Ein Forschungsteam des Instituts Eurac Research hat diese Funde genauer unter die Lupe genommen. Dabei handelte es sich um Grabbeigaben und menschliche Überreste – Skelette ebenso wie einzelne Knochen. Die Funde werfen Fragen auf: Waren die auf dem Friedhof Bestatteten unterschiedlicher Herkunft? Und waren im selben Grab gefundene Individuen miteinander verwandt? <BR /><BR />Fast 40 Jahre danach geben anthropologische und genetische Analysen erste Antworten. Es ergäben sich zugleich Einblicke in die Wanderungsströme und die soziale Organisation des frühen Mittelalters bzw. den Zeitraum des 4. bis 7. Jahrhunderts n. Chr. Grabbeigaben in einem Grab nahe am Altar – Teile eines Gürtels – deuten auf einen Mann einer anderen Kultur und möglicherweise einer anderen Herkunft hin. Dass in diesem Grab (Nr. 2) mehrere Menschen gefunden wurden, lasse auf ein Familiengrab schließen, wird in der Aussendung erklärt.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1006583_image" /></div> Aus archäologischen Daten gehe hervor, dass das Ende des Römischen Reiches im Frühmittelalter die Zuwanderung von Menschen aus dem Norden, Westen und Osten begünstigte, weshalb sich die Archäologen fragen, ob die bei Burgeis bestatteten Menschen möglicherweise ursprünglich aus verschiedenen Gegenden stammten. Lebten damals also z. B. Menschen anderer Herkunft im Obervinschgau? Oder kamen die damaligen Obervinschger einfach nur „in Kontakt“ mit Angehörigen anderer Völker? Solche Fragen stellt sich die Wissenschaft, die genetischen Analysen gäben aber „keine endgültigen Antworten“. Sie könnten aber helfen, Antworten zu finden, sagt die Biologin Valentina Coia.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1006586_image" /></div> <BR />Die Analysen zeigten eine ausgeprägte Heterogenität bzw. Vielfalt auf genomischer Ebene, aber auch eine genetische Hauptkomponente, die sich nach Südeuropa bzw. nach Mittelitalien zurückverfolgen lasse. <BR />Dies deute nicht auf die Anwesenheit von „Migranten“ hin, sondern auf eine „genetische Vermischung mit Menschen unterschiedlicher Herkunft“. Eine derart große genetische Vielfalt in einem kleinen Bergfriedhof habe man sich nicht erwartet. <BR />Wer waren die Toten? Die Nähe zum Altar, die Grabbeigaben und die Art der Bestattung ließen darauf schließen, dass das Grab einer Familie mit hohem sozialen Status gehörte. Die Überreste in Grab Nr. 2 stammten z. B. von mindestens 13 Individuen, von denen die meisten genetisch miteinander verwandt waren – man fand z. B. Überreste von Vater und Sohn. Allerdings bestand nicht zwischen allen eine biologische Verwandtschaftsbeziehung, es habe auch Überreste einer Frau mit nordeuropäisch geprägten Genen gegeben. „Diese Ergebnisse deuten auf eine mögliche Familia hin, das heißt, eine Gruppe, in der nicht nur die biologischen Bindungen zwischen Individuen zählten, sondern auch Beziehungen, die über die Verwandtschaft hinausgingen. Die Studie gibt uns also Aufschluss über die damalige Sozialstruktur in diesem Gebiet“, sagt die Bioarchäologin Alice Paladin.<BR />Nach all den Analysen könne man sagen, dass der kulturelle Austausch, der zu jener Zeit in dem Gebiet des Obervinschgau stattfand, von „komplexen Prozessen der genetischen Vermischung begleitet wurde“, fassen die Forscherinnen wissenschaftlich formuliert zusammen. Mit anderen Worten könnte man vielleicht sagen: Die Menschen kamen sich wohl nicht nur kulturell näher.