Diese Frage klären wir mit Harald Pechlaner, Leiter des Center for Advanced Studies von Eurac Research. Er war einer der Referenten der gestrigen Tagung „Wintertourismus – Zwischen Mensch, Natur und Wirtschaft“ der Handelskammer Bozen. <BR /><BR /><b>Herr Pechlaner, ein Blick auf die gerade veröffentlichten Nächtigungszahlen vom Dezember und Jänner bestätigt einmal mehr: An Winterurlaubern mangelt es nicht. Warum sollte man also etwas ändern?</b><BR />Harald Pechlaner: Es stimmt, die Zahlen dieses Winters waren bislang sehr erfreulich. Wenngleich ich schon sagen muss, dass übertriebene Euphorie verfrüht ist. Es zeichnet sich ab, dass die Preissensibilität bei den Gästen aufgrund des Kaufkraftverlusts infolge der anhaltend hohen Inflation zunimmt. Wollen wir hoffen, dass diese Preissensibilität nicht dazu führt, auf den Urlaub zu verzichten. Also: Die Rechnung wird am Schluss gemacht. Was man aber schon festhalten kann, ist: Die Nachfrage nach Wintertourismusangeboten in Südtirol ist da. Um jedoch anstehende Veränderungen besser zu bewältigen, muss man sich einer Diskussion über die Weiterentwicklung des Wintertourismus offen stellen.<BR /><BR /><b>Wie wichtig wird das Skifahren im Wintertourismus von morgen noch sein?</b><BR />Pechlaner: Fakt ist, die Wetterextreme nehmen zu. Das Skifahren hat aktuell eine sehr hohe Bedeutung für den Wintertourismus. Wer begeisterter Skifahrer ist, will auch morgen noch im Urlaub Ski fahren, denn Klimaschutz und Skifahren müssen sich per se nicht widersprechen. Die Frage ist nur, wie oft er das künftig tut und wo er das noch kann.<BR /><BR /><b>Was denken Sie?</b><BR />Pechlaner: Die Zahl derer, die eine ganze Woche lang jeden Tag auf den Brettern stehen, wird sicherlich abnehmen. Einige Skitage pro Woche wird ein Gast zwar im Schnitt einplanen, mehr eher nicht. Auch Winterurlauber wollen mehr erleben, als nur eine Aktivität auszuüben. Das bedeutet wiederum, dass es eine stärkere Diversifizierung des Angebots und neue Ideen abseits der Skipisten braucht, um auch morgen noch attraktiv für die Gäste zu bleiben. Für Wintersportorte sollte das heißen, dass sie vermehrt Alternativen mitdenken sollten: Wandern, Kultur, Shopping – die Ansprüche der Gäste in puncto Abwechslung im Urlaub steigen. Auch denke ich, dass der Stellenwert des Sommergeschäfts bis in den Herbst hinein für viele klassische Wintersportorte steigen wird; damit meine ich zum Beispiel Orte im Osten des Landes unterhalb von 2000 Höhenmetern.<BR /><BR /><embed id="dtext86-58710293_quote" /><BR /><BR /><b>Inwieweit macht sich der Bewusstseinswandel hin in Richtung Nachhaltigkeit bei Urlaubern bemerkbar?</b><BR />Pechlaner: Diesen Wandel gibt es. Das zeigen auch jüngste Urlauberbefragungen. Gäste wollen nicht nur zuhause nachhaltiger leben, sondern versuchen das wenn möglich auch im Urlaub zu tun. Das ist eine riesen Chance für Südtirol: Als eine der größten Herausforderungen erachte ich die Bereiche Erreichbarkeit, Verkehr und Mobilität. Wir müssen uns mehr anstrengen, damit Gäste, die ohne Auto anreisen möchten, dies möglichst ohne Einschränkungen beim Komfort tun können. Zugleich muss das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln so ausgebaut werden, dass sie sich im Urlaub problemlos und schnell von A nach B bewegen können. Beim Thema Verkehr kann viel Sympathie und Zuspruch dazugewonnen, aber auch ungemein viel verspielt werden. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Gäste, sondern auch für die eigene Bevölkerung, die sich vor allem in den genannten Bereichen große Fortschritte in den nächsten Jahren erhofft und Veränderungen auch mittragen würde, davon bin ich überzeugt. Auf lange Sicht kommt es nämlich nicht nur darauf an, dass die Gäste mit dem Wintertourismus zufrieden sind, ebenso wichtig ist der Rückhalt der Einheimischen. <BR /><BR /><b>Womit wir bei möglichen Zielkonflikten zwischen Mensch, Umwelt und Wirtschaft wären. Nehmen wir den Fall an, dass ein Skigebiet eine neue Piste oder Aufstiegsanlage realisieren möchte, die mit erheblichen Einschnitten in der Natur verbunden wäre. Will der Gast von morgen wissen, welche Umweltschäden Projekte im Urlaubsort anrichten oder kümmert ihn das nicht?</b><BR />Pechlaner: Sie sprechen ein heikles Thema an, das offen diskutiert gehört. Ich kann da nur grundsätzlich sagen, dass auch Gäste künftig deutlich stärker interessiert sein werden, den Lebensraum, in dem sie Urlaub machen, zu verstehen. Das bedeutet auch, dass sie wissen wollen, wie man im Urlaubsort mit dem Ökosystem Berg umgeht, ob man einfach darüber hinwegsieht oder ob man die Problematik ernst nimmt. Regionen, die sich rücksichtslos verhalten, müssen damit rechnen, dass Gäste in Zukunft andere, nachhaltigere Wintersportorte bevorzugen werden; sie geraten beim Wettbewerb der Destinationen ins Hintertreffen. Was mich zu einem weiteren wichtigen Thema bringt.<BR /><BR /><b>Nämlich?</b><BR /> Pechlaner: Das kürzlich vorgestellte Nachhaltigkeitslabel von IDM Südtirol, das bestimmte globale Standards berücksichtigt, ist gut und wichtig, aber es allein genügt nicht. Wir müssen gemeinsam an einer Zukunftsagenda für Südtirol, die Themen wie den Landschaftsschutz, die Mobilität, das Wassermanagement etc. berücksichtigt, arbeiten, mit dem Ziel, eine Nachhaltigkeitskultur im Tourismus zu etablieren. Eines muss nämlich klar sein: Wirtschaft, Mensch und Natur sind zwar Zielkonflikten ausgesetzt, aber sie können sich nur im Einklang weiterentwickeln. <BR /><BR /><b>Wird die Wertschöpfung im Wintertourismus in Südtirol auch in 10 Jahren noch ähnlich hoch sein wie heute?</b><BR />Pechlaner: Davon bin ich überzeugt, wenn man den Winter in ein Konzept eines Ganzjahrestourismus integriert. Die Wertschöpfung wird hoch bleiben, nur wird sich die Zusammensetzung verändern. Wie erwähnt, wird es neue Ideen brauchen, was die Diversifizierung des Angebots angeht. Gelingt das und behalten wir noch dazu die Nachhaltigkeit stets im Auge, bin ich sehr optimistisch, was die Attraktivität des Wintertourismus in Südtirol betrifft. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58710556_listbox" />