Önologe Christian Werth über den Rosé-„Sonderfall“ Lagrein Kretzer und seine Eigenheiten und über die Wichtigkeit von den Roséweinen für Südtirol. <BR /><BR /><BR /><b>Herr Werth, wie stehen Sie zum Rosétrend, den man weltweit seit einigen Jahren beobachten kann?</b><BR />Christian Werth: Ich finde es gut, dass der Rosé, der lange Zeit auf dem Weinmarkt kaum eine Rolle gespielt hat – sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Produzenten, wieder mehr Beachtung genießt. Allerdings finde ich es wichtig, dass bei aller Marktorientierung, viele Roséweine folgen nämlich farblich und geschmacklich dem Vorbild Südfrankreichs, regionale Ausprägungen nicht verlorengehen – gerade diese unterschiedlichen Typologien sind es, die Rosés spannend erhalten. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Die Roséweine werden tendenziell immer heller, auch das ist auf die Vorreiterrolle Frankreichs zurückzuführen, wo überwiegend blassrosa Rosés hergestellt werden...</b><BR />Werth: Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass viele Hersteller das Modell Frankfreichs kopieren wollen. Mittlerweile ist es sogar so, dass für viele ein Rosé hell bzw. sogar fast durchsichtig sein muss, um als qualitativ hochwertig angesehen zu werden. Davon grenze ich mich als Produzent von Lagrein Rosé ab, der schon allein aufgrund seiner Beschaffenheit nie so hell und geschmacklich weich bis leicht süßlich sein kann. Langfristig ist genau das der Vorteil, den wir in Südtirol mit dem Lagrein Rosé haben, wir bleiben auch international unterscheidbar. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="669419_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie positioniert sich der Lagrein Rosé?</b><BR />Werth: Der Wein weist eine intensivere Farbe und auch etwas mehr Struktur und einen höheren Alkoholgehalt auf, das liegt in der Natur der Sorte, die selbst wenn sie direkt abgepresst wird, diese Eigenheiten aufweist. Darum nenne ich den Rosé auch nicht Sommerwein. Man kann ihn das ganze Jahr über sehr gut trinken, was auch immer mehr Weinliebhaber tun, die eine Abwechslung zu eher schweren , üppigen und vollen Rotweinen genießen wollen. Wir verkaufen immerhin 45.000 Flaschen Rosé im Jahr, die Bestände werden stets aufgebraucht. Was mir noch wichtig ist zu erwähnen: In Südtirol hat der Rosé eine ganz andere und auch längere Historie als in Frankreich. Als Kretzer wurde er ab dem 18. Jahrhundert hergestellt, bis er vor 30 bis 40 Jahren vom Lagrein als Rotwein immer mehr zurückgedrängt wurde. Der Lagrein Rosé ist also Teil der weinkulturellen Identität Südtirols und keine Modeerscheinung.<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Warum nimmt die Produktionsmenge von Lagrein Rosé dann tendenziell ab in Südtirol?</b><BR />Werth: Das liegt auf der Hand. Mit kräftigen Rotweinen kann man eher höhere Preise am Markt erzielen. Aber darum sollte es nicht ausschließlich gehen, finde ich. Ich bin davon überzeugt, dass der Lagrein Rosé ein hochinteressantes Nischenprodukt ist, eines, das seine Daseinsberechtigung hat und durchaus wichtig ist für das Weinland Südtirol. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Früher hieß es mancherorts in Südtirol: „Ist der Jahrgang für die Herstellung eines Rotweins nicht gut genug, wird daraus Rosé gemacht...“</b><BR />Werth: Das war einmal. Wie beim Wein insgesamt, fand auch beim Lagrein Rosé ein riesiger Qualitätssprung statt. Die Produzenten müssen sich da absolut nicht verstecken. Was uns im Gegensatz zu früher in der Herstellung hilft, sind die Möglichkeiten der Kühlung. Ebenfalls wichtig ist es, die Trauben nicht vollständig ausreifen zu lassen. Das heißt, der Erntezeitpunkt ist entscheidend. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Inwieweit könnte man den Lagrein Rosé weiterentwickeln ohne, dass er seine Identität aufgibt?</b><BR />Werth: Grundsätzlich stelle ich seit einiger Zeit fest, dass es doch einige Kellermeister in Südtirol gibt, die Lust haben, sich wieder mehr mit dem Lagrein Rosé auseinanderzusetzen. Das ist sehr wichtig, um ein Produkt auch langfristig lebendig zu erhalten. Ein großes Thema ist sicher der Holzeinsatz im Ausbau. Allerdings muss dieser sehr dezent erfolgen, weil ein Rosé ansonsten sehr schnell zu stark sein Wesen verändern würde.