Mustafa Zeeshan wird der Tat beschuldigt, doch der Mann gibt bis heute an, dass er nur sehr bruchstückhafte Erinnerungen an die Mordnacht hat. <BR /><BR />Mustafa Zeeshan weint herzerweichend, erst nach wiederholter Nachfrage der Disponentin der Notrufzentrale ist er imstande, seine Adresse zu nennen. Dann schluchzt er weiter. Nachdem die Stimme des Mannes, dem vorgeworfen wird, seine Frau Fatima und das gemeinsame ungeborene Kind getötet zu haben, verklingt, ist es im Gerichtssaal beklemmend still.<BR /><BR />Wohl niemand konnte sich der Verzweiflung entziehen, die aus den wenigen gestammelten Worten am Telefon herauszuhören war. Mustafa Zeeshan (38) wird zur Last gelegt, die im achten Monat schwangere Fatima in der Nacht auf den 30. Jänner 2020 in der gemeinsamen Wohnung in Vierschach ermordet zu haben. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="767618_image" /></div> <BR />Ob er sich erst später, als er um 10.26 Uhr Alarm schlug, wirklich bewusst wurde, was passiert war – dazu werden bald die psychiatrischen Gutachter Stellung nehmen. Bis heute will sich Zeeshan nur daran erinnern, wie er den reglosen Körper seiner Frau aufs Bett gelegt hat. Nach seiner Verhaftung hatte er tagelang jegliche Nahrung und Flüssigkeit verweigert und blieb im Spital, bevor er ins Bozner Gefängnis kam. Dort hatte er dann im Abstand von einigen Monaten 2 Selbstmordversuche begangen.<BR /><BR />Im Gegensatz zu Zeeshan hatte der Zeuge, der gestern den Großteil der Verhandlung vor dem Schwurgericht bestritt, eine ziemlich genaue Vorstellung vom Tathergang. Major Christiano Faccinetto von den Forensikern des RIS in Parma ist das, was man durchaus einen „Tatort-Flüsterer“ nennen könnte. <BR /><BR />Der Direktor der biologischen Abteilung des RIS-Labors hat sich in den USA darauf spezialisiert, anhand von Blutspuren den Tatort zum „Sprechen“ zu bringen. Dazu bediente er sich u.a. eines Laser-Scanners, mit dem die Wohnung in Vierschach „abgetastet“ wurde. Die unzähligen, so zusammengefügten Fotos ermöglichten dem Schwurgericht einen virtuellen 3-D-Rundgang durch die Räumlichkeiten, mit besonderem Augenmerk auf das Schlafzimmer. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="767621_image" /></div> <BR />Wie Faccinetto ausführte, befanden sich im Doppelbett keine Blutspuren, dafür aber am Boden zwischen der Tür und dem Einzelbett, auf dem Fatima Zeeshan aufgefunden worden war, sowie an der Innenseite der Tür. An beiden Stellen war das Blut bereits geronnen. Eine Schmierblutung befand sich auf der Matratze, auf der das Opfer neben einem Schal, der teils blutgetränkt war, lag. Auch Speichel wurde darauf gefunden. <BR />Fatima Zeeshan hatte aus dem linken Ohr geblutet, war dort wahrscheinlich von einem Schlag getroffen worden, auch das Kinn war bei ihrer Auffindung blutig. Das Gesicht war aufgedunsen – dazu könnte es infolge des Erstickungstodes oder durch Tritte gekommen sein, hatte die Leichenbeschau ergeben. Endgültige Klarheit wird die Aussage von Rechtsmediziner Dario Raniero am nächsten Prozesstag bringen. <h3> Das mögliche Szenario</h3>Anhand der gesicherten Spuren rekonstruierte der RIS-Experte folgendes Szenario: Das Schlafzimmer war der Tatort, der nicht gereinigt worden war. Es geschah zwischen Bett und Tür. „Das Opfer lag dann mit dem Gesicht am Boden, bis das Blut geronnen ist, möglicherweise trat dort bereits der Tod ein“, sagte Faccinetto. Fatima Zeeshan könnte aber auch nur bewusstlos gewesen sein, als sie aufs Bett gelegt wurde, dabei streiften wahrscheinlich ihre blutverkrusteten Haare die Tür. Der Schal dürfte – wie die Blut- und Speichelspuren „erzählen“ – mit ihrem Gesicht in Kontakt gekommen sein. Das würde die These der Staatsanwaltschaft untermauern, wonach Fatima Zeeshan mit dem Schal erstickt worden sei.<BR /><BR /><BR /><BR />