<b>Herr Tschenett, was hat Sie dazu bewogen, gerade jetzt mit diesem Vorschlag an die Öffentlichkeit zu gehen?</b><BR />Tony Tschenett: Seit gut anderthalb Jahren ist die Inflation deutlich erhöht. Die Löhne sind bislang nicht nachgezogen, während in Österreich und Deutschland die Tarifvertragslöhne um 7 Prozent und mehr angehoben wurden. Das versteht keiner mehr, jetzt muss einfach was passieren, die Leute brauchen das Geld – und zwar sofort. <BR /><BR /><b>Bekanntlich mahlen die Mühlen bei Kollektivverträgen, die gesamtstaatlich ausgehandelt werden, langsam. Auf welcher Grundlage sollen die 100 Euro von den Arbeitgebern ausgezahlt werden?</b><BR />Tschenett: Die schnellste Möglichkeit wäre es, ein interkonföderales und branchenübergreifendes Abkommen zwischen den Sozialpartnern auf Landesebene zu treffen. Das ist möglich, man muss es nur wollen. Diese 100 Euro sollen nicht einmalig ausbezahlt werden, sondern als fixes Lohnelement in allen Sektoren eingeführt und beibehalten werden. Zudem soll die Erhöhung jährlich an die Inflation angepasst werden. <BR /><BR /><b>100 Euro sind bei einem Bruttolohn von 2500 Euro gerade einmal 4 Prozent. Genügt das denn?</b><BR />Tschenett: Es wäre ein erster, wichtiger Schritt. Selbstverständlich müssen die Kollektivvertragsverhandlungen auf gesamtstaatlicher Ebene weiterlaufen und zu einem Abschluss gebracht werden. Nur geht das eben nicht von heute auf morgen, darum machen wir uns als ASGB für eine lokale Lösung stark. <BR /><BR /><b>Einige Unternehmen könnten entgegnen, dass sie bereits die Welfare-Leistungen ihrer Mitarbeiter aufgestockt hätten, eine Lohnerhöhung also nicht mehr notwendig sei.</b><BR />Tschenett: Alles, was dazu beiträgt, die Arbeitnehmer zu entlasten, begrüße ich grundsätzlich. Aber das allein, wird nicht reichen. Zumal Welfare-Leistungen nicht unproblematisch sind: Sie werden bei der Berechnung des 13. und 14. Monatslohns nicht berücksichtigt, und was noch schlimmer ist: Welfare-Leistungen fließen nicht in die Rentenberechnung mit ein. Darum sage ich, die Löhne müssen rauf, Welfare-Leistungen sind keine Alternative dazu. <BR /><BR /><b>Welche Anreize kann die Politik setzen?</b><BR />Tschenett: Wir wollen ganz gezielt auch die Politik in die Pflicht nehmen, das ist mir wichtig zu betonen. Für Unternehmen, die die Löhne erhöhen, könnte die Wertschöpfungssteuer IRAP reduziert werden. Wer das nicht tut, könnte von der Wirtschaftsförderung ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Auch könnte man das zusätzliche Lohnelement bei Ausschreibungen berücksichtigen, als so genannte soziale Klausel. Das heißt, die Politik hätte durchaus Hebel, die sie nutzen könnte, um die Betriebe zu ermutigen. <BR /><BR /><b>Haben Sie bezüglich Ihres Vorschlags schon bei den Sozialpartnern vorgefühlt?</b><BR />Tschenett: Von anderen Gewerkschaften weiß ich, dass sie hinter dem Vorschlag stehen. Was die Arbeitgeberverbände angeht, müssen wir sehen, was die Verhandlungen bringen werden. <BR /><BR /><b>Was ist, wenn das Abkommen auf Landesebene nicht zustandekommt? </b><BR />Tschenett: Wenn in dieser Sache nichts passiert, dann müssen wir eben auf die Straße gehen. So kann es jedenfalls nicht weitergehen. <BR />