Ein großer Teil des Waldes hält Muren und Steinschlag von Südtirols Dörfern und Tälern ab: Stirbt er wegen des großen Käferbefalls, wie prognostiziert, bleibt das Land über Jahrzehnte ungeschützt. Gefährliche Stellen mit technischen Anlagen zu verbauen, kostet ein Vielfaches von dem, was die vorbeugenden Maßnahmen gegen den Borkenkäfer kosten würden: Technischer Ersatz von Schutzwald geht pro Hektar in die Hunderttausenden von Euro. „Daraus lässt sich ableiten, wie viel ein Schutzwald wert ist.“ Der Erhalt des Schutzwaldes, seine Anpassung an den Klimawandel – „das muss uns als Gesellschaft etwas wert sein“, mahnt Petercord. Er ist am Mittwoch als Experte im Südtiroler Landtag angehört worden <a href="https://www.stol.it/artikel/politik/grossteil-der-fichten-an-borkenkaefer-verloren-jetzt-zeit-gewinnen" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">(STOL hat bereits ein Interview mit ihm veröffentlicht).</a><BR /><BR /><embed id="dtext86-57111259_quote" /><BR /><BR />Leicht ist das freilich nicht: Die Aufgaben sind groß, die Hindernisse ebenfalls. Nun gelte es, die Kapazitäten zur Käferbekämpfung aufzubauen: „Zu sagen, ich habe die Kapazitäten nicht, kann ich mir kurzfristig erlauben – aber nicht langfristig. Sie werden hier in den nächsten Jahren erleben, dass Sie einen Großteil Ihrer Fichten verlieren werden. Sie können nur Zeit für den Waldumbau gewinnen. Wenn Sie in einem Jahr sagen, Sie haben die Kapazitäten immer noch nicht, haben Sie etwas falsch gemacht. Hier muss jetzt Bewegung hinein.“<h3> Prof. Ralf Petercord schlüsselt auf, was jetzt zu tun ist</h3>„Private Waldbesitzer sollten sich in den nächsten Wochen ihren Wald ansehen und die Bäume rausnehmen, die aktiv vom Käfer befallen sind“: <b>Abgestorbene Bäume zu fällen, helfe jetzt nicht mehr.</b> „Abgestorbene Bäume zu ernten bringt gegen den Käfer nichts. Das sollte man nur tun, wenn man genügend Kapazitäten dafür hat.“ Graue Bäume zu fällen, sei jetzt nicht die richtige Strategie – „sondern die braunen oder roten Bäume.“ <BR /><BR />Graue Bäume sollte man stehen lassen, da sie für eine gewisse Zeit einiges an Schutzfunktion für den Wald übernehmen könnten, erklärt Prof. Petercord. „Einen Teil der grauen Bäume könnte man querfällen bzw. Stubben von 1,50 Meter stehen lassen“ – als Erosionsschutz.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="836273_image" /></div> <h3> Wie erkennt man, welche Bäume aktiv vom Käfer befallen sind?</h3>„Die befallenen Bäume zu erkennen ist schwierig: Spechte helfen uns dabei. Sie klopfen daran. Die Rinde fällt ab: Sobald man so etwas sieht, muss man rangehen“, sagt Prof. Petercord. Auch Einbohrlöcher weisen auf Befall hin – „jetzt sieht man leider kein Bohrmehl mehr“, weiß der Experte. <BR /><BR />Die Nadelfarbe sei jedenfalls kein verlässlicher Indikator: „Es gibt <b>befallene Bäume, die noch sehr lange grün sind</b>, aber schon die Rinde verlieren. Die Käfer sind dann weg. Bevor die Bäume die Rinde verlieren, sollte man sie rausholen. Die Käfer gehen ab diesem Zeitpunkt nämlich in den Boden.“ <BR /><BR />Wichtig zu wissen: <b>Borkenkäfer überwintern nicht unter der Rinde, sondern in der Rinde.</b> „Wenn man also probeweise ein Stück Rinde abmacht und denkt, darunter sei kein Käfer und der Baum nicht befallen: Das ist ein Fehler. Man muss die Rinde stückchenweise durchbrechen. Dann kann man erkennen, ob Käfer drin sind oder nicht.“ Nur im Sommer sitzen die Käfer unter der Rinde, im Winter hingegen darin. „Man muss also genau schauen.“<h3> Organisation: Gemeinsam mehr Schlagkraft</h3>Das große Maßnahmenpaket gegen den Befall beginnt mit der Organisation: „Man muss den Wald einteilen und systematisch aufgliedern“, erklärt Prof. Petercord. „Sie müssen überlegen, wo mache ich was und was brauche ich für die jeweiligen Waldstücke?“ Auch private Besitzer sollten sich mit ihren Nachbarn absprechen und <b>Arbeitsblöcke identifizieren</b>. <BR /><BR />Waldflächen müssen <b>ab April den gesamten Sommer</b> hindurch sehr <b>regelmäßig kontrolliert</b> werden – am besten zu Fuß: „Jede Woche muss man suchen und den Befall kontrollieren“, sagt Prof. Petercord. Wo man zu Fuß nicht hingelange – „da geht es möglicherweise gar nicht, den Käfer zu bekämpfen.“ <BR /><BR />Je nach Wetterbedingungen könne man schon vorab abschätzen, ob der Käfer ausgeflogen sei: „Die Förster vor Ort machen ein Borkenkäfermonitoring: Sobald der Käfer geflogen ist, ist es sinnvoll, nach Hinweisen für Befall zu suchen – nach Bohrmehl am Stammfuß etwa, Harzflecken, Spechten… <b>Nicht auf die Nadeln schauen!</b> Das bringt nichts“, mahnt Prof. Petercord. „Wenn Sie das in Blöcke eingeteilt haben, dann wissen Sie: Es gibt Blöcke, wo wir suchen sollten; es gibt aber auch Blöcke, wo wir so viel Borkenkäferbefall haben, dass wir es nicht mehr schaffen. Auf Flächen, wo Sie noch etwas erreichen können, ist die Bekämpfung des Käfers jede Mühe wert“: Ein guter Schlachtplan sei essenziell. Das schaffe eine gute Ausgangssituation.<h3> Befallene grüne Bäume schnell fällen – nicht abgestorbene</h3>Der nächste Schritt: Befallene Bäume sehr schnell fällen – „möglichst <b>binnen 14 Tagen</b>, nachdem Sie den Baum gefunden haben“. Wichtig sei auch, gleich für die Abfuhr zu sorgen: Dazu seien schon frühzeitig Verträge mit Holzfirmen zu schließen, die das Holz abnehmen. Man könne aber auch einen Lagerplatz außerhalb des Waldes einrichten. „Dazu ist zu klären: Wie bringen wir das Holz raus? Brauchen wir einen Schlepper, einen Seilkran oder einen Hubschrauber?“ Das müsse man mit der Forstverwaltung abstimmen: „Sie hat das Heft in der Hand: Ihre Forstwirte vor Ort machen das sehr gut. Aber sie brauchen die Unterstützung von allen Waldbesitzern für ein gemeinschaftliches Herangehen“, sagt Prof. Petercord.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="836276_image" /></div> <BR /><BR />Sind nicht viele Bäume betroffen, könne man sie auch vor Ort von Hand <b>entrinden</b>. „In Steillagen, wo man mit dem Entrinden nicht nachkommt, setzen wir in Deutschland in Schutzwaldgebieten <b>Pflanzenschutzmittel</b> ein. Ich weiß, das ist in Italien verboten“: Es sei eine politische Frage, welche Möglichkeiten man auf diesem Weg habe. Grundsätzlich seien Pflanzenschutzmittel gegen den Borkenkäfer im Winter nicht sinnvoll: „Das Mittel wirkt, wenn die jungen Käfer im Frühling aus der Rinde kommen – trägt man es zu früh auf, ist der Wirkstoff bis dahin verflogen.“ 6 Wochen sei ein realistischer Wirkzeitraum.<h3> Kein Brutmaterial vor Ort lassen</h3>Wichtig sei jedenfalls, kein Brutmaterial vor Ort zu lassen: „Sie müssen alles – Kronen, Restmaterial – aus dem Wald bringen. Oder es so <b>kleinschneiden, hacken oder verbrennen, dass der Käfer nicht darin brüten kann</b>“, warnt Prof. Petercord.<BR /><BR />Fallen und Fangbäume sollte man in diesem Stadium des Käferbefalls nicht mehr einsetzen: „Das funktioniert nicht, weil die Populationsdichte zu hoch ist. Die Fangbäume werden schnell voll, Käfer gehen ins stehende Holz. Dann haben Sie mit den Fangbäumen nichts erreicht. Es war ein guter Versuch im vergangenen Frühling, aber man hat gesehen: Die Käfer haben sich schon zu sehr vermehrt“, sagt Prof. Petercord.<h3> Satelliten können Borkenkäferbefall nicht erkennen</h3><BR /><div class="img-embed"><embed id="836279_image" /></div> <BR /><BR />Die Situation per Satellit zu überwachen sei „vergebliche Liebesmüh“, sagt Prof. Ralf Petercord: „Die Satelliten können das nicht sehen. Besser ist: <b>zu Fuß gehen und schauen</b>. Damit sind Sie viel schneller. Satelliten können nicht helfen, auch im Sommer bringt das nichts, denn die Nadeln verfärben sich nicht schnell genug. Die Satellitentechnik ist nicht genügend ausgereift: Der Satellit erkennt nur die abgestorbenen Bäume. Aus denen ist der Käfer aber schon raus. Wenn Sie das so machen, rennen Sie immer den abgestorbenen Bäumen hinterher und der Käfer ist Ihnen immer einen Schritt voraus. Davor kann ich nur warnen. Da räumen Sie letztlich Ihren ganzen Wald leer – für nichts: Sie haben dadurch keinen Bekämpfungserfolg“, erklärt Prof. Petercord. <BR /><BR /><embed id="dtext86-57111258_quote" /><BR /><BR />Der Befall konzentriert sich immer in der Nähe der braunen, abgestorbenen Bäume. „Sie müssen hin zu den grünen Bäumen, wo man noch nichts sieht, und diese kontrollieren – so lange, bis Sie keine Nester mehr finden. Das sind nicht nur die Randbäume. Sondern eventuell sogar die <b>Randbäume der vierten Reihe</b>. Wir hatten bei den starken Populationsdichten einen Befallsfortschritt, wo auf 30 Metern jeder Baum befallen war – eine ganze Saumlänge“, illustriert der Experte. „Das ist der Wahnsinn.“<h3> Kapazitäten bündeln und ausbauen</h3>„Die wenigen Kapazitäten, die man hat, muss man optimal einsetzen – und die Kapazitäten erhöhen“, sagt Prof. Petercord: „Das muss man auch organisiert machen – und darf sich nicht verstreiten.“<BR /><BR />Auch zur Reihenfolge der Flächen, die bearbeitet werden können, hat der Experte einen Tipp: „<b>Zuerst die kleinen Flächen bearbeiten.</b> Nur so kann man Randlinien, mögliche Befallsplätze minimieren. Wenn Sie zuerst mit den großen Flächen beginnen, laufen Sie den vielen kleinen ständig nach – das ist wie bei einem Schrotschuss. Wenn Sie überall kleine Flecken haben, breiten diese sich aus – und Sie sind irgendwann verloren.“ <BR /><BR />Die Abgeordneten im Landtag hätten erkannt, dass die Politik hier gezielt fördern müsse, sagt Prof. Ralf Petercord nach seiner Anhörung am Mittwoch: „Man muss schlau fördern, an der richtigen Stelle. Die Forstkollegen wissen genau, wo es wie funktioniert.“<BR /><BR /> <a href="https://www.stol.it/artikel/wirtschaft/borkenkaefer-experte-jetzt-reagieren-oder-in-5-jahren-gebirgshaenge-ohne-wald" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Im STOL-Interview im August hat Forstexperte Florian Kaiser auf das Problem aufmerksam gemacht. Den Bericht finden Sie hier.</a><BR /><BR />