in Südtirol in 5 Jahren spielen?</b><BR />Huber: Derzeit bewegen sich alle Bereiche der Wasserstofftechnologie vorwärts und mit entsprechender Anstrengungen machen wir mit. Wer davon profitieren wird, ist die heimische Wirtschaft, denn alle benötigten Rohstoffe sind in Südtirol erhältlich, alle Wasserstoffkomponenten sind wieder vollständig wiederverwertbar, das ist bei anderen Technologien absolut nicht der Fall. Der Kampf gegen den Klimawandel ist ohne Wasserstoff nicht machbar.<BR /><BR /><b>Konkret: Was wird in 5 Jahren sein?</b><BR />Huber: In den nächsten 5 Jahren wird der Wasserstoff bereits zu einer Selbstverständlichkeit im Verkehrssektor und in der Stromwirtschaft werden. Die Landesregierung setzt die entsprechenden konkreten Schritte, vor allem in die Infrastruktur und die strategischen Entscheidungen. Wir werden Lkw, Busse usw. in 5 Jahren schon als Selbstverständlichkeit wahrnehmen, die heimische Wirtschaft wird davon profitieren, die emissionsfreien Fahrten im Land und auch im Transit werden Wirkungen zeigen. Die Technik ist reif für die Anwendungen, sie wird immer wieder Neuerungen erfahren, wie jede andere Technologie auch. Konkrete Zahlen zu nennen, ist schwierig, denn dies hängt nicht nur von uns in Südtirol ab, aber wir sind bereit, unseren Beitrag umzusetzen. <BR /><BR /><BR />* HINTERGRUND<BR /><BR />Der „ <a href="https://www.stol.it/artikel/politik/masterplan-wasserstoff-mobilitaet-und-energie-nachhaltig-entwickeln" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Wasserstoff Masterplan</a>“ des Landes wurde am 12. Mai 2020 von der Landesregierung genehmigt. Hinter dem Projekt stehen das H2-Team mit dem Mobilitätsressort, das Umweltressort, das Wasserstoffzentrum IIT, die Brennerautobahngesellschaft A22, die Energiegesellschaft Alperia und die Europäische Akademie Eurac.<BR /><BR />Geplant sind unter anderem der Ausbau der Busflotte mit Wassertoff und der Umbau des Brennerkorridors zu einem „green corridor“, also einem umweltfreundlichen Verkehrsweg mit Wasserstofftankstellen entlang der gesamten Strecke. Der Wasserstoff soll ausschließlich aus nachhaltigem Strom aus Südtirol hergestellt werden. Eine gemeinsame Wasserstoff-Strategie ist auch für die Europaregion geplant. <BR /><BR />Umgesetzt werden soll der „Masterplan Wasserstoff“ schrittweise über die nächsten 10 bis 15 Jahre. Das finanzielle Volumen wurde mit rund 2 Milliarden Euro beziffert. Die Gelder kommen allerdings nicht ausschließlich als zusätzliche Mittel aus dem Landeshaushalt, sondern werden ergänzt durch die Einsparungen beim Kauf fossiler Brennerstoffe, EU-Kofinanzierungen sowie Investitionen von Seiten der Partnerorganisationen.<BR />