Freitag, 12. Januar 2024

Amtsmissbrauch: Ja zu Abschaffung – Nein zu Freibrief

Viele Bürgermeister in Südtirol begrüßen es, dass Amtsmissbrauch als Straftatbestand in Italien abgeschafft werden soll. Dies dürfe aber nicht einem Freibrief gleich kommen.

Wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht: Am Ende ist es fast nie zu Verurteilungen gekommen. Erika Gamper - Foto: © Erika Gamper

„Es kann nicht sein, dass ein Bürgermeister jahrelang in der Öffentlichkeit als Verbrecher dargestellt wird und dann freigesprochen wird“, meint Gemeindenverbandschef Andreas Schatzer.„ Das muss ganz neu geregelt werden.“ Eine komplette Abschaffung des Straftatbestandes wäre aber auch keine Lösung, meint Schatzer. Dem pflichtet der Ex-Bürgermeister von Brixen und nunmehrige SVP-Landtagsabgeordnete, Peter Brunner, bei. „Es darf keinen Freibrief geben.“

Wie berichtet, hat der Justizausschuss des Senats den Straftatbestand des Amtsmissbrauchs gestrichen – Artikel 323 des Strafgesetzbuches.

Gemeindenpräsident Schatzer spricht sich dafür aus, „dass die gesamte Materie überarbeitet wird“. Ein Bürgermeister müsse so viele Dinge erledigen und unterschreiben, da könne es ihm trotz guter Absicht passieren, „dass ihm etwas durch die Lappen geht“ – mit gerichtlichen Folgen.

„Derzeitige Bestimmung ist schwammig“

Für die Abschaffung des Straftatbestandes des Amtsmissbrauchs „in der derzeitigen Form“ spricht sich auch SVP-Senator Meinhard Durnwalder aus. „Die derzeitige Bestimmung ist in ihrer Formulierung schwammig. Sie wurde in ihrer Anwendung für alles herangezogen.“

Auf Tausende Verfahren wegen angeblichen Amtsmissbrauchs seien in Italien nur wenige Verurteilungen erfolgt. Sollte es wegen der Abschaffung des Amtsmissbrauchs „zu einer Lücke im System“ kommen, dann wäre er dafür, eine neue Formulierung zu finden, um diese Lücke zu schließen, meint Durnwalder. Mit der derzeitigen Bestimmung und den vielen Prozessen werde „alles gelähmt und Ressourcen verbraucht“. Für die Abschaffung habe sich auch der gesamtstaatliche Gemeindenverband ANCI ausgesprochen.

„Man bräuchte als Bürgermeister einmal die Woche einen Rechtsanwalt“

Der Bürgermeister von Villnöss, Peter Pernthaler, musste sich wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch vor Gericht verantworten – er hatte eine befristete Genehmigung für einen Bagatelleingriff erteilt. „Am Ende wurde es archiviert“, berichtet Pernthaler. Er sehe die geplante Abschaffung des Amtsmissbrauchs auf römischer Ebene „sicher nicht negativ“. Die Bürgermeister seien an vorderster Front. „Man bräuchte als Bürgermeister einmal die Woche einen Rechtsanwalt, um Themen zu besprechen“, berichtet Pernthaler. Als Bürgermeister sei man sehr oft „Bauassessor“ – und diese Rolle sei eine große Belastung.

Wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch ist auch der Bürgermeister von Wengen, Angel Miribung, ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten – 2022 nach dem Fall Vallazza. „Schon vor einem Jahr hätte die Archivierung erfolgen sollen – aber es geht stillschweigend weiter“, sagt Miribung. „Wir haben nichts Unrechtes getan – da war alles in Ordnung.“ Der Gemeinde seien bereits 10.000 Euro an Spesen entstanden – öffentliches Geld. Er verstehe die Justiz nicht. Da getraue sich bald kein Politiker mehr, etwas zu unterschreiben, meint Miribung.

Als Bürgermeister habe man viel Entscheidungskompetenz – da sei man auf einem schmalen Grat unterwegs, meint Peter Brunner. Wenn Bürgermeisterkollegen unverschuldet vor Gericht kämen, leide man mit. Er begrüße es, dass in Rom die Materie nun neu geregelt werden soll. „Ein Freibrief darf damit aber nicht entstehen – das muss man auch klar sagen“, betont Brunner.


hof

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