Alle 7 bis 10 Jahre – so sagt Jens-Uwe Meyer selbst – braucht er eine Veränderung, eine neue Herausforderung. Kein Wunder also, dass sich der Sachbuchautor immer wieder neu erfunden hat – vom Polizeikommissar zum US-Korrispondenten und Vortragsredner hin zum Software-Entwickler. <BR /><BR />Auch Unternehmen können nur davon profitieren, sich ständig neu zu erfinden, sagt der Hamburger. Und sieht vor allem im Management Kürzungspotenzial.<BR /><BR />Am Donnerstag hat er im Rahmen des Export Forums in Bozen über das Thema „Wie sich Unternehmen und Organisationen neu erfinden“ gesprochen.<BR /><BR /><b>Herr Meyer, Ihr Vortrag lautet „Wie sich Unternehmen und Organisationen neu erfinden“. Ein Thema, mit dem Sie sich gut auskennen...</b><BR />Jens Uwe Meyer: Ja, das stimmt. Ich bin ja eigentlich ausgebildeter Kriminalkommissar, und das hat auch Spaß gemacht, aber dann war es Zeit für einen Wechsel. Also bin ich in den privaten Rundfunk, war US-Korrespondent. Dann habe ich promoviert und mich in die Innovationsberatung gestürzt. Jetzt habe ich mich wieder neu erfunden: Derzeit arbeiten wir an einer Softwareplattform mit dem Ziel, Prozesse im Management zu digitalisieren und zu automatisieren.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59617051_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Warum gerade Prozesse im Management?</b><BR />Meyer: Nun, viele sagen, es kommt immer mehr unproduktive Arbeit dazu, immer mehr Zettelarbeit, immer neue Liefergesetze… Die Welt wird gefühlt nicht leichter, sondern immer komplexer. Und auch wenn Unternehmen genau für solche Arbeiten Leute einstellen wollen, stehen sie immer noch vor dem Problem des Fachkräftemangels – und finden einfach niemanden. Wie sehen immer öfter, dass gerade im Management Mängel entstehen: Viele junge Menschen wollen gar keinen stressigen Führungsjob mehr, auch wenn sie so weniger verdienen. Und andererseits werden dort, wo es noch Fachleute in hohen Positionen gibt, fürstliche Gehälter gezahlt – die sich heute kaum mehr jemand leisten kann. Da verzichtet man lieber auf so eine Person und stellt für dasselbe Geld 2 oder 3 neue Mitarbeiter an. Und genau deshalb ist es wichtig, Prozesse zu automatisieren.<BR /><BR /><b>Vor welchen großen Herausforderungen stehen Unternehmen in diesen Tagen?</b><BR />Meyer: Meiner Meinung nach entwächst aus dieser negativen Situation gerade etwas Positives. Die aktuelle Lage ist schwierig, alles wird teurer, der Lohn, die Materialkosten, die Einkaufspreise, die Kredite. Gleichzeitig beschleunigt all das die Innovation. Viele, die sich in den vergangenen Jahren auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben, merken jetzt, dass sie handeln müssen. Und das ist gut! In den vergangenen 10 Jahren wurde zwar immer von Innovation gesprochen, aber getan wurde nichts. Und genau das ändert sich gerade. Auch jene Unternehmen, die lange nichts gemacht haben, suchen jetzt neue Lösungen, neue Innovationen, sind gefordert. Diese neu entdeckte Offenheit zur Weiterentwicklung finde ich gut.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59617055_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Sie sprechen von Innovation, auch von Nachhaltigkeit. Das klingt für viele nach Investition, nach finanziellem Aufwand. Warum lohnt es sich dennoch?</b><BR />Meyer: Im Verständnis der Menschen war Nachhaltigkeit tatsächlich häufig geprägt von Verzicht. Erst jetzt merken immer mehr Unternehmer, dass Nachhaltigkeit ja eigentlich einer der großen Milliardenmärkte der Zukunft ist. Nachhaltiges Wirtschaften, Umweltschutz: Das sind ja nicht nur Themen, denen wir verpflichtet sind – sie sind auch noch profitabel. Wenn wir ehrlich sind, setzen die meisten großen Unternehmer nicht auf Nachhaltigkeit, weil sie Umweltschützer sind, sondern weil sie Kapitalisten sind. Und ja, sicher ist Nachhaltigkeit immer zuerst ein Investment. Aber das Geld fließt ja nicht in ein Schwarzes Loch, sondern in neue Dienstleistungen, in neue Produkte. Eigentlich muss man sich nur fragen: Wie kann ich Teil dieser großen Chance werden?<BR /><BR /><b>Was sagen Sie jenen, die befürchten, bald durch Digitalisierung und Automatisierung als Arbeiter ersetzt zu werden?</b><BR />Meyer: Diese Angstmacherei ist furchtbar. Alle haben Angst, durch die Digitalisierung um ihre Jobs gebracht zu werden. Dabei ist das nicht zwingend der Fall, die Arbeitskraft muss lediglich anders eingesetzt werden. ChatGPT ist hier ein gutes Beispiel. Das war zunächst nur Spielkram – irgendwann könnte es aber tatsächlich einen Programmierer ersetzen. Früher war das noch ein Problem, heute hingegen ist es vielleicht eine positive Entwicklung, immerhin findet man nicht mehr viele Programmierer.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59617460_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Ebenfalls ein „neues“ Phänomen, das Ihnen nicht unbekannt ist, ist das Jobhopping. Eine positive Entwicklung in Ihren Augen?</b><BR />Meyer: Ich bin überzeugt davon: Wenn man sich ständig neu erfindet, profitieren alle davon. Durch das Jobhopping, also immer wieder neue Jobs auszuprobieren, lernt man sehr viel, man lernt verschiedene Unternehmen kennen, verschiedene Techniken und Praktiken. Sicher gibt es viele, die lieber auf Arbeitskräfte setzen, die Jahre und Jahrzehntelang im Betrieb bleiben. Aber durch das Sammeln verschiedenster Erfahrungen und Eindrücke steigt die Kreativität. Ich sage immer: Wenn die Festplatte leer ist, kann man auch nichts Neues kombinieren.<BR /><BR /><b>In Ihren Vorträgen gehen Sie auch darauf ein, was Führungskräfte jetzt machen müssen, wie sie handeln müssen, um ins neue Zeitalter zu gehen. Was müssen sie tun?</b><BR />Meyer: Jetzt ist die Zeit gekommen, die bestehende und wachsende Unzufriedenheit konstruktiv zu nutzen. Ja, die Zeiten waren schon mal rosiger. Und ja, es gibt jetzt viele, die gerne jammern. Aber eigentlich ist es genau diese Form der Unzufriedenheit, des Frusts, die eine der größten Triebfedern für Veränderung ist. Gerade in der Not entstehen neue Ideen. Der erste Schritt ist, sich das einzugestehen. Dann kann man aus der Unzufriedenheit profitieren und sie produktiv und innovativ nutzen.<BR /><BR /><b>Was sagen Sie jenen, die vielleicht argumentieren, dass eine Neuerfindung der Marke im Sinne der Wiedererkennung schaden kann?</b><BR />Meyer: Das ist meiner Meinung nach eine Ausrede. Natürlich hört man das immer wieder: „Wenn wir zu modern werden, dann erkennt man uns nicht wieder.“ Na gut, dann stirbt die Marke aber auch. Viele Marken, die sich nicht weiterentwickelt haben, sind heute Sanierungsfälle oder gar nicht mehr da. Ich möchte betonen: Konservativ zu sein heißt nicht, dass man erstarrt sein muss. Man kann durchaus die eigenen Werte bewahren und sich dennoch immer neu erfinden. <BR />