„Ein Verbrechen ohne Motiv – das ist der Kernpunkt dieses Prozesses“, sagte Verteidiger Federico Fava. Es stimme nicht, dass Fatima Zeeshan von ihrem Mann eingesperrt worden sei. Er erinnerte an die Aussagen mehrerer Zeugen, die die Frau allein spazieren gehen oder beim Einkaufen gesehen hatten. Sie habe einen eigenen Hausschlüssel gehabt und ein eigenes Bankkonto, ihr Mann konnte darauf nur einzahlen, aber nichts beheben. Niemand habe von einem Streit zwischen dem Ehepaar gehört. Die Hebamme, die Fatima Zeeshan betreute, habe nie Verletzungen an ihr gesehen. Im Gegenteil: Mustafa Zeeshan sei liebevoll um seine Frau bemüht gewesen, wenn er sie zu den Untersuchungen begleitete.<BR /><BR /> Einmal habe er aus Arbeitsgründen früher gehen müssen, Fatima Zeesahn sei problemlos allein im Bus heimgefahren. Auch Nachbarn, Bekannte und Arbeitskollegen hatten Zeeshan als zwar in sich gekehrten, aber immer ruhigen, freundlichen und fleißigen Mann beschrieben. Als es am Arbeitsplatz einmal zu Spannungen gekommen sei, habe er nicht aggressiv reagiert, sondern seine Jacke genommen und sei gegangen.<BR /><BR /> Dass Fatima Zeeshan außer mit einer Nachbarin – eine Landsfrau – in Vierschach kaum Kontakte gehabt habe, sei keinesfalls darauf zurückzuführen gewesen, dass ihr Mann dies verhindert hätte: Vielmehr habe sie erst seit einigen Monaten in dem kleinen Dorf gewohnt und die Landessprachen noch nicht beherrscht. <h3> „Nicht über Kultur urteilen“</h3>Dass die Ehe von den Eltern des Paares arrangiert worden sei, sage nichts über deren Qualität aus, das sei in Pakistan Tradition – „ob uns das gefällt oder nicht. Wir würden einen Fehler machen, wenn wir unser Lebensmodell drüberstülpen wollten“, so Fava. Das Schwurgericht dürfe nicht über eine Kultur urteilen. Selbst der psychiatrische Amtssachverständige Eraldo Mancioppi habe eigenen Angaben zufolge „keinen Grund gesehen, um zu denken, dass es sich um kein harmonisches Paar“ gehandelt habe. Damit bleibe die zentrale Frage offen, weshalb für ein so schweres Verbrechen kein Tatmotiv und keine Erklärung ersichtlich sei. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="874325_image" /></div> <BR /><BR />Was letzteres angeht, erinnerte Favas Kollegin Amanda Cheneri an die Aussage der psychiatrischen Gutachterin der Verteidigung, Anna Palleschi. <h3> Katatonie: Ein Symptom der psychotischen Depression</h3>Zeeshans Verhalten liefere ihr zufolge ausreichend Hinweise auf eine psychotische Depression. Er sei in einer Aufnahme in einem so genannten katatonischen Zustand zu sehen. Die Katatonie sei ein Symptom der psychotischen Depression, die zu dissoziativen Momenten führen könne. Dies würde erklären, weshalb Zeeshan sich bis heute nur erinnern könne, dass er seine Frau tot am Boden liegend vorgefunden und aufs Bett gehoben haben will. <BR /><BR /> Verteidigerin Cheneri betonte, dass ihr Mandant in einem dissoziativen Zustand war, als er gegenüber den Carabinieri eine spontane Erklärung abgegeben habe, mit nachweislich unlogischen Aussagen. Mustafa Zeeshan sei kein Manipulator: Nichts, was er je ausgesagt habe, habe ihm zum Vorteil gereicht. <BR /><BR />Mustafa Zeeshan sei zum Tatzeitpunkt nicht einsichts- und willensfähig gewesen. Deshalb sollte er freigesprochen werden, untergeordnet sollten ihm die allgemein mildernden Umstände zugestanden und diese als gewichtiger als die erschwerenden gewertet werden, mit einem Mindestmaß der Strafe, forderte Fava. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass Zeeshan im Gefängnis seit fast 3 Jahren mit Psychopharmaka behandelt wird. <BR /><BR />Angesichts dessen und den jüngsten Erkenntnissen beantragte der Verteidiger die Zulassung eines neuen Beweismittels – eines Psycho-Gutachtens, um jeden Zweifel an Zeeshans Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt auszuräumen. <BR /><BR />Heute fällt somit entweder das Urteil – die Staatsanwaltschaft hatte lebenslänglich gefordert – oder Mustafa Zeeshans Schuldfähigkeit kommt erneut auf den Prüfstand. <BR /><BR /> <a href="https://www.stol.it/tag/Mordfall%20Zeeshan" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Alles zum Fall nachlesen können Sie hier.</a>