<i>Von Arnold Sorg</i><BR /><BR />Das 25. Jubiläum haben die Süd- und Nordtiroler Volkspartei im Plessi-Museum am Brenner gefeiert. Die Europaparlamentarier Herbert Dorfmann und Barbara Thaler hatten geladen. Besondere Gäste waren die Alt-Landeshauptleute Luis Durnwalder und Wendelin Weingartner. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="881639_image" /></div> <BR /><BR />Auffallend: Die Abwesenheit vieler SVP-Landtagsabgeordneter. Außer Landeshauptmann Arno Kompatscher und Parteiobmann Philipp Achammer waren nur Landeshauptmann-Stellvertreterin Waltraud Deeg, Fraktionsvorsitzende Magdalena Amhof, der Landtagsabgeordnete Helmut Tauber und die Kammerabgeordnete Renate Gebhard zugegen. <BR /><BR />Die flammende Rede von Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder veranlasste den SVP-Obmann mit Blick auf den bevorstehenden Wahlkampf schmunzelnd zur Bemerkung, Durnwalder möge während dieses Wahlkampfes aus seinem „Landeshauptmann a. D.“ (außer Dienst) ein „i. D.“ (im Dienst) machen. STOL hat den ehemaligen Landeschef zum Interview gebeten.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="881642_image" /></div> <BR /><BR /><b>STOL: Herr Durnwalder, Sie haben zusammen mit Ihrem Kollegen Wendelin Weingartner 1998 den Grenzbalken vom Brenner weggetragen – das ikonische Foto kennt in Tirol wohl jeder. Wie ist es für Sie, heute hier zu stehen und dieses Jubiläum zu feiern?</b><BR />Durnwalder: Es ist eine Erinnerung. In der Politik gibt es viele Gedenksteine, anhand denen man ermessen kann, was alles geschehen ist. Ich war 40 Jahre lang in der Landesregierung. In diesen 40 Jahren ist vieles geschehen. Wir haben durch das Paket Kompetenzen bekommen. Wir hatten die Möglichkeit, das Paket umzusetzen. Dafür hat es auch immer wieder neue Maßnahmen gebraucht. Es war eine sehr intensive Zeit. Der Bedarf war da: In den Gemeinden brauchte es Seniorenwohnheime, Spielplätze, Gemeindehäuser, Schulen. Das konnte alles erst ab damals gemacht werden, weil wir die Zuständigkeiten dafür hatten und das Geld. <BR /><BR /><b>STOL: Auch politisch war es nach Abschluss des Paketes nicht ruhig.</b><BR />Durnwalder: Man hat immer wieder neue Zuständigkeiten gebraucht. Das Umfeld hat sich geändert. Wir haben geschaut, Maßnahmen zu unterstützen, die in unserem Sinne sind. Darunter waren auch die neue Währung – der Euro war ja ganz etwas Wichtiges –, aber auch die Übernahme und Anwendung des Schengener Abkommens. Es sieht vor, dass zwischen den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten keine Grenzkontrollen mehr stattfinden. Täglich finden 3,5 Millionen Durchgänge an den EU-Grenzen statt. Man kann sich vorstellen, dass das ein enormer Fortschritt war: Gesellschaftspolitisch, kulturell, wirtschaftlich war es fortan möglich, ohne Probleme die Grenzen zu überqueren. <BR /><BR /><b>STOL Wie schwierig war es damals, dies zu erreichen?</b><BR />Durnwalder: Das war ein Verdienst der Staaten. 1985 war das Abkommen in Schengen bereits ausgearbeitet worden. Es hat lange gedauert, bis es umgesetzt war. Erst 1990 sind die Durchführungsbestimmungen gemacht worden. Italien ist 1995 beigetreten, Österreich erst 1997. Deutschland hat Schwierigkeiten gemacht, weil man dort fürchtete, man könne die Grenzen zwischen Österreich und Bayern nicht kontrollieren. Aber man hat weiter daran gearbeitet. Der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl und der österreichische Kanzler Viktor Klima haben sich mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten in Innsbruck getroffen – und schließlich haben sie sich geeinigt. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58978666_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Die Freude in der Bevölkerung war groß.</b><BR />Durnwalder: Der Staat hatte seinen Festakt für den 1. April angesetzt. Damals war Giorgio Napolitano Innenminister, Karl Schlögel war österreichischer Innenminister. Wir Tiroler haben unser Fest am Brenner einen Tag vorher gemacht: Wir wollten zeigen, dass die Bevölkerung erfreut ist und das gewünscht hat. Vereine, Verbände waren dabei, Reden wurden gehalten: Wendelin Weingartner und ich haben den Grenzbalken weggetragen. Wir mussten ihn anschließend aber wieder zurückbringen: Damit die Innenminister das Gleiche am 1. April wiederholen konnten. <BR /><BR /><b>STOL: Der Grenzbalken ist seit 25 Jahren Geschichte. Wie schaut es mit den Grenzen in den Köpfen der Leute aus?</b><BR />Durnwalder: Der Grenzbalken ist ein äußeres Zeichen. Für die praktische Seite hatte es eine große Bedeutung: Innerhalb des Schengenraums kann man sich frei bewegen. Aber das bedeutet nicht, dass sich damit auch die innere Einstellung geändert hätte. Natürlich: Wer eine positive Einstellung zur Zusammenarbeit hatte, bei dem ist sie verstärkt und belohnt worden, weil viel Bürokratie weggefallen ist. Jene, die nicht zusammenarbeiten wollen – für die ist alles umsonst. Wenn man nicht zusammenarbeiten will, wenn man Tirol nicht als Einheit sieht, wenn man nicht will, dass Süd-, Nord- und Osttirol zusammenarbeiten, dann nutzt alles nichts. Schengen ist nur eine Möglichkeit. Genauso wie die Autonomie eine Möglichkeit ist: Die Autonomie ist eine Aufzählung von Zuständigkeiten, die ans Land übergehen. Wenn man daraus nichts macht: Nur mit den Buchstaben selber geschieht nichts. Kürzlich war ich in Sardinien: Das hat wie Südtirol eine Autonomie. Nehmen wir an, in der EU liegt das Durchschnittseinkommen bei 100 – in Südtirol liegt es dann bei 154, in Sardinien bei 87. Weil sie nichts tun! Die Politiker haben nur den Außenrahmen der Autonomie geschaffen. Die Leute füllen diesen mit Leben. Bei Schengen ist es genauso: Wenn die Leute über die Grenzen hinweg zusammenabreiten wollen, geht es jetzt eben viel leichter. Die Grenzregionen haben eine europäische Aufgabe bekommen. Früher war am Brenner die Grenze: Durch das Schengener Abkommen ist die Grenze durchlöchert worden. Süd-, Nord- und Osttirol sind zusammengewachsen und haben dazu beigetragen, dass auch die beiden Staaten ineinander verzahnt werden und deswegen einen Beitrag für Frieden und Zusammenarbeit leisten.<BR /><BR /><embed id="dtext86-58978667_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Sie haben in Ihrer Rede betont, man dürfe nicht passiv bleiben und Entscheidungen einfach so hinnehmen. Geschieht das heute zu oft?</b><BR />Durnwalder: Mir kommt vor, wir sind bequem geworden, alles scheint selbstverständlich zu sein. Man wartet, bis einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. So geht es im Leben aber nicht: Ohne Einsatz und Arbeit wird einem nichts geschenkt. Wenn nicht jeder an seiner Stelle einen Beitrag leistet, werden wir nie Frieden haben – denn etwas zum Streiten gibt es immer. Wenn nicht jeder zum wirtschaftlichen Bereich etwas beiträgt, werden wir keinen Wohlstand haben. Von selbst kommt nichts. Es muss erarbeitet werden, gespart und umgesetzt. Wir brauchen Verstand, 2 Hände und ein Herz. In der Europaregion Tirol, in Schengen passiert von selbst nichts: Wir müssen es tun. Wenn wir die Grenzen in uns selber nicht abbauen, dann passiert gar nichts.<BR /><BR /><b>STOL: Wendelin Weingartner sagte in seiner Rede, wenn er nach Südtirol komme, heiße es: „Ihr Österreicher…“</b><BR />Durnwalder: Das ist aber schon ein bisschen eine einseitige Sicht auf die Dinge. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn es beim Skifahren im Fernsehen heißt: „Der Italiener…Innerhofer…hat gewonnen.“ Da könnte man schon „der Südtiroler“ sagen. Aber das sind Ausnahmen, die muss man über sich ergehen lassen. Trotzdem: Es ist eine Tatsache, dass die Grenze da ist – nicht nur in den Köpfen. Wir müssen schauen, dass wir sie nicht mehr spüren.<BR />