<b>Von Doris Ebner<BR /><BR />STOL: Island ist bekannt für seine atemberaubende Landschaft und daher ein beliebtes Touristenziel. Wie kommt man aber auf die Idee, dort zu studieren?</b><BR />Johanna Torggler: Eigentlich war es Zufall, dass ich in Island gelandet bin. Ich habe mir die verschiedenen Partner-Unis meiner Universität angesehen und bin dann auf Akureyri gestoßen. Und da war für mich klar: Hier will ich hin. Ich wollte einmal in eine komplett andere Welt eintauchen und etwas sehen, was ich von zu Hause nicht gewohnt bin. Eine andere Kultur, andere Landschaften, andere Menschen. Länder wie Frankreich oder Spanien wären für mich deshalb gar nicht in Frage gekommen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58331912_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Nun bist du schon mehr als einen Monat dort. Bist du zufrieden mit deiner Wahl oder hast du deine Entscheidung inzwischen bereut?</b><BR />Torggler: Nein, bereut habe ich sie auf keinen Fall. Nach Island zu kommen, war die beste Entscheidung überhaupt und ich habe hier gerade die Zeit meines Lebens. Jeden Tag warten neue Überraschungen: Gewaltige Wasserfälle, tanzende Polarlichter, unendlich weite Schneelandschaften und bunte Wolken am Himmel. In wenigen Wochen habe ich bereits viel vom Land und seiner wunderschönen Natur gesehen und unglaublich nette Leute kennengelernt.<BR /><BR /><embed id="dtext86-58339079_gallery" /><BR /><BR /><b>STOL: Klingt nach einem begeisterten ersten Eindruck…</b><BR />Absolut. Meine erste Reaktion war ein riesengroßes „Wow“. Die Landschaft hier ist tatsächlich atemberaubend schön. Gleich am ersten Tag bin ich beispielsweise zum Wasserfall „Godafoss“ aufgebrochen– und was soll ich sagen: Ich war einfach nur sprachlos. Um dort hinzukommen, bin ich bis zu den Knien im Schnee gesteckt. Doch jeder Schritt war es wert. Die berühmten Nordlichter und polare Stratosphärenwolken habe ich ebenso bereits in der ersten Woche bestaunen dürfen. Außerdem habe ich hier eine ganz einzigartige Erfahrung gemacht: Ich bin in kristallklarem Gletscherwasser zwischen 2 Kontinenten durchgeschnorchelt. Und als ich diese Woche gemeinsam mit anderen Studenten Buckelwale aus nächster Nähe sehen konnte, wurde ein Traum für mich wahr. Ich hatte Tränen in den Augen, so schön war das Bild. <BR /><BR /> <video-jw video-id="7grc6qYM"></video-jw> <BR /><BR /><embed id="dtext86-58332440_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Und wie sieht es mit der Kultur aus?</b><BR />Torggler: Was die Kultur und die Mentalität der Isländer betrifft, so gibt es schon sehr große Unterschiede im Vergleich zu Südtirol. Die Leute hier sind deutlich introvertierter als daheim, aber ausgesprochen freundlich. Sie kommen zwar nicht von selbst auf einen zu, wenn man sie jedoch um Hilfe bittet, sind sie sofort da. Dennoch würde ich die Isländer im Vergleich zu den Südtirolern als „kälter“ bezeichnen. Auf der Straße schenkt dir hier fast niemand einfach nur so ein nettes Lächeln und auch in einen Freundeskreis aufgenommen zu werden, ist sehr schwierig. Die Menschen sind sehr direkt und legen viel Wert auf ihre eigene Kultur, die isländischen Lieder, das gewöhnungsbedürftige Essen, die Schafzucht, den Fischfang und ganz besonders auf die Sprache. <BR /><BR />Was mir zudem sofort aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass hier fast niemand zu Fuß unterwegs ist. Sogar zur Uni fahren die Studenten mit den Autos. Diese werden dann aber nicht abgeschlossen, wie bei uns, denn die Sicherheit ist in Island überall gewährleistet. Ich habe mich noch nirgends auf der Welt so sicher gefühlt wie hier. <BR /><BR /><b>STOL: Gibt es auch auf der Uni auffallende Unterschiede im Vergleich zu deinem ursprünglichen Studienort Salzburg?</b><BR />Torggler: Davon gibt es jede Menge. Generell sind die Isländer selbst nicht in den Vorlesungssälen anzutreffen. Sie besuchen ihre Kurse und Seminare großteils von zu Hause aus im Online-Modus. Die Möglichkeit gab es hier schon vor der Corona-Pandemie. Außerdem ist das Durchschnittsalter der Studenten in Island höher als in Österreich oder in Italien. Es kann durchaus sein, dass die Menschen erst mit 30 Jahren ein Studium beginnen. Dies liegt daran, dass die Familie hier klar vor der Karriere kommt. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58332443_quote" /><BR /><BR /><BR />Zu den Professoren pflegen die Studenten ein auffallend freundschaftliches Verhältnis. Eine E-Mail mit der Anrede „Sehr geehrter Herr Professor“ wäre unvorstellbar. Ich wurde sogar schon von der Mutter meines Dozenten nach einem Bier in der Stadt nach Hause gefahren. So etwas würde in Österreich wohl nie passieren. Schlussendlich unterscheidet sich auch die Organisation des Studiums von jener in Salzburg. Es werden viel mehr Ausflüge und Exkursionen gemacht, 2 Mal in der Woche gibt es eine Yoga-Einheit am Campus und auch die großen Prüfungen am Ende des Semesters kennt man in Island nicht.<BR /><BR /><b>STOL: Südtirol liegt im Herzen von Europa und ist bekannt für seine vielen Sonnenstunden. In Island hingegen ist der Polarkreis nicht weit. Ist das wettertechnisch nicht eine Herausforderung?</b><BR />Torggler: Vor allem die Dunkelheit hat mir am Beginn meines Aufenthalts schon zu schaffen gemacht. Akureyri, die Stadt, in der ich studiere, liegt zwar etwas unterhalb des Polarkreises, jedoch war es im Jänner hier tatsächlich die meiste Zeit des Tages stockfinster. Nur zwischen 11.30 und 15.30 Uhr wurde der Himmel ein bisschen grau. 16 Tage lang habe ich keinen einzigen Sonnenstrahl gesehen. Die erste Zeit habe ich mich total müde und abgeschlagen gefühlt und täglich nehme ich Vitamin D ein. Außerdem habe ich gemerkt, dass es mir sehr gut tut, trotz der Kälte an die frische Luft zu gehen und viel Sport zu treiben, unter anderem auch im Fitnessstudio der Uni. <BR /><BR />Mittlerweile wird es zum Glück nach und nach heller. Das Haus zu verlassen, ist jedoch nach wie vor ein Abenteuer. Nicht selten kommt es vor, dass man auf dem Weg zur Uni auf der eisigen Straße einfach so hinfällt – oder es kommt ein Windstoß, der einem schon mal das Brot aus der Hand weht. Wetterwarnungen stehen hier sozusagen auf der Tagesordnung. Die Verhältnisse können sich von einem Moment auf den anderen ändern. Es gibt sogar ein Sprichwort, das besagt: „Wenn dir das Wetter nicht passt, dann warte 5 Minuten, es wird noch schlechter.“<BR /><BR /><embed id="dtext86-58332444_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Island wäre also kein Ort, an dem du dir vorstellen könntest, länger zu leben?</b><BR />Torggler: Ich liebe die Landschaft und genieße hier gerade jeden einzelnen Moment. Aber ich glaube, es sind besonders die anderen Erasmus-Studenten, die meinen Aufenthalt zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Ich habe bereits Freunde aus ganz Europa, Kanada, Afrika und Amerika. Wären sie nicht da, wäre es sicher schwieriger, hier so richtig anzukommen. Wie bereits gesagt, sind die Isländer selbst sehr introvertiert und nehmen einen nicht so schnell in ihren Freundeskreis auf, vor allem, wenn man ihre Sprache nicht kann. Zudem ist das Leben hier extrem teuer. Für ein Auslandssemester würde ich mich sofort wieder für dieses einzigartige Land entscheiden. Fix hier wohnen möchte ich allerdings nicht. Auf den Espresso in der Sonne, das gute Essen und die warmherzigen Leute daheim kann ich nicht verzichten.<BR /><BR /><b>Alle weiteren STOL-Sonntagsgespräche <a href="https://www.stol.it/tag/Das%20Sonntags-Gespr%C3%A4ch" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">finden Sie hier. </a></b><BR /><BR />