<b>STOL: Herr Achammer, wie bewerten Sie die Ereignisse der vergangenen Tage in Rom?</b><BR /><BR />Philipp Achammer: Adjektive wie absurd, unwirklich und unverantwortlich passen am ehesten zu dieser Situation. Mehrere Parteien haben einen Ministerpräsidenten nach Hause geschickt, der für Italien das größte Ansehen, die größte Souveränität und auch die größte Glaubwürdigkeit der jüngeren Geschichte gesichert hat. Das aus parteipolitischen Interessen und das ist in der aktuellen Situation schändlich. Dieses Verhalten wird auch sicherlich nicht von der Bevölkerung nicht belohnt werden. Gerade in einer derart delikaten Phase – Auslaufen der Pandemie, Krieg in Europa, Energiekrise und starke Teuerung – bräuchte man eine handlungsfähige Regierung. Einen sehr, sehr glaubwürdigen, angesehenen und in Europa geschätzten Ministerpräsidenten zwingt man in dieser Situation aus fadenscheinigen Gründen zum Rücktritt. Das ist total absurd und unverantwortlich.<BR /><BR /><b>STOL: Hätten Sie damit gerechnet, dass Mario Draghi tatsächlich als Ministerpräsident zurücktreten wird?</b><BR /><BR />Achammer: Mittwochfrüh hat es eigentlich noch gut ausgesehen, dass die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalten würde. Selbst wir, die wir in der Politik tätig sind, haben bis heute nicht den wahren Grund verstanden, warum man diese Situation genutzt hat, um Draghi nach Hause zu schicken. Wie sollen es dann erst recht die Bürger verstehen? Meiner Meinung nach war es machtpolitisches Kalkül und nichts anderes. Draghis Rücktritt mag zwar – was ich auch nicht verstehen kann – im Interesse Einzelner liegen, aber ganz bestimmt nicht im Interesse der Bevölkerung und des Landes. Es ist wirklich frustrierend, weil man an vielen Dingen gemeinsam mit Rom gearbeitet hat, die nun noch dringend zu entscheiden gewesen wären. Jetzt scheint alles in die Brüche zu gehen und das Vertrauen kann aktuell ausschließlich dem Staatspräsidenten entgegengebracht werden. <BR /><BR /><embed id="dtext86-55270038_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Wie wird es nun weitergehen?</b><BR /><BR />Achammer: So wie es in diesen Stunden ausschaut, gilt die Auflösung des Parlamentes als wahrscheinlichstes Szenario. Auch wenn ich eine kleine Resthoffnung hatte, dass zumindest der Staatshaushalt noch verabschiedet werden könnte. Aber weil fast alle Parteien Neuwahlen anstreben, ist es natürlich schwierig auch nur Übergangsweise eine andere technische Regierung einzusetzen. Deshalb sind Neuwahlen wohl die einzige Möglichkeit. Den Wählern nun die Entscheidung zu überlassen, ist in einer derartigen Situation aber die schlechteste Antwort, die die Politik meiner Meinung nach geben kann.<BR /><BR /><b>STOL: Was bedeutet Draghis Rücktritt für Südtirol?</b><BR /><BR />Achammer: Viele Projekte und Durchführungsbestimmungen, die mit dieser Regierung auf den Weg gebracht wurden, sind nun hinfällig, auch wenn sie bereits auf der Zielgerade waren. Das ist schon sehr frustrierend: Schlussendlich will man etwas für die Menschen erreichen. Wenn diese Bemühungen nun durch parteipolitische Interessen kaputt gemacht werden, dann ist das sehr, sehr,sehr frustrierend.