<b>Ein Kommentar von Bernd Posselt</b>.<BR /><BR /><BR />Beide Ämter waren jahrhundertelang in den Händen des ursprünglich aus Asien stammenden und absolut nicht arabischen Hauses Osman gelegen, dessen Angehörige 1924 allesamt aus der türkischen Republik ausgewiesen wurden und erst in unserer Zeit dorthin zurückkehren konnten. Kalif ist das arabische Wort für „Nachfolger“, meint aber keine geistige oder geistliche Nachfolge wie jene für Jesus Christus, sondern war ursprünglich durchaus im dynastischen Sinn gedacht. <BR /><BR />Mohammed hatte keinerlei Regelung getroffen, wer nach ihm an der Spitze der muslimischen Weltgemeinschaft, der so genannten Umma, stehen sollte, und hinterließ auch keine Söhne. Die ersten 4 Kalifen waren dennoch mehr oder minder unumstritten, weil sie direkt der Familie des Propheten entstammten. Schon damals gab es aber die Kritik, der islamische Glaube sehe keine dynastische Führung vor, und spätestens ab dem 5. Kalifen erkannten die Schiiten eine solche nicht mehr an. <h3> Weltliches und geistliches Oberhaupt</h3>Die Sunniten hingen allerdings weiterhin mit überwiegender Mehrheit der Kalifats-Idee an, also der Konzeption von einem weltlichen und geistlichen Oberhaupt ihrer ganzen Glaubensgemeinschaft. Doch schon unter den großen Kalifats-Dynastien der Omajjaden und der Abbasiden hatte der Kalif kaum noch Macht, sondern nur noch eine gewisse symbolische Autorität. <BR /><BR />Heute sind bei den Arabern vor allem die scherifischen Königshäuser von Marokko und Jordanien besonders angesehen, weil sie, anders als die neureichen Saudis, von der Familie Mohammeds hergeleitet werden können. <BR /><BR />Das 1924 abgeschaffte Kalifat des türkischen Herrscherhauses Osman blieb ohne Nachfolge. In Britisch-Indien führte dies zu Aufständen, und in der arabischen Welt gab es immer wieder Versuche, die Idee eines obersten religiösen Repräsentanten aller Sunniten zu erneuern.<BR /><BR /> 1926 lud die Al-Azhar-Universität in Kairo, das Zentrum sunnitischer Gelehrsamkeit, einen Kongress ein, um das Kalifat wiederzubeleben, und zwar in Gestalt des ägyptischen Königs Fuad, der albanischer und nicht arabischer Herkunft war. All dies scheiterte, und heute gibt es sogenannte „Kalifen“ nur noch an der Spitze islamistischer Splittergruppen oder des Sultanats Sokoto in Nigeria.<BR /><BR />