"Angst vor dem Supergau: Gibt es heuer keinen Wein?!" So berichtete STOL am 21. Juni erstmals über die Wachstumstörung im Weinbau. Ab April-Mai dieses Jahres traten erstmals Wuchsstörungen an Weinreben in Südtirol auf und gleichzeitig auch in anderen Weinbauzonen Italiens, in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In einzelnen Weinbergen in Südtirol wurden Ausfälle von bis zu 80 Prozent verzeichnet.Überall dort, wo das Bayer-Mittel zum Einsatz kamDer Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau stellte fest, dass überall dort, wo derartige Wuchsstörungen auftraten, im Vorjahr das Fungizid "Luna Privilege" der Firma Bayer CropScience ausgebracht worden war. Dieses Fungizid basiert auf dem Wirkstoff Fluopyram und wird im Weinbau gegen Botrytis eingesetzt.Im vergangenen Jahr wurde es in den Weinbergen in Südtirol nahezu flächendeckend angewandt.Erste handfeste HinweiseDie Experten des Versuchszentrums Laimburg führten in enger Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Beratungsring aufwändige Feld- und Gewächshausversuche sowie Laboranalysen durch. Aus diesen Untersuchungen ergab sich ein handfester Hinweis, dass die Wuchsstörungen mit dem Pflanzenschutzmittel "Luna Privilege" in Verbindung stehen.Wird das Abbauprodukt PCA des Wirkstoffs Fluopyram in reiner Form auf Reben ausgebracht - wie es das Laimburger Forscherteam an Reben im Freienfeld und an Versuchsreben im Gewächshaus durchführte - zeigen sich an diesen Pflanzen dieselben Wuchsstörungen, wie sie in Ertragsanlagen festgestellt wurden.Seit 2012 in Italien zugelassenSeit Mai 2012 ist das Fungizid "Luna Privilege" in Italien zugelassen. Bislang waren jedoch weder bei Versuchen noch bei der Anwendung in der Praxis Probleme beobachtet worden.Am Versuchszentrum Laimburg war das Fungizid zwischen 2010 und 2014 im Rahmen der Mittelprüfung getestet worden, aber nie waren in der Folge Wuchsstörungen aufgefallen. Dafür haben die Experten der Laimburg eine erste Hypothese: Zwar ist davon auszugehen, dass das Abbauprodukt PCA des Wirkstoffs Fluopyram der Auslöser für die Wuchsstörungen ist; doch die Symptome scheinen nur dann aufzutreten, wenn auch bestimmte andere Faktoren vorliegen, die mit der Menge des Wirkstoffs, dem Zeitpunkt des Auftretens von dessen Abbauprodukt und den klimatischen Bedingungen zusammenhängen.Je höher die Konzentration, um so stärker die SchädenEinerseits stellten die Forscher fest, dass die Symptome umso stärker sind, je höher die Konzentration des Abbauprodukts des ausgebrachten Fungizids ist.Zudem scheint der Zeitpunkt eine entscheidende Rolle zu spielen: Es scheint ein Stadium des vegetativen Wachstums zu geben, in dem die Pflanze besonders empfindlich gegenüber dem Abbauprodukt PCA ist. Das haben Vesuche gezeigt, in denen die Reben im Juli und im August mit dem Abbauprodukt des Fungizids behandelt worden waren.Auch entscheidend: Wann wird gespritzt und wie feucht ist esNur infolge der Juli-Behandlung zeigten sich Symptome, nicht aber infolge der August-Behandlung. Das Forscherteam der Laimburg vermutet den Grund darin, dass die Pflanze im Monat Juli ein stärkeres vegetatives Wachstum aufweist.Dritter Faktor sind laut Versuchszentrum Laimburg die klimatischen Bedingungen: Tiefe Temperaturen, Niederschlagsreichtum sowie lang anhaltende Feuchtigkeit im vergangenen Jahr können Faktoren gewesen sein, die das Auftreten der Wuchsstörungen begünstigten.Damit ließe sich erklären, warum die Symptome nach dem niederschlagreichen Jahr 2014 auftraten, nicht aber in den trockeneren Vorjahren. Die Zusammenhänge zwischen dem Auftreten der Wuchsstörungen und den Witterungsbedingungen müssen jedoch künftig noch genauer untersucht werden.Firma Bayer geht in die OffensiveAm 19. Juni veröffentlichte die Firma Bayer CropScience in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine offizielle Erklärung, in der sie empfahl, das Pflanzenschutzmittel aus Vorsorgegründen im Weinbau nicht mehr einzusetzen. Für Italien wurde diese Empfehlung nicht ausgesprochen.Der Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau riet in einem Rundschreiben am 18. Juni vom Einsatz des Mittels ab. Die Firma Bayer CropScience hat die Untersuchungsergebnisse des Versuchszentrums Laimburg zur Kenntnis genommen und anerkannt. Anlässlich des Weinbau-Seminars im Haus der Familie in Lichtenstern am Ritten am 2. Dezember werden Vertreter der Firma dazu eine Stellungnahme abgeben.Gibt es Schandenersatz?Der Bayer-Konzern hat in einer Medienmitteilung am 13. Oktober in der Schweiz erstmals erklärt, dass er für den Schaden aufkommen werde. Am 20. Oktober folgte dann eine gleich lautende Ankündigung der Bayer Italien.Der Beratungsring für Obst- und Weinbau koordiniert die Schadensabwicklung in Südtirol. Jeder Fall wird einzeln überprüft. Um die Schadenshöhe zu ermitteln, wird die Ertragsmenge der vergangenen Jahre herangezogen und mit der heurigen Ertragsmenge verglichen.stol