Freitag, 8. September 2023

Tausende Südtiroler haben Schwierigkeiten mit lesen und schreiben

Es handelt sich um ein stark tabubehaftetes Thema, allerdings drängt es sich letzthin doch vermehrt in die Öffentlichkeit. Denn nur dann kann ein Schritt nach vorne gelingen, eine befreiende Enttabuisierung. Die Rede ist von funktionalem Analphabetismus, immer öfter als geringe Literalität bezeichnet. Schätzungen zufolge ist davon jeder zehnte Erwachsene betroffen – folglich hierzulande an die 40.000 Menschen.

Am heutigen Welttag der Alphabetisierung räumt Logiudice zudem mit so manchen falschen Vorstellungen auf. - Foto: © Shutterstock / shutterstock

Dieses Phänomen umfasst all jene erwachsenen Menschen, die beträchtliche Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben, vor allem erschließt sich ihnen oftmals nicht der Sinn der Texte. Es handelt sich allemal um eine bedeutende Problematik, denn vorsichtigen Schätzungen zufolge ist davon jeder zehnte Erwachsene betroffen – folglich hierzulande an die 40.000 Menschen.

Letzthin wurden die Bemühungen verstärkt, die Betroffenen mit gezielten Angeboten anzusprechen. „In Österreich und Deutschland gibt es bereits spezifische Basisbildungskurse, nun haben wir auch einen Pilotkurs in Schlanders abgeschlossen“, sagt Sonja Logiudice von der Sprachenförderung im Landesamt für Weiterbildung. Mit den Lernwilligen nahm die ausgebildete KVW-Basisbildungstrainerin Heike Walden-Pünsch einfache Texte durch, wobei sie neben der Verständlichkeit vor allem auf Praxisbezug und Notwendigkeit im täglichen Leben achtete.

Schamgefühl als große Hürde

Um dies bewerkstelligen zu können, aber auch um einen privaten Rahmen zu gewährleisten, wurden Einzeltrainings abgehalten. Sonja Logiudice erklärt: „Es ist unheimlich schwierig, Menschen mit geringer Literalität dafür zu gewinnen, weil sie sich einerseits schämen und andererseits Fortschritte mit großen Anstrengungen verbunden sind. Es ist durchaus vergleichbar mit dem Erlernen einer Fremdsprache – beschwerlich und mit viel Geduld verbunden.“

Vor allem wegen des Schamgefühls würde nur ein verschwindend geringer Bruchteil der Betroffenen Beratungsgespräche und in weiterer Folge spezifische Kurse aufsuchen. Allerdings will man im Bildungsressort dranbleiben, denn nach dem gelungenen Pilotversuch in Schlanders sind nun auch in Bozen und Bruneck weitere Anlaufstellen geplant.

Mehrere Faktoren spielen eine Rolle

Am heutigen Welttag der Alphabetisierung räumt Logiudice zudem mit so manchen falschen Vorstellungen auf: „Die allerwenigsten von ihnen haben kognitive Probleme, sondern vielfach handelt es sich um ein ungünstiges Zusammenspiel mehrerer Faktoren – beispielsweise ein sehr geringes Selbstwertgefühl oder eklatante Familienprobleme im Schulalter.“ In der Regel können gering literalisierte Menschen auf die Unterstützung eines Partners oder eines nahen Verwandten bauen.

Falls diese Stütze aus irgendeinem Grund jedoch abhandenkommt, stehen sie vor echten Problemen. Gerade auch deshalb solle offen über dieses heikle Thema gesprochen werden.

az

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