<b>Von Johanna Torggler</b><BR /><BR />Daniela Wiedenhofer aus Barbian, Kathrin Kofler aus Eppan und Nadia Unterfrauner aus Feldthurns machten sich Ende Februar für ein Auslandspraktikum auf die Reise in den Osten Afrikas. Der erste Eindruck von Tansania war für die 3 Südtirolerinnen „definitiv ein Kulturschock“. Nach 18 Stunden endlich am Flughafen angekommen, ging das eigentliche Abenteuer erst los. Die Nonne, die die Mädchen abholte sprach kaum Englisch, eine SIM-Karte für das Handy konnte man sich am Flughafen nicht kaufen. Im Laderaum eines Jeeps ging die 10-stündige Autofahrt dann los. Immer wieder hielt die Nonne an, um verschiedene Dinge einzukaufen. „Am Ende saßen wir zwischen Mangos, Bananen, Zuckerrohr und unseren Koffern im Laderaum eines Jeeps, der nicht schneller als 50 Kilometer pro Stunde durch die glühende Hitze Afrikas fuhr.“ <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="877820_image" /></div> <BR /><BR />Im Sonntags-Gespräch mit STOL erzählt die 23-jährige Daniela Wiedenhofer aus Barbian über den weiteren Verlauf dieser abenteuerlichen Anreise und über die einzigartigen Eindrücke und Erlebnisse ihres Auslandspraktikums fernab von zu Hause. <BR /><BR /><b>STOL: Den ersten Eindruck von Tansania beschreibst du also als einen Kulturschock. Was brachte dich auf der Anreise noch zum Staunen?</b><BR />Daniela: Eigentlich alles. Die Lehmhütten und die armen Dörfer an denen wir vorbeifuhren, Menschen, die auf dem Boden im Schatten lagen, kleine Kinder und Frauen, die Wasser auf dem Kopf trugen. All das zu sehen war extrem beeindruckend, aber auch prägend. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58816620_quote" /><BR /><BR />Als wir auf der langen Fahrt einen Stopp einlegten, wurden wir von der Gastfreundschaft und der Offenheit der Afrikaner überrollt. Obwohl die Leute hier sichtlich arm sind, wurde uns eine unvorstellbare Menge an Essen angeboten. Gekocht wird dabei auf einer offenen Flamme mitten in der Hütte. Die offene Art der Afrikaner ist zwar wunderschön, aber am Anfang waren uns all die Fragen und Berührungen einfach zu viel. So viele Emotionen und Eindrücke in so kurzer Zeit - das mussten wir erst einmal verarbeiten. <BR /><BR /><b>STOL: Inzwischen bist du schon mehrere Wochen als Praktikantin im „Tumaini Health Centre“ in Tanga, einem christlichen Krankenhaus, das von Klosterfrauen geführt wird. Was war bisher das beste Erlebnis?</b><BR />Daniela: Definitiv die erste Geburt. Ich durfte hier bei meiner ersten Geburt sogar assistieren. Und dass diese gleich eine solche Überraschung mit sich bringt, hätte ich niemals geglaubt. Als das Baby das Licht der Welt erblickte, auf die Brust der Mutter gelegt wurde und die Hebamme die Nabelschnur abtrennte, hatte ich Tränen in den Augen. Ich konnte nicht glauben, dass ich bereits an meinem dritten Tag in Tansania bei einem derart emotionalen Geschehnis hautnah mit dabei sein durfte.<BR /><BR />Allerdings war das noch nicht alles: Als die Frau die Plazenta ausgeschieden hatte, war diese nicht rot (wie sie eigentlich sein sollte), sondern gelb. Erst beim genaueren Hinschauen merkten wir alle, dass es sich nicht um den Mutterkuchen, sondern um ein zweites Baby handelte, das sich noch in der Fruchtblase befand. Der Junge war sehr klein, bewegte sich nicht und niemand im Raum wusste, dass die Frau eigentlich Zwillinge erwartete. Wir standen da wie festgenagelt. <BR /><BR /> Die Hebamme stach die Fruchtblase auf und schüttelte das Baby ganz leicht. Als der kleine Junge dann endlich zu schreien begann brachen wir alle in Tränen aus. Ich kann diese Gefühle gar nicht in Worte fassen. Es war wohl eine Mischung aus Erleichterung, Überwältigung, Schock und Freude. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="877826_image" /></div> <BR /><embed id="dtext86-58807912_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Was sind die größten Unterschiede zu den Krankenhäusern in Südtirol und in Österreich?</b><BR />Daniela: Zuallererst fällt mir da die Hygiene ein. Im Gegensatz zu daheim gibt es hier sozusagen keine Hygiene. Das Blut nach einer Geburt haben wir einmal beispielsweise einfach mit gewöhnlicher Handseife weggeputzt, da es im Krankenhaus kein Desinfektionsmittel und keine Waschseife mehr gab. Wir tragen selten Handschuhe und Kinder werden vor der Impfung nicht desinfiziert. <BR /><BR />Außerdem sind die Patienten hier viel geduldiger als daheim. Oft warten sie stundenlang auf eine Untersuchung. Die Termine, die wir ihnen vorschlagen, nehmen sie ohne wenn und aber an. <BR /><BR /><b>STOL: Bist du bisher zufrieden mit deinem Praktikum in Tansania?</b><BR />Daniela: Ja, sehr. Das Praktikum hier würde ich als den goldenen Mittelweg zwischen schauen und lernen auf der einen Seite und selbstständigem Arbeiten auf der anderen Seite beschreiben. Obwohl über das afrikanische Gesundheitssystem oft nicht das Beste gesagt wird, habe ich hier in meinen ersten Wochen viel mehr gesehen und gelernt, als ich mir erwartet hätte. Kommt es zu brenzligen Situationen, so werden wir immer hinzugezogen, da es den Ärzten und Pflegern im Krankenhaus wichtig ist, dass wir so viel wie möglich aus dieser Zeit mitnehmen. <BR /><BR />Die Erlebnisse auf der Geburtenstation haben mich so beeindruckt, dass ich mir sogar vorstellen kann beruflich später in diese Richtung zu gehen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58807789_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Tansania zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Fast 90 Prozent der Menschen leben in Armut. Wie zeigt sich das im Arbeitsalltag?</b><BR />Daniela: Vor allem an der Ausstattung. In den Kreißsälen daheim wird einer werdenden Mutter jeder Wunsch erfüllt: Badewanne, Gymnastikbälle, beruhigende Musik, Tücher, Hocker, verschiedene Düfte, … Hier gibt es nur das, was es für eine Geburt wirklich braucht: Ein Krankenbett in der Mitte eines kleinen Raumes. Von einem Kreißsaal ist hier keine Spur. Geklagt wird hier allerdings nie. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="877823_image" /></div> <BR /><BR />Während einem Kaiserschnitt ist plötzlich der Strom ausgefallen. Eine Frau lag mit offenem Bauch auf dem Operationstisch, als das Licht ausging und ihre Vitalwerte nicht mehr angezeigt wurden. Außerdem wurde es sehr heiß im Raum, weil die Klimaanlage nicht mehr funktionierte. Eine solche Situation wäre daheim unvorstellbar. Hier hat eine Nonne mit einer Taschenlampe auf den Bauch der Mutter geleuchtet, während eine Ärztin den offenen Bauch in aller Seelenruhe zunähte. Es war beeindruckend zu sehen, wie die Frauen so ruhig geblieben sind und die Situation unter Kontrolle hatten. Obwohl ihnen hier die Mittel nicht zur Verfügung stehen, arbeiten sie extrem sauber und professionell und stehen uns in Nichts nach. <BR /><BR />Besonders beeindruckend finde ich auch, dass viele Frauen für die Geburt ihres Kindes selbst sterile Nadeln und Fäden, Tücher und das Skalpell mitbringen. Die Sicherheit, dass sterile Nadeln im Krankenhaus zu jeder Zeit vorhanden sind, gibt es nämlich nicht. Nach der Geburt gibt es kein Essen für die Mütter und auch Babyflaschen und Kinderbetten sucht man hier vergeblich. <BR /><BR />Außerdem ist hier eine einzige Hebamme für die ganze Station verantwortlich. Frei hat sie eigentlich nie und von der Geburt, bis zum Nähen danach macht sie wirklich alles selbst – meist ohne ärztliche Hilfe. Tag für Tag ist es für mich einzigartig zu sehen, wie hier, trotz Armut und wenigen Mitteln, ganz Großes erreicht wird. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58807910_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Wäre Tansania auch ein Ort, an dem du dir vorstellen könntest, für länger zu leben und zu arbeiten?</b><BR />Daniela: Nein. Als Destination für ein Auslandspraktikum würde ich mich immer wieder für Tansania entscheiden. Die Erfahrung ist wirklich einzigartig und wird mich fürs Leben prägen. Auf Dauer hier wohnen könnte ich allerdings nicht. Dafür ist mir die Arbeitsweise im Krankenhaus viel zu chaotisch und unorganisiert. Beim Arbeiten, aber auch sonst, spürt man leider auch die Armut des Landes deutlich. In unserer Unterkunft kommt zwischendurch Nichts vom Wasserhahn und auch im Krankenhaus macht sich der Wassermangel immer wieder bemerkbar. Außerdem fehlen Tupfer, Pflaster, aber zum Teil auch die Impfstoffe selbst. Kinder werden vor dem Impfen nicht desinfiziert. Das sind Kleinigkeiten, die viel ausmachen. Das Schlimme ist, dass man gerne mehr machen würde, als man wirklich tun kann, weil banale Dinge wie Desinfektionsmittel fehlen. Mit diesem Gefühl würde ich auf längere Zeit wohl nicht zurechtkommen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58807911_quote" /><BR /><BR />Außerdem ist nicht zu unterschätzen, dass man sich hier bei der Arbeit einem größeren Risiko aussetzt als daheim: Die Mittel, die man eigentlich bräuchte, um sich ausreichend zu schützen, stehen hier nicht zur Verfügung. So trage ich beim Impfen der Kinder beispielsweise keine Handschuhe. Als ich im Nachhinein erfahren habe, dass die Mutter eines Babys, das ich geimpft habe, HIV-positiv war, hatte ich natürlich ein sehr ungutes Gefühl. Während des Impfens ist mir auch schon 2-mal ein Tropfen Blut auf die Hand gekommen. Diesem Risiko ständig ausgesetzt zu sein, das wäre auf Dauer nichts für mich. <BR /><BR /><b>STOL: Du bist noch bis Ende Mai in Afrika. Was nimmst du aus dieser Zeit mit?</b><BR />Daniela: Viel Dankbarkeit. Ich durfte hier so viel Neues sehen und lernen und so viele schöne Momente einsammeln. Das Praktikum war wohl eine meiner lehrreichsten Erfahrungen überhaupt. Was ich hier sehe, werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Außerdem habe ich hier auch gelernt, Dinge nicht als selbstverständlich anzusehen und zufrieden mit dem zu sein, was ich habe. Aber auch die Herzlichkeit der Leute hier wird mir wohl ewig in Erinnerung bleiben. <BR /><BR /> <a href="https://www.stol.it/tag/Das%20Sonntags-Gespr%C3%A4ch" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Alle weiteren STOL-Sonntagsgespräche finden Sie hier.</a><BR /><BR />