Nach dem Einsturz des Hallendachs in Sterzing schaut so mancher besorgt aufs Hausdach, wo sich in diesem Winter der Schnee türmt. Wie viel hält das Dach aus? Was sind Alarmzeichen, wenn dort oben zu viel Gewicht liegt? s+ hat den Meraner Bauingenieur Philipp Gamper gefragt. <i><BR /><BR /><BR />Interview: Martin Lercher</i><BR /><BR /><BR /><b>Nach dem Einsturz des Hallendachs in Sterzing fragen sich viele: Wie viel hält mein Hausdach aus? Wie viel?</b><BR />Philipp Gamper: Der Gesetzgeber gibt genaue Vorgaben, welche Schneelasten vom Bauingenieur für die Bemessung einer Dachstruktur berücksichtigt werden müssen. Diese Schneelast ist regional unterschiedlich und hängt wesentlich von der Meereshöhe des Standortes ab. Die anzuwendenden Formeln beruhen auf statistische Auswertungen der meteorologischen Daten aus der Vergangenheit. Ein weiter Faktor für die Berechnung der Schneelast ist die Dachform. <BR /><BR /><b>Welche Last muss ein Dach also aushalten?</b><BR />Gamper: Konkret: Für ein Gebäude in Südtirol auf 500 m Meereshöhe ergibt sich eine Schneelast von 164 kg/m², während auf einer Meereshöhe von 1.000 m eine Schneelast von 321 kg/m² anzusetzen ist. Die Bemessung aller Tragstrukturen eines Bauwerkes muss per Gesetz von einem befähigten Techniker, in der Regel ein Bauingenieur, durchgeführt werden. Die technischen Normen sehen zudem Sicherheitsfaktoren und Lastfallkombinationen vor, die dem Eigentümer zusätzliche Sicherheitsreserven garantieren. Speziell bei Flachdächern ist die Wartung von großer Bedeutung. Verstopfte Dachentwässerungen können eine Staueffekt bewirken und die Belastung der Dachstruktur signifikant erhöhen.<BR /><BR /><BR /><b>Speziell jetzt im Winter: Ab welcher Schneehöhe wird es kritisch?</b><BR />Gamper: Nicht die Schneehöhe, sondern das Gewicht ist ausschlaggebend. Schnee hat je nach Feuchtigkeit und Dichte ein unterschiedliches spezifisches Gewicht; es variiert zwischen 40 kg/m³ bei trockenem Neuschnee, ca. 400 kg/m³ bei feuchtem Altschnee und ca. 800 kg/m³ bei Eis. Das bedeutet, dass 2 Meter Neuschnee ein Dach gleich belasten, wie 20 cm nasser Altschnee oder 10 cm Eis. <BR /><BR /><embed id="dtext86-47826061_quote" /><BR /><BR /><b>Ein Blick aufs Dach kann also nicht schaden...</b><BR />Gamper: Bei außergewöhnlichen Schneeansammlungen empfiehlt es sich, das spezifische Gewicht zu ermitteln, indem man einen Behälter mit definiertem Volumen mit Schnee füllt und diesen dann abwiegt; zusammen mit der Schneehöhe lässt sich dann die vorhandene Schneelast berechnen. Mit diesem Wert kann ein Statiker eine Einschätzung der Auslastung der Dachstrukturen durchführen. Zusammen mit den Wettervorhersagen kann dann bewertet werden, ob ein Dach durch Abschöpfen entlastet werden muss oder ob durch zusätzliche Unterstützungen die Stabilität gesichert werden kann. Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass eine gute Planung der Tragstrukturen ausreichende Sicherheit gewährt.<BR /><BR /><BR /><b>Welchen Einfluss haben die sehr verbreiteten Sonnenkollektoren?</b> Gamper: Solarkollektoren haben je nach Dachaufstellung keine unmittelbare Auswirkung auf die Schneelast, außer es kommt durch Aufständerungen zu Schneeanhäufungen. Wichtig ist eine statisch korrekte Montage, damit die Solarpaneele Wind- und Schneebelastungen standhalten. Bei dachparallelen Aufstellungen kann es zu Dachlawinen kommen; entsprechend sind daher Schneestopper vorzusehen. Da Solaranlagen zur Sonne hin exponiert sind, schmilzt der Schnee dort schneller als auf schattenseitigen Dachflügeln.<BR /><BR /><b>Welche Alarmzeichen gibt es, dass das Dach nicht so stabil ist?</b><BR />Gamper: Der regelmäßigen Wartung kommt eine wesentliche Bedeutung bei der Standsicherheit von Bauwerken zu. Speziell bei Wasserinfiltrationen in Holzdächern können die Elemente dauerhaft in Mitleidenschaft gezogen werden. Ein angefaulter oder von Pilzen befallener Holzträger verliert seine Stabilität und kann in weiterer Folge bei hohen Schneelasten versagen. Grundsätzlich haben unsere klassischen Satteldächer in Holzbauweise eine hohe Tragreserve. Ein Holzbalken verformt sich sehr stark, bevor er bricht. In Südtirol, wie auch darüber hinaus, gibt es eine hohe Qualität in der Planung und Bauausführung. Ein Bauherr ist gesetzlich verpflichtet, einen befähigten Statiker mit der Planung und der Bauleitung der Tragstrukturen zu beauftragen. Zudem werden die Tragstrukturen nach deren Errichtung von einem unabhängigen statischen Abnahmeprüfer abgenommen. Erst mit dieser Abnahmeprüfung erhält der Bauherr die Benutzungsgenehmigung.<BR /><BR /><i>Philipp Gamper ist freiberuflicher Bauingenieur, Vorstandsmitglied der Ingenieurkammer Bozen und Präsident des interdisziplinären Ausschusses der technischen Berufskammern</i><BR /><BR />