Wir haben drei Experten um ihre Einschätzung gebeten.<BR /><BR />Südtirols Einzelhandel ist geprägt von restriktiver Raumordnung und kleinteiligen Strukturen. Familiengeführte Geschäfte werden gezielt politisch geschützt, großflächige Projekte wurden lange Zeit unterbunden. „Dieses Modell war und ist erfolgreich“, sagt Roland Murauer, Handelsexperte und Geschäftsführer der Beratungsfirma CIMA. „Ließ sich aber ab den 2000er-Jahren mit den geänderten Konsumgewohnheiten immer schwerer halten.“ Die Kaufkraft habe begonnen teilweise abzuwandern – zunächst in große Einkaufszentren in Innsbruck und Verona, später, ab 2015, zunehmend ins Internet.<BR /><BR />Wie stark digitale Kanäle Handelsströme verschoben haben, zeigt Murauer mit einem Vergleich: „In Lienz haben wir 2013 und 2023 Kaufkraftstromanalysen durchgeführt. Binnen zehn Jahren hat sich der Anteil der Pusterer, die dorthin zum Einkaufen fahren, halbiert. Nicht weil Lienz nachgelassen hätte, sondern weil sich das Einkaufsverhalten in Richtung Online-Handel verändert hat.“ Die Pandemie habe diesen Wandel noch beschleunigt. Murauer und CIMA begleiten den Südtiroler Handel seit den 1990er-Jahren, unter anderem im Auftrag der Landesregierung und des Wirtschaftsverbandes hds.<BR /><BR /><embed id="dtext86-71868419_quote" /><BR /><BR />Mit dem WaltherPark entstehe nun erstmals ein großflächiges Handelsangebot im Herzen von Bozen. Aus Murauers Sicht wird damit eine Lücke geschlossen. Die Kombination aus innerstädtischer Lage, Massenkonsum und Genussmarkt sei „typisch für urbane Räume mittlerer Größe, aber bislang nicht an diesem Standort vorhanden gewesen“.<BR /><BR />Mathias Streicher, der an der Universität Innsbruck im Bereich Konsumentenverhalten, Shopper Marketing und Retail Management forscht und lehrt, ergänzt: „Der WaltherPark integriert Handel, Wohnen, Freizeit und Tourismus in einem urbanen Kontext – das unterscheidet ihn von klassischen peripheren Einkaufszentren.“<BR /><BR /><embed id="dtext86-71868504_quote" /><BR /><BR />Die Angst einiger Einzelhändler in Bozen, die Altstadt könne Frequenz verlieren, teilt Murauer nicht. „Die Lauben behalten ihren Charakter. Sie bieten etwas, das ein Einkaufszentrum nicht leisten kann: kleinteilige Vielfalt, gewachsene Strukturen.“ Uni-Professor Streicher sieht allerdings einen gewissen Anpassungsdruck: „Der traditionelle Handel muss sein Profil weiter schärfen, um ergänzend statt konkurrierend zu agieren.“<BR /><BR />Murauer geht jedenfalls davon aus, dass der WaltherPark nicht Kunden abzieht, sondern eher zusätzliche anlockt. Für die Anfangsphase nennt er konkrete Größenordnungen: „Rund 20 bis 25 Prozent jener Kaufkraft, die in der Vergangenheit nach Norden oder Süden bzw. ins Internet abgeflossen ist, könnte in den ersten anderthalb Jahren im Land bleiben.“ <h3> Auswirkungen aufs Umland</h3>Kurzfristig rechnet Murauer allerdings nicht nur mit Chancen, Kaufkraft zurückzuholen, sondern auch mit Gefahren für umliegende Gemeinden. „Gut möglich, dass Konsumenten, die bis zu 30 Minuten von Bozen entfernt wohnen, in die Landeshauptstadt fahren. Viele wollen sich das sicher mal ansehen.“ Wie viel vom anfänglichen Interesse bleibe, könne man aber nicht abschätzen. Streicher erwartet, dass sich Kaufkraftströme mittelfristig wieder einpendeln könnten.<h3> „Ein neuer Ankerpunkt“</h3>Insgesamt bewertet Murauer das Projekt positiv, ohne es zu überhöhen: „Bozen gewinnt einen neuen Ankerpunkt im Handel. „Der WaltherPark ist weniger ein Bruch als eine Anpassung an Entwicklungen, die längst im Gang sind.“ Auch für Streicher steht fest: Langfristiger Nutzen entstehe dann, wenn der WaltherPark funktional mit der Stadt verzahnt bleibe.<h3> Was der hds-Chef dazu sagt</h3>Auch der Handels- und Dienstleistungsverband hds erwartet Auswirkungen. „Das neue Einkaufszentrum wird sicher einige Dynamiken auslösen. Wie interne Berechnungen auf Basis von Geoanalysen zeigen, dürfte sich die Frequenz im Stadtzentrum erhöhen“, sagt auch hds-Präsident Philipp Moser. Mit „Zentrum“ meint er Waltherplatz und Lauben vor allem.<BR /><BR /><embed id="dtext86-71868415_quote" /><BR /><BR />Die Anziehungskraft der Altstadt werde insgesamt steigen, so Moser: „Es könnte sogar so sein, dass wir den Spieß ein Stück weit umdrehen können: Früher waren es viele Südtiroler, die nach Nordtirol oder in den Süden zum Einkaufen gefahren sind, jetzt könnten mehr Käufer von außerhalb zu uns kommen. Weniger wegen einzelner Marken im WaltherPark, sondern aufgrund des Gesamtpakets, das Bozen bietet – inklusive Gastronomie.“ Der typische WaltherPark-Besucher dürfte – seiner Ansicht nach – nicht der sein, der sich nur im Einkaufszentrum aufhält und dann wieder heimfährt.<BR /><BR />Dass umliegende Gemeinden Einbußen spüren könnten, hält Moser ebenfalls für wahrscheinlich: „Das Minus dürfte aber eher im einstelligen Bereich liegen.“ Und was ist mit einer möglichen Trendumkehr beim Onlinehandel: „Das Einkaufsverhalten dürfte sich wohl nicht so leicht verändern lassen – da geht es um Gewohnheiten. Und wenn einer dann doch einmal im Nike-Store im WaltherPark statt online einkauft, ändert das an der Wertschöpfung für Südtirol wenig.“<h3> Wettbewerb der Einkaufszentren?</h3>Besonders spannend dürfte sich der Wettbewerb zwischen dem neuen WaltherPark und dem bisher größten Einkaufszentrum des Landes, dem Twenty, entwickeln. Twenty-Chef Giovanni Podini wollte sich auf Anfrage nicht äußern – ein eleganter Schachzug unter Mitbewerbern. Dass die innerstädtische Konkurrenz gerade jetzt ihre Tore öffnet, kommt für das Twenty zur Unzeit, zumal dessen Schicksal wegen des laufenden Verfahrens weiterhin offen ist.