„In Südtirol hat sich die Anzahl dieser sogenannten ‚working poor‘, also der arbeitenden Armen, laut den Daten der Agentur für soziale und wirtschaftliche Entwicklung in den Jahren von 2005 bis 2012 vervierfacht“, erklärte die Koordinatorin der Fachgewerkschaft. In Südtirol mit seinen hohen Lebenshaltungskosten seien diese Personen auf öffentliche Hilfeleistung angewiesen, um finanziell über die Runden zu kommen. „Neben dem Problem der geringen Quantität der Arbeitsplätze, ist auch die schlechte Qualität ein kritischer Aspekt, der vor allem Frauen, Jugendliche und Einwanderer betrifft und diese dem Armutsrisiko aussetzt“, so Grinzato.„Die prekäre Beschäftigung ist ein struktureller Teil des Arbeitsmarktes geworden und die Maßnahmen gegen die negativen Auswirkungen greifen nur teilweise und bekämpfen die Symptome, nicht aber die Ursachen“, unterstrich Silvia Grinzato."Auslaufende Verträge werden nicht erneuert"Atypische Beschäftigungsverhältnisse gebe es in allen Sektoren, sozialen Schichten und Berufsbildern.Zwischen Mai und Oktober 2013 arbeiteten in Südtirol ca. 1000 Personen mit einem Leiharbeitsvertrag, die Hälfte davon Einwanderer. „Der kritische Aspekt ist hier die fehlende Stabilisierung der Beschäftigten, die laut gesetzlichen Bestimmungen spätestens nach 42 Monaten erfolgen muss. In der Realität führt diese Schutzbestimmung allerdings dazu, dass Personen, die diese Obergrenze beinahe erreicht haben, einfach durch andere Personen ersetzt werden“, erklärte die Gewerkschaftsvertreterin.Die Südtiroler Sonderregelungen, die zu Recht die Zweisprachigkeit des Personals in der öffentlichen Verwaltung garantieren sollen, hätten zu einem explosionsartigem Anstieg der prekären Beschäftigung in diesem Bereich geführt.„Hunderte Personen werden mit prekären Arbeitsverträgen eingestellt, um den akuten Personalmangel auszugleichen. Diese Personen werden dann kontinuierlich durch Hochschulabgänger ersetzt, welche die Voraussetzung für den Zugang zu den öffentlichen Wettbewerben erfüllen. Die Prekären haben dann aber kein Anrecht auf eine soziale Abfederung.“Hinzu kämen Personen mit einem nicht vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis, deren Anzahl schwierig zu beziffern sei. Dazu gehörten die gelegentliche Mitarbeit und die sogenannte Scheinselbständigkeit mit MwSt-Nummer, die vor allem in Kleinstunternehmen und Freiberuflerbüros beschäftigt werden."Eine der wenigen erfreulichen Nachrichten" „Hier gibt es unzumutbare Arbeitszeiten und keinerlei Autonomie, was in krassem Gegensatz zu den Prinzipien der Selbständigkeit steht“, kritisierte Grinzato.Eine der wenigen erfreulichen Nachrichten sei die strengere Reglementierung von Projektverträgen und der Arbeit auf Abruf durch die Fornero-Reform. In Südtirol gebe es einen deutlichen Rückgang dieser Vertragsformen im Zeitraum zwischen Mai und Oktober 2013 im Vergleich zu 2012, in dem 4670 Projektverträge und über 8000 Verträge für Arbeit abgeschlossen worden seien.