Zwischen 2021 und 2024 ist die Beschäftigung italienweit um 9,2 Prozent auf über 24 Millionen Erwerbstätige nach oben geklettert – ein Rekord. Die Bruttolöhne erhöhten sich um 11,5 Prozent auf 823 Milliarden Euro, gleichzeitig stieg jedoch die Inflation um 17,6 Prozent, wodurch die reale Kaufkraft der Löhne sank. Vor allem aber: Das Irpef-Steueraufkommen wuchs um sage und schreibe 18,85 Prozent – deutlich schneller als die Löhne.<h3> Warum Steuerreformen verpuffen</h3>Wie ist das möglich? Italien hat die Irpef in den letzten Jahren formal reformiert – etwa durch die Abschaffung einer Steuerstufe 2024. Zwar gilt bis zu einem Jahreseinkommen von 28.000 Euro nun ein einheitlicher Steuersatz von 23 Prozent. <BR /><BR />Doch schon geringfügige Lohnerhöhungen, um die Folgen der hohen Inflation der letzten Jahre abzufedern, führten in der Praxis dazu, dass viele Beschäftigte über diese Grenze rutschten – und prompt mit 35 Prozent besteuert wurden. Mehr Brutto führte dann nur zu minimal mehr Netto. <BR /><BR />Das liegt daran, dass die Einkommensgrenzen seit Jahren nicht an die Inflation angepasst wurden. Viele Arbeitnehmer erlebten ihre kalte Dusche ob der kalten Progression, wie man derlei „versteckte Steuererhöhungen“ nennt.<h3> Beispiele aus Südtirol: Viel brutto, wenig netto</h3>Martin Fink von der Steuerabteilung des Autonomen Gewerkschaftsbundes (ASGB) kennt das Phänomen aus der täglichen Praxis. „Zum Teil Pensionisten und sehr viele Südtiroler aus der Mittelschicht sind davon betroffen.“ <BR /><BR />Er nennt zwei exemplarische Fälle: „Ein Arbeitnehmer erhielt auf dem Papier ein Lohnplus von 20 Prozent von 25.000 auf 30.000 Euro brutto jährlich. Das Netto wuchs aufgrund der kalten Progression aber nur um 15 Prozent. Ein weiterer Arbeitnehmer erhielt eine Lohnerhöhung von 30.000 auf 33.000 Euro, also um 10 Prozent. Das Nettoeinkommen legte um nur rund sechs Prozent zu.“ <BR /><BR />Das heißt: „Wer durch Gehaltsanpassungen vermeintlich besser verdienen sollte, verlor gleichzeitig durch die Progression und sinkende Freibeträge.“<h3> Veraltete Fördergrenzen verstärken den Effekt</h3>Zusätzlich geraten laut Fink viele Familien in eine weitere Falle: Das Land Südtirol habe die Schwellen bei Sozialleistungen seit Jahren nicht angepasst. Die ISEE-Grenze für das Landeskindergeld liegt beispielsweise weiterhin bei 40.000 Euro, während der Staat diese bereits auf knapp 46.000 Euro angehoben hat. <BR /><BR /><embed id="dtext86-69887196_quote" /><BR /><BR />Die Folge: „Viele Familien erhalten kein Kindergeld mehr (660 Euro pro Kind und Jahr) – obwohl sich ihre reale finanzielle Situation nicht oder kaum verbessert hat.“ Ungerechtigkeiten wie diese gehörten laut Fink dringend beseitigt.<h3> Was Statistiken verschweigen</h3>In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass offizielle Zahlen zur Reallohnentwicklung, wie sie Statistikinstitute veröffentlichen, meist nur Bruttolöhne abzüglich Inflation berücksichtigen. <BR /><BR />Doch der effektive Steueranstieg durch die kalte Progression und der Verlust von Sozialleistungen bleiben dabei außen vor. Diese stille Umverteilung bleibt oft unsichtbar – aber sie wirkt umso spürbarer.<h3> Und was ist mit den Gutverdienern?</h3>Von der kalten Progression spüren vor allem mittlere Einkommen die Auswirkungen – bei Gutverdienern hingegen ist der Effekt deutlich geringer. <BR /><BR />Der Grund: Wer ohnehin bereits im höchsten Steuersatz von 43 Prozent liegt, kann durch Lohnerhöhungen kaum noch in ein höheres Steuersegment „hineinrutschen“ – es gibt schlicht keines mehr. Auch viele Steuerfreibeträge und Vergünstigungen, die mit steigendem Einkommen abgeschmolzen werden, wirken bei sehr hohen Einkommen kaum noch oder gar nicht mehr.