<b>STOL: In Italien ist es auf Instagram und Facebook still geworden. Warum kann derzeit keine Musik mehr in den Storys abgespielt werden?</b><BR />Thomas Maniacco: Onlineplattformen – wie eben Facebook und Instagram, die zum Konzern Meta gehören – schließen mit den Rechteverwertungsgesellschaften der einzelnen Länder Verträge ab. Darin wird festgelegt, wie Musik, die bei diesen Gesellschaften hinterlegt ist, genutzt werden darf und wie diese Nutzung an die Urheber der Musik vergütet wird. Diese Verträge sind mit einer Geheimhaltungsklausel versehen, nach dem Motto „divide et impera“. Meta will also nicht, dass die einzelnen Gesellschaften wissen, wie die Verträge mit den anderen Gesellschaften ausschauen. Die SIAE vertritt Songwriter, Komponisten, Texter und Autoren in Italien und hat in dieser Funktion einen Vertrag mit Meta abgeschlossen, der im Januar 2023 ausgelaufen ist. Die Verhandlungen zur Verlängerung dieses Vertrages waren bislang erfolglos, was dazu geführt hat, dass Meta den SIAE-Katalog auf seinen Plattformen stumm geschaltet hat.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="880970_image" /></div> <BR /><b>STOL: Es sind also nur Lieder betroffen, die bei der SIAE gemeldet sind?</b><BR />Maniacco: In der Theorie, ja. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass Meta Probleme damit hat, per Algorithmus immer genau zu unterscheiden, ob ein Song bei der SIAE oder bei einer anderen Verwertungsgesellschaft gelistet ist. Dazu kommt das Problem, dass es zahlreiche Lieder gibt, die von mehreren Urhebern stammen, die bei unterschiedlichen Gesellschaften gemeldet sind. In Italien gibt es neben der SIAE außerdem die Rechteverwertungsgesellschaft „Soundreef“. Der Vertrag zwischen dieser Gesellschaft und Meta läuft derzeit noch. Trotzdem wurden auch einige Songs aus dem Soundreef-Katalog gesperrt. Dieses Problem wurde allerdings vor einigen Tagen behoben und zwar nur für Werke, die zu 100 Prozent bei „Soundreef“ hinterlegt sind. In Summe hat diese unübersichtliche Situation also dazu geführt, dass Meta weit mehr Songs gesperrt hat, als sie eigentlich wollten.<BR /><BR /><b>STOL: Es ist also auch Musik von Südtiroler Musikern nicht mehr abrufbar?</b><BR />Maniacco: Südtirol nimmt bei dieser Thematik wie so oft eine Sonderstellung ein. Jedem Künstler steht es frei, sich die Verwertungsgesellschaft auszusuchen, bei der er seine Werke anmelden möchte. Durch die Nähe zum deutschen Sprachraum und die deutsche Sprache sind daher viele Südtiroler bei der GEMA (Deutschland) oder der AKM (Österreich) gemeldet und somit nicht direkt vom Streit zwischen der SIAE und Meta betroffen. Das könnte sich allerdings schnell ändern, wenn auch deren Verträge mit dem Facebook-Mutterkonzern neu verhandelt werden müssen. Viele Musiker aus Südtirol sind allerdings bei der SIAE gemeldet und damit direkt von diesem Streit betroffen. Zudem wurden zahlreiche Songs auch fälschlicherweise gesperrt. Darunter auch zahlreiche Songs von Südtiroler Songwritern.<BR /><BR /><b>STOL: Woran sind die Verhandlungen gescheitert?</b><BR />Maniacco: Diese Verhandlungen sind von Grund auf problematisch, weil die Machtverhältnisse deutlich zugunsten von Meta verteilt sind. Meta tritt als multinationaler Konzern an den Verhandlungstisch mit einer „kleinen“ nationalen Verwertungsgesellschaft. Deshalb hat Meta versucht, seine Konditionen zu diktieren. Die SIAE sollte ein vom Internetriesen vorgeschlagenes Lizensierungsgeschäft akzeptieren, ohne dass auf ihre Forderungen nur im Entferntesten eingegangen wurde. Meta hat daraufhin gedroht, den SIAE-Katalog von seinen Plattformen zu entfernen. Als die SIAE sich davon nicht einschüchtern gelassen hat, ist es schließlich tatsächlich so weit gekommen.<BR /><BR /><b>STOL: Was fordert die SIAE von Meta?</b><BR />Maniacco: Die SIAE hat die Aufgabe dafür zu sorgen, dass Urheber vergütet werden, wenn eines ihrer Werke genutzt wird. Einfach ausgedrückt: Wann immer Musik irgendwo genutzt wird – egal ob bei einem Konzert, im Radio oder eben in Sozialen Netzwerken – ist es die Aufgabe der SIAE, Geld einzusammeln, das den Songwritern, Komponisten und Textern als Urheber zusteht und es an sie auszuzahlen. Der SIAE geht es also darum, die Rechte ihrer Mitglieder einzufordern und durchzusetzen - auch gegenüber von Meta. In der Vergangenheit war es üblich, dass Meta diktiert hat, wie die Nutzung von Musik auf seinen Plattformen verrechnet wird. Für Musikautoren schauten dabei nur mikroskopisch kleine Centbeträge pro Stream heraus. Die SIAE hat nun gefordert, dass Meta seine Zahlen offenlegt und transparent angibt, wie häufig Musik aus dem SIAE-Katalog auf seinen Plattformen genutzt wird und welchen Mehrwert das Unternehmen damit generiert. Nur so kann der tatsächliche Wert des Repertoires bewertet und abhängig davon eine faire Vergütung für die Autoren festgelegt werden. Dazu hat sich Meta bis heute nicht bereit erklärt.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="880973_image" /></div> <BR /><BR /><b>STOL: Künstler werden also nicht gerecht vergütet. Ein altbekanntes Phänomen?</b><BR />Maniacco: Leider ist das so. Man sollte sich bewusst sein, dass in jedem Song neben harter Arbeit auch eine große Menge an Geld für die Produktion steckt. Deshalb sollte es selbstverständlich sein, dass die Urheber eines Werkes dafür vergütet werden, wenn ihr Werk in jeglicher Form genutzt wird. Besonders im Internet erhalten Künstler häufig nicht, was ihnen eigentlich für die Nutzung ihrer Werke zustehen würde. Mittlerweile werden in Italien 5 bis 6 Prozent der gehörten Musik auf Social-Media-Plattformen gestreamt: Dieses Segment wuchs 2022 um 37,3 Prozent und insbesondere auf den Plattformen von Meta wurden in Italien angeblich mehr als 20 Millionen Euro Umsatz für die Musikindustrie generiert. Über viele Jahre konnten sich Internetgiganten wie Meta darauf berufen, dass nicht sie für die Inhalte auf ihren Plattformen verantwortlich sind, sondern die User. Erst eine EU-Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt aus dem Jahr 2019 hat Konzerne wie Meta in die Verantwortung geholt und sie verpflichtet, für die Nutzung von urheberrechtlich geschützter Musik zu bezahlen. Wir sehen also, dass wir es hier mit einem noch jungen Thema zu tun haben. Vieles muss erst geregelt werden und hängt noch in der Schwebe. Ich bin überzeugt, die Position der Künstler und vor allem der Autoren muss gestärkt werden. Solche Initiativen, wie jene der SIAE können, dabei helfen. Die aktuelle Situation wirft auch Fragen auf, wer den eigentlichen Wert von Social Media generiert? Ohne Content sind die Plattformen nur eine leere Hülle. Der eigentliche Wert wird erst durch die Inhalte der Urheber – egal ob Videomaker, Fotografen, Musiker oder andere Kreative – kreiert. Häufig wird diese geistige und kreative Arbeit unterbewertet. Dass die Urheber ihre Werke auf den Sozialen Medien bewerben können, kommt einer Bezahlung nicht gleich. Davon kann niemand leben. Hier muss sich etwas tun.<BR /><BR /><b>STOL: Sind daran auch die User schuld?</b><BR />Maniacco: Ich denke, dass es zu diesem Thema eine große Unwissenheit gibt, sei es vonseiten vieler Autoren als auch vonseiten zahlreicher Nutzer. Wer 9,99 Euro für ein monatliches Abo von Spotify bezahlt und dafür das gesamte globale Musikangebot zur Verfügung gestellt bekommt, muss sich bewusst sein, dass für die einzelnen Urheber dabei nicht viel herausspringen kann. Es braucht also viel Aufklärung und ein breiteres Verständnis für die Situation der Urheber. Dass diese nun auch im italienischen Parlament thematisiert wird, zeigt, wie wichtig dieses Thema ist.<BR /><BR /><b>STOL: Wie bewerten Musiker die aktuelle Situation?</b><BR />Maniacco: Es ist ein Dilemma. Natürlich ist es für Musiker – egal ob Newcomer oder Superstar – wichtig, wenn sie ihre eigene Musik auf Facebook und Instagram einbinden und sie damit bewerben können. Dort können sie schließlich eine immense Anzahl von Fans und potenziellen Fans erreichen. Dass ihnen diese Möglichkeit aktuell verwehrt wird, löst nachvollziehbaren Ärger aus. Auf der anderen Seite ist es die Aufgabe der SIAE, sich für die Rechte ihrer Mitglieder einzusetzen. Das kann unter Umständen auch „extreme“ Maßnahmen erfordern, wie wir sie derzeit erleben. Ich bin der Ansicht, dass die Position der SIAE nachvollziehbar ist. Auch wenn viele Musiker, die ihre Musik jetzt nicht mehr auf Facebook und Instagram bewerben können, nun benachteiligt sind, geht es der SIAE darum, auf lange Sicht die Situation der Künstler zu verbessern. Das ist auch dringend notwendig. <BR /><b><BR />STOL: Wie könnte es jetzt weitergehen?</b><BR />Maniacco: Das kann momentan niemand vorhersagen. Wir befinden uns in einer Pattsituation und keine der beiden Parteien scheint von ihren Standpunkten abzuweichen. Der Streit zwischen Meta und der SIAE könnte hoffentlich der Anstoß für Verwertungsgesellschaften auch in anderen Ländern sein, sich gegen das Diktat dieser Konzerne aufzulehnen und bessere Konditionen für die Urheber auszuhandeln. Wünschenswert wäre zum Beispiel, dass diese Nutzungsverträge nicht mehr mit den einzelnen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen werden, sondern dass sich diese zusammenschließen und eine Art Kollektivertrag aushandeln. Sie hätten dann eine deutlich stärkere Verhandlungsposition, wenn auch andere Länder oder sogar der gesamte Musikmarkt damit drohen würde, die Meta-Plattformen zu boykottieren.<BR />