Im Gespräch erklärt Hotelier und HGV-Gebietsobmann Nils Demetz, wie diese Entwicklung den Alltag der Gastgeber prägt, welche Reiserouten besonders beliebt sind und warum eine kluge Besucherlenkung wichtiger denn je ist.<BR /><BR /><b>Herr Demetz, seit wann spüren Sie in Gröden, dass der Tourismus deutlich internationaler geworden ist?</b><BR />Demetz: Seit rund zehn Jahren, verstärkt aber seit der Coronapandemie, spüren wir das deutlich. Gäste aus den USA, Südkorea, China, dem arabischen Raum oder Israel machen zwar zahlenmäßig nur kleinere Gruppen aus, sind aber klar sichtbar – und verändern unsere Saisondynamik spürbar.<BR /><BR /><b>Inwiefern?</b><BR />Demetz: Diese Gäste reisen vor allem in den Randzeiten – etwa im Mai, teils im Juni, und dann wieder ab Oktober bis in den November. Das verbessert unsere Auslastung außerhalb der Hochsaison erheblich. Im Juli und August sind wir ohnehin schon gut ausgelastet, vor allem mit Gästen aus Italien und Deutschland. Wachstum findet heute vor allem in der Nebensaison statt – und genau dort spielen die internationalen Gäste eine immer wichtigere Rolle. Sie helfen, ehemals „tote“ Zeiten zu beleben.<BR /><BR /><b>Was unterscheidet diese Besucher vom klassischen Urlauber aus unseren Hauptmärkten?</b><BR />Demetz: Vor allem ihr Reiseverhalten. Viele sind auf einer Italien- oder Europatour unterwegs, bleiben nur ein, zwei, maximal drei Nächte – oft auch unter der Woche, je nachdem, wie es in ihre Route passt. Das ist ein ganz anderer Rhythmus.<BR /><BR /><b>Sie sprechen von Europatour – was sind denn typische Reiserouten dieser Gäste?</b><BR />Demetz: Viele internationale Gäste besuchen Südtirol im Rahmen einer klassischen „Grand Tour“ durch Mitteleuropa. Zwei Routen sehen wir besonders häufig: Die Nordroute beginnt meist mit der Ankunft in München oder Zürich, führt durch Südbayern oder Nordtirol nach Südtirol – etwa nach Gröden oder zur Seiser Alm – und endet häufig in Verona oder Venedig. Die Südroute beginnt meist in Mailand oder Verona, führt über die oberitalienischen Seen wie den Comer See oder Gardasee in die Dolomiten – und endet dann ebenfalls in Venedig oder Mailand. <BR /><BR /><b>Gibt es auch Unterschiede im Urlaubsverhalten?</b><BR />Demetz: Absolut. Gäste aus Deutschland, Benelux oder Osteuropa bleiben in der Regel länger, sind aktiv beim Wandern oder Biken und nehmen unsere Hotelangebote intensiv wahr. Fernreisende sind oft schneller unterwegs, wollen viel in kurzer Zeit sehen. Dazu kommen kulturelle Unterschiede: Amerikaner bevorzugen großzügige Zimmer, Gäste aus dem arabischen Raum schätzen vor allem frische Luft, Ruhe und flanieren gerne im Dorf – dadurch sind sie auch präsenter im Ortsbild. Asiatische Reisende haben häufig ganz konkrete Fotomotive im Kopf – bestimmte Aussichtspunkte, die sie über Social Media entdeckt haben. Insgesamt merkt man einfach: Die Dolomiten sind ein, wenn nicht das wichtigste Urlaubsmotiv internationaler Gäste. Was mir dabei wichtig ist: Diese Fernreisenden verhalten sich im Prinzip nicht anders als wir, wenn wir selbst eine Fernreise machen. Auch wir versuchen, in kurzer Zeit möglichst viele Eindrücke mitzunehmen – das ist ganz menschlich.<BR /><BR /><b>Besteht die Gefahr, dass die Dolomiten zur reinen Fotokulisse verkommen?</b><BR />Demetz: Diese Gefahr besteht durchaus – aber weniger durch die Gäste, die bei uns übernachten, sondern durch die stark zunehmende Zahl an Tagesgästen. Viele kommen nur für ein paar Stunden, machen ihre Fotos und sind wieder weg. Das erzeugt Druck auf die Infrastrukturen und bringt kaum Wertschöpfung. Ich bin nicht grundsätzlich gegen Tagesbesucher – aber in besonders stark frequentierten Regionen, etwa an den Dolomitenpässen, braucht es eine gezielte Besucherlenkung. Zugangsbeschränkungen wie am Pragser Wildsee wären dringend notwendig.<BR /><b><BR />Wie viel Gästelenkung ist realistisch – kann man die Menschen auch für weniger bekannte Regionen im Westen Südtirols begeistern?</b><BR />Demetz: Ich glaube eher nicht. Wer in die Dolomiten will, wird auch dorthin reisen. Der Fokus sollte daher nicht auf Umlenkung, sondern auf sinnvoller Steuerung liegen – also darauf, wie wir den Zugang regeln und die Besuchermengen vernünftig verteilen.<BR /><BR /><b>Sie haben die kürzere Aufenthaltsdauer internationaler Gäste erwähnt. Ist es da überhaupt möglich, eine echte Bindung aufzubauen?</b><BR />Demetz: Das ist sicher schwieriger. Für uns Gastgeber ist es natürlich erfüllender, wenn jemand länger bleibt und echtes Interesse am Haus und an der Region zeigt. Aber es gibt auch unter Fernreisenden inzwischen vereinzelt Stammgäste – das kommt durchaus vor, nur eben seltener.<BR /><BR /><b>Wie funktioniert die Kommunikation – läuft alles problemlos auf Englisch?</b><BR />Demetz: In der Regel schon, deshalb ist Englisch bei allen Mitarbeitenden mit Gästekontakt Voraussetzung. Erstaunlich ist allerdings, wie viele asiatische Gäste dennoch nur sehr wenig Englisch sprechen. Trotzdem klappt die Verständigung – oft helfen die mitgereisten Kinder beim Dolmetschen, oder man nutzt Apps. Mit etwas Geduld funktioniert das erstaunlich gut.<BR /><BR /><b>Mit welchen weiteren Herausforderungen haben Sie im Hotelalltag sonst noch zu tun?</b><BR />Demetz: Grundsätzlich sind internationale Gäste sehr offen – sowohl gegenüber unserer Kultur als auch der Kulinarik. Es gibt ein hohes Qualitätsbewusstsein und eine große Wertschätzung für das, was wir bieten. Was spezielle Ess- oder Trinkgewohnheiten angeht, haben wir kaum Schwierigkeiten. Viel aufwendiger ist es, die vielen individuellen Bedürfnisse rund um vegane, glutenfreie oder laktosefreie Ernährung zu berücksichtigen. Das betrifft aber Gäste aller Herkunft.<BR /><BR /><b>Ein Blick in die Zukunft: Werden die Fernmärkte weiter zulegen?</b><BR />Demetz: Ich denke ja – vor allem in der Nebensaison, wo noch Kapazitäten frei sind. In der Hochsaison hingegen sind wir am Limit. Ich glaube aber nicht, dass Fernreisende unsere Stammgäste verdrängen – sie werden sie ergänzen. Vorausgesetzt, wir gehen verantwortungsvoll und klug damit um.Interview: Rainer Hilpold