Strom und Gas, der Wocheneinkauf, viele Konsumgüter ... Alles kostet derzeit mehr. Und jetzt auch das noch: Während die Preissteigerungen an den Energiemärkten und die Inflation bereits in den vergangenen Monaten bei Herrn und Frau Südtiroler angekommen sind, droht vielen schon bald von einer weiteren Front Ungemach – der „Darlehens-Front“.<BR /><BR />Denn die Konsequenzen der schrittweisen Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) werden bei Darlehen mit variablem Zinssatz in vielen Fällen erst zeitversetzt spürbar. Dann aber mit voller Wucht. „Viele Kunden werden im Jänner mit „offenen Flügeln„ in die Filialen kommen“, heißt es aus Kreditabteilungen in heimischen Banken. Warum aber erst im Jänner? Dazu später.<h3> Harte Zeiten für Darlehensnehmer mit variablem Zinssatz</h3>Vorab gilt es zu differenzieren: Es gibt verschiedene Darlehensformen. Wer einen fixen Zinssatz hat, kann sich in der aktuellen Situation glücklich schätzen. Der Zinssatz bleibt, wie das Wort schon sagt, „fix“ und unberührt von den derzeitigen Leitzinserhöhungen.<BR /><BR />Massiv betroffen davon sind jedoch alle anderen Darlehensnehmer: In erster Linie jene mit einem variablen Zinssatz (gebunden an den „Euribor 3 Monate“ oder den „Euribor 6 Monate“), aber auch jene mit einem variablen Zinssatz mit Obergrenze (der Zinssatz steigt dann eben bis zu dieser Grenze) bis hin zu jenen mit einer sogenannten „konstanten Variante“ (Rate bleibt zwar fix, die Laufzeit verlängert sich nun aber enorm).<h3> Rechnung komplex, Konsequenz simpel: „Mega-Raten“</h3>Bei jenen Darlehensnehmern mit variablem Zinssatz, der an den „Euribor 3 Monate“ oder den „Euribor 6 Monate“ gebunden ist (und das sind in Südtirol Abertausende), gibt es zahlreiche Faktoren, welche die gesamte Zinssumme bzw. die monatliche Rate beeinflussen: Gesamt- bzw. Restsumme des Darlehens, (Rest)Laufzeit, Beleihungsgrad der Immobilie, Spread (Kreditaufschlag) ... und eben der „Euribor 3 Monate“ oder „Euribor 6 Monate“<BR /><BR />Dieser letzte Kennwert ist in den vergangenen Monaten aufgrund der Leitzinserhöhungen enorm gestiegen. War der „Euribor 3 Monate“ am 1. Juli sogar noch negativ (-0,176 Prozent), ist er nun auf +1,737 Prozent (1. November) gestiegen. Der „Euribor 6 Monate“ lag am 1. Juli noch bei +0,238 Prozent, nun ist er auf +2,168 Prozent (1. November) geklettert. Will heißen: Beide Euribor-Varianten haben um ca. zwei Prozent zugelegt. Bei den meisten Darlehen mit variablem Zinssatz erfolgt die Anpassung des Zinssatzes (Euribor + Aufrundung + Spread) laut Vertrag halbjährig. Eine erste Anpassung wurde also mit 1. Juli vorgenommen, die nächste erfolgt mit 1. Jänner 2023. Während im Juli keine oder nur eine minimale Steigerung zu verzeichnen war, wird das im Jänner anders sein.<BR /><BR />Für ein (Rest-)Darlehen in der Höhe von 100.000 Euro wird die monatliche Rate unter diesen Voraussetzungen (ca. plus zwei Prozent) ab 1. Jänner 2023 also um etwa 100 Euro steigen. Bei einem (Rest-)Darlehen von 200.000 Euro können es 200 Euro und bei 250.000 Euro bis zu 300 Euro werden.<h3> Bauhofer und Mair am Tinkhof: Erhebliche Zusatzbelastung</h3>„Das ist ein wahnsinniger Unterschied zwischen Juli und jetzt“, beschreibt die Zinsentwicklung Gunde Bauhofer, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS). Darlehensnehmer mit variablem Zinssatz müssten sich also entsprechend darauf vorbereiten, was im Jänner auf sie zukomme. Das werde sicher manche Familie an ihr Limit bringen oder zumindest die Skisaison bzw. den nächsten Sommerurlaub in Frage stellen. Bauhofer empfiehlt hier einmal mehr, „den Haushalt zu führen wie ein kleines Unternehmen, also die Zahlungsströme im Auge zu behalten. Denn wenn ich weiß, was auf mich zukommt, dann kann ich es besser managen.“<BR /><BR />Ähnlich wie die VZS-Geschäftsführerin urteilt Andreas Mair am Tinkhof vom Raiffeisenverband: „Das wird natürlich eine erhebliche Belastung werden für viele Familien.“ Mair am Tinkhof betont allerdings auch, „dass der Markt der Wohnbaudarlehen enorme Kräfte freisetzt – eigene Kräfte und jene der Familie.“ Will heißen: Das Eigenheim habe hierzulande einen derart hohen Stellenwert, dass dafür alles in die Waagschale geworfen werde bzw. „eben in anderen Bereichen gespart wird.“ So habe es in Südtirol auch in vergangenen Hochzinsphasen nur relativ wenige Kreditausfälle gegeben.<h3> Was also tun? Einen einfachen Ausweg gibt es leider nicht</h3>Betroffenen rät Bauhofer dazu, „die Zinsklausel genau zu kontrollieren, also zu schauen, was wann wie angepasst wird.“ Für eine exakte Berechnung der neuen Rate ab Jänner können sich Betroffene zudem an ihre Bank oder die Verbraucherzentrale wenden. Gute Berechnungstools gibt es laut VZS unter www.zinsen-berechnen.de.<BR />Was kann man aber sonst konkret tun? Wenig, denn der Wechsel in einen fixen Zinssatz bedeutet unter den aktuellen Voraussetzungen eine noch höhere Monatsrate. Der Bank-Wechsel („surroga dell'ipoteca“) oder die Neuverhandlung des Darlehens dürften derzeit auch schwierig bis unmöglich sein. Ein anderer Weg, um die Zinssätze zu senken, wäre freilich die Laufzeitverkürzung durch eine Kapitaleinzahlung. Dazu braucht es aber zusätzliches Geld und die Bereitschaft der Bank, auf eine Laufzeitverkürzung einzugehen (oft vertraglich ausgeschlossen).<h3> Trostpflaster: Jahrelang von Niedrigzinsphase profitiert</h3>Ansonsten gilt: Ruhe bewahren, auch wenn es in dieser Situation schwierig ist. Andreas Mair am Tinkhof spricht von „Denken in langen Zeiträumen“. Bei variablen Zinssätzen zeige die Erfahrung aus der Vergangenheit: „Es gibt eben Wellen, die vorteilhaft sind und Wellen, in denen man Bauchweh hat.“ Nun komme eben eine Welle mit Bauchweh, die alles andere als angenehm sei.<BR /><BR />Darlehensnehmer mit variablem Zinssatz haben außerdem in den vergangenen zehn Jahren von einer historischen Niedrigzinsphase profitiert. Ob die Wahl des variablen Zinssatzes insgesamt also ein Nachteil oder doch ein Vorteil war bzw. ist, lässt sich erst nach der gesamten Laufzeit beurteilen. Die Hoffnung auf ein baldiges Sinken der Leitzinsen im Jahr 2023 oder 2024 stirbt jedenfalls zuletzt.<BR />